Die Bedingung für digitale Geschäftsabläufe

Digital oder nur scheinbar digital?

16.05.2018
Von   IDG ExpertenNetzwerk
Raimund Schlotmann ist Experte für Unternehmens- und Führungskräfteentwicklung. Er ist als Geschäftsführer und im Portfolio Management tätig. Zu seinen Erfolgen zählt u.a. der Aufbau der ONVENTIS GmbH (SaaS), die Weiterentwicklung der PROCAD GmbH & Co KG und weiterer Unternehmen im Software Bereich. Er ist Autor des Buchs „Digitalisierung auf mittelständisch“ (Springer).
Digitale Geschäftsabläufe funktionieren nur auf der Basis digitaler Informationen. Das klingt banal, aber oft wird eben doch nur mit lediglich elektronifizierten Informationen operiert. Und dann ist der Geschäftsablauf gerade nicht digital.

Wer eine Rechnung einscannt und als PDF per E-Mail zur Freigabe verschickt, betreibt noch keine Digitalisierung, da die einzelnen Informationen der Rechnung nicht digital operabel sind. Um es zu werden, muss sie gescannt werden, eine OCR (OpticalCharacter Recognition) muss die Bilddaten in digital weiterverarbeitbare Informationen verwandeln und automatisch Kopf- und Positionsdaten erkennen. Basiert die Rechnung auf einer Bestellung, werden die Positionsdaten über die erkannte Bestellnummer automatisch mit den Bestelldaten im ERP-System verglichen. Bei Übereinstimmung leitet ein Workflow den Datensatz an die Finanzbuchhaltungssoftware zur Zahlung weiter.

Lesetipp: Elektronische Rechnung - Es geht auch ohne Papier

Damit wird deutlich, was einen echten digitalen Prozess auszeichnet: maschinelle Verarbeitung digital operabler Informationen und ihr systemübergreifender Austausch durch Kopplung der beteiligten Systeme.

Schon von Anfang an kam es darauf an, die IT mit maschinenlesbaren Formaten zu füttern, um brauchbare Ergebnisse zu erhalten.
Schon von Anfang an kam es darauf an, die IT mit maschinenlesbaren Formaten zu füttern, um brauchbare Ergebnisse zu erhalten.
Foto: Everett Collection - shutterstock.com

Die in einem Product-Lifecycle-Management-(PLM)-System vorhandene Information ist ein weiteres Beispiel. Hier geht es um Daten, Dokumente und Prozesse im Zusammenhang mit der Produktentstehung und dem Produktmanagement. Ebenso wie die genannte Rechnung ist ein Änderungsantrag für ein Produkt in PDF-Form noch keine digital operable Information. Die elementare Information des Antrags lautet „Ändere Teil A in dieser Art und Weise“. Sie muss separat vorliegen und mit dem dazugehörigen Bauteil im PLM-System verbunden werden. Nur auf diese Weise lässt sich automatisiert ein Zusammenhang herstellen. Der Änderungsantrag im PDF-Format mit seinen 20 dort aufgeführten Änderungspositionen erlaubt eine solch vollständig digitale Zuordnung nicht. Nicht nur die Information über die Änderung, sondern auch die daraus folgende Aufgabe muss digital vorliegen und mit der Änderungsdokumentation verbunden werden.

Für einen digitalen Geschäftsprozess im PLM-Kontext genügt es also nicht, eine Aufgabe in Textform alsE-Mail zu versenden und die Dokumente, die zur Aufgabe gehören, als Anhang. Sondern die Aufgabe muss im PLM-System über eine Aufgabenakte vergeben werden und die Dokumente liegen nur einmal vor. Die Aufgabenakte begleitet den Änderungsprozess, der im PLM-System alle mit der Änderung verbundenen Produktdaten und Dokumente lenkt.

Zwei Szenarien, die zeigen, was einen echten digitalen Prozess auszeichnet. Das bedeutet für ein Unternehmen, die hierzu notwendigen IT-technischen Voraussetzungen zu schaffen. Die für die Digitalisierung drei wesentlichen Systembereiche sind im Kern das ERP-System (inklusive Supply Chain, BI und Instandhaltung) für die Verknüpfung von Produktion, Finanzen, Vertrieb und Service. Außerdem die Office-Welt inklusive möglicher Intranet- oder Portal-Lösungen und Customer Relationship Management sowie das PLM-System für den Bereich der Produktentstehung und des Produktmanagements.