Schon einmal erlebten wir ein riesiges Startup-Sterben: Nach dem Jahr 2000 hauchten reihenweise Internet-Unternehmen ihr Leben aus. Letsbuyit.com dürfte einer der bekanntesten Vertreter dieser Art sein - auch der berühmt-berüchtigte Kim Schmitz alias Kim Dotcom war damals mit von der Partie. Aber auch viele kleinere Internet-Startups überlebten die damalige Konsolidierung am Markt nicht. Wie beispielsweise die Magicday AG aus Regensburg, die sogar das Kunststück fertigbrachte, gleich zwei Mal zu scheitern: Erst als Endconsumer-orientierter Geschenkeshop und dann im zweiten Anlauf als B2B-Geschenkeversender. Als Investorin der gescheiterten Magicday AG trat damals übrigens Ulrike Stadler auf, die Gründerin der ABC-Bücherdienst GmbH in Regensburg, aus der schließlich Amazon.de hervorging.
Das Desaster vieler damaliger Internet-Startups, die aufgrund fehlender Erfahrung und vieler handwerklicher Fehler scheiterten, wiederholte sich seit dem Platzen der Dotcom-Blase nicht mehr derart heftig. Doch immer wieder gehen auch heute noch Internet-Startups zugrunde. Wir stellen einige dieser Pleite-Unternehmen der jüngsten Zeit vor.
Es gibt viele Gründe, warum ein Start-up scheitern kann. Die häufigste Ursache ist laut einer Studie von CBInsights das Produkt selbst: Fast die Hälfte der strauchelnden Start-ups hatte ein Angebot, für das im Markt einfach kein Bedürfnis bestand. Dieses Grundproblem traf beispielsweise auf das deutsche Start-up Doo zu, dessen Online-Dokumentenverwaltung einfach zu wenig Kunden fand. Es ist aber nicht immer die fehlende Markteinschätzung der Unternehmensgründer, ein erfolgreiches Start-up kann schnell in eine Existenzkrise geraten. Der beliebte Bilderdienst Twitpic musste aufgeben, als Twitter eine Namensänderung verlangte und der beliebte Videoblogging-Dienst Viddy hatte sich zu eng an ein bestimmtes soziales Netz gebunden. Es kann noch viele weitere Gründe geben, wie unsere Auswahl an Pleiten der letzten Jahre zeigt.
In unserer Aufstellung an gescheiterten Start-ups sind vor allem US-Unternehmen vertreten, was mehrere Ursachen hat: In Deutschland schaffen es nur wenige IT- und Web-Start-ups , zu einer nennenswerten Größe zu gelangen, Ausnahmen wie Teamviewer und Sociomantic bestätigen eher die Regel. Sind jedoch nur ein oder zwei Gründer betroffen, wird ihr Verschwinden oft kaum bemerkt; man könnte dies auch als fehlende "Fallhöhe" bezeichne.
In Deutschland scheinen viele Geldgeber außerdem nicht nicht gerne zuzugeben, dass eines ihrer Projekte gescheitert ist. So führt die Website "Gründerszene" ein großes Archiv gescheiterter Internet-Projekte, die oft jahrelang als inaktive Webseite und Facbeook-Auftritt vor sich hin dümpeln, bis sie endgültig vom Netz genommen werden. Dazu gehören unter anderem so genannte "Groupon-Klone" wie CoupoMania , Deal Ticket , Heimatpreis , Reduti oder UnserDeal.
Deutlich mehr Kapitalgeber gibt es dagegen in den USA. Diese sind schnell bereit achtstellige Summen zu investierten, gerade bei der Finanzierung durch Venture Capital stehen US-Unternehmer dann aber auch deutlich mehr unter Druck und müssen vielleicht auch ihr Scheitern ausführlicher erklären.
Video-Blogging: Viddy
Der Foto-Blogdienst Instagram war ein großer Erfolg, der Dienst Viddy hoffte dies mit einem Video-Blogdienst toppen zu können. Die Anfänge waren vielversprechend: Die Nutzerzahlen stiegen 2012 von einer auf zehn Millionen Nutzern und in einer zweiten Finanzierungsrunde konnte Viddy 30 Millionen Dollar an Kapital einsammeln. Das Start-up schätzte gegenüber den Investoren den eigenen Wert dann auch auf 370 Millionen Dollar. Zu den Investoren und Nutzern gehörten viele US-Prominente wie Shakira und Jay-Z's Label Roc Nation, zu den Nutzern unter anderem Justin Bieber. Die Grundlage der App war allerdings eine enge Anbindung an Facebook. Als Facebook diese enge Einbindung beschnitt, sank die Nutzerzahl rapide. Facebook hatte Instagram übernommen und bald eine Video-Aufnahmefunktion ergänzt. Bald darauf wurde das Mutter-Unternehmen von Fullsceen übernommen, seit Mitte Dezember ist der Dienst offiziell geschlossen.
Gründer: JJ Aguhob, Brett O'Brien
Finanzierung: 20,2 Millionen US-Dollar, New Enterprise Associates, Khosla Ventures, Goldman Sachs, Battery Ventures
Mobile Social: Sonar
Sonar, eine App der Sonar Media Inc., war einmal eine der beliebtesten Apps auf Android- und iOS-Smartphones und hatte nach eigenen Angaben Millionen Nutzer. Freunde und Gleichgesinnte in der Nähe wurden von dem Tool automatisch erkannt, auf einer Karte angezeigt und man konnte mit ihnen chatten. Sonar unterstützte Facebook, LinkedIn, Twitter und Foursquare. Die große Zahl an Nutzern sorgte aber nicht für entsprechende Einnahmen. Nach drei Jahren kam Ende 2013 das Aus. Nach Berichten des Gründers Brett Martin hatten auch viele falsche Managemententscheidungen zum Ende beigetragen. So hatte ein geplatzter Kauf durch ein Unternehmen viel Geld und Ressourcen gekostet .
Gründer: Daniel Klaus, Brett Martin
Finanzierung: 200.000 Dollar von Social Starts und Shawn V. Gruver
Social TV: TunedIn
Social TV war das Thema des Berliner Start-ups TunedIn . Während eines TV-Films konnten Nutzer der App Zusatzinformationen bekommen oder mit anderen Zusehern chatten. Idee des in New York gegründeten und später nach Berlin umgesiedelten Unternehmens war es, Fernsehen, Internet und Social Media zu verknüpfen. In den USA ist beispielsweise das Vorbild tvtag (früher GetGlue) mit diesem Konzept recht erfolgreich.
Noch im Februar 2013 hatte Axel Springer 75 Prozent der Anteile übernommen, Anfang Juli 2014 meldete das Second-Screen-Unternehmen dann aber bereits Insolvenz an. Laut einem Bericht bei "Gründerszene" hatte sich der Second Screen-Markt nicht so entwickelt wie geplant. Mit Anbietern wie Zapitano, Couchfunk, Tweek und Wywy hatte es wohl zu viele Konkurrenten auf einem kleinen Markt gegeben. Zehn Mitarbeiter beschäftigte das Unternehmen am Schluss.
Gründer: Justin Scull, Sebastian Bartz
Finanzierung: Axel Springer, Höhe nicht bekannt
Foto-Enzyklopädie: Fotopedia
Ein Online-Fotodienst der anderen Art wollte Fotopedia sein - eine kollaborative Foto-Enzyklopädie. Profi- und Amateur-Fotografen waren die Zielgruppe. Das von früheren Apple-Mitgliedern gegründete Start-up ermöglichte den Nutzern, aufwendige Foto-Präsentationen zu erstellen; Wikipedia und Google Maps konnten integriert werden. Auch einige Kommunikationsfeatures waren geboten und die einfach bedienbaren Foto-Seiten genügten selbst höheren optischen Ansprüchen. Vor allem auf iPad- und iPhone war der Dienst sehr beliebt. Das Ende im Juli 2014 hatte finanzielle Gründe, das Unternehmen verdiente kaum Geld. So schrieben die Betreiber zum Abschied: "We truly believe in the concept of storytelling but don't think there is a suitable business in it yet."
Gründer: Jean-Marie Hullo, Bertrand Guiheneuf, Manuel Colom, Sébastien Maury and Olivier Gutknech
Finanzierung: Banexi Ventures Partners, David Rosenblatt, DG Incubation Inc, Ignition Partners, Joi Ito, Local Globe (& Saul Klein), Mats Carduner, Reid Hoffman, Ron Conway IRA, Soft Tech (Jeff Clavier)
Social Imaging: Twitpic
Twitpic ist wohl fast jedem Twitter-Nutzer ein Begriff und es ist nicht die Schuld des Gründers, dass das Unternehmen im Oktober 2014 seine Dienste einstellte . 2008 startete der Service, der Nutzern des Nachrichtendienstes Twitter das einfache Einbinden von Fotos ermöglichte. Zu Beginn war Twtitpic ein Ein-Man-Unternehmen, bestehend aus dem Gründer Noah Everet. Finanziert wurde Twitpic komplett über Anzeigen und eigenes Kapital, Personal wurde nur langsam eingestellt. Gestoppt wurde das Unternehmen schließlich 2014 durch Twitter selbst - das Unternehmen verlangte die Aufgabe des Markennamens Twitpic oder würde den Zugriff auf die APIs untersagen. Foto-Archiv und Domain gehören jetzt Twitter , Noah Everetts zweiter Online-Dienst Heelo mit ähnlichen Funktionen wurde kurz darauf ebenfalls vom Gründer eingestellt.
Gründer: Noah Everett
Finanzierung: Eigenkapital
Digitale Post: Outbox
Das anfängliche Konzept des US-Start-ups Outbox klang vielversprechend: Statt täglich altmodische Post in Papierform zu erhalten, würde der Dienste für seine Kunden jeden Brief und jede Postkarte einscannen und per Web bereitstellen. Einer der Vorteile: Durch eine Anti-Spam-Funkton sollte man sich von lästiger Werbung wie Flyern und Prospekten befreien können. Der Kunde würde für 5 Dollar im Monat seine Post an die Firma weiterleiten und Outbox könnte dazu mit der US-Postbehörde kooperieren.
Die US-Post lehnte aber jede Zusammenarbeit ab, verbot sogar die Abholung von einem Postamt. Die Werbekunden waren der Post einfach zu wichtig. Das führte zu einer Änderung des Geschäftsmodells : Outbox musst die Post bei den Kunden persönlich abholen - dreimal die Woche und mit einem Heer an Fahrern. Berichte in den Medien gab es genug. Das Unternehmen hatte anfänglich 600 Kunden, konnte aber auch durch eine umfangreiche Werbekampagne nur etwa 2000 Kunden gewinnen. Für die Finanzierung der hohen Kosten einfach zu wenig.
Gründer: Jason Seriff, Evan Baehr, Will Davis
Finanzierung: 5 Millionen Dollar durch den Floodgate Fund
Online-Streaming: Aereao
Kabelfernsehen in den USA ist sehr teuer, die Firma Aereo bot deshalb ab 2011 eine preiswerte Alternative. Per Internet hatte man Zugriff auf Live-Fernsehen und konnte für anfangs acht Dollar im Monat 28 Kanäle nutzen - für US-Bürger ein echtes Schnäppchen. Ungewöhnlich war die Lösung, wie der Anbieter die TV-Ausstrahlung der Sendungen legitimierte: Um TV-Sendungen übertragen zu können, bekam jeder Nutzer im Firmensitz eine proprietäre TV-Empfangsantenne zugewiesen, der Empfang war an die tatsächliche Empfangssituation am Wohnort des Benutzers gebunden. Auch eine Aufnahmefunktion war integriert.
Die Firma wurde sehr bald von den Kabelfernsehbetreibern verklagt und im Juni 2014 wurde das Geschäftsmodell vom Obersten Gerichtshof als unzulässig erklärt - trotz technischer Unterschiede würde sich das Angebot nicht von dem der TV-Sender unterscheiden, hieß es in der Urteilsbegründung.
Gründer: Chet Kanojia
Finanzierung: 20,5 Millionen Dollar durch IAC, weitere 4,5 Milionen durch FirstMark Capital, First Round Capital, High Line Venture Partners, Highland Capital Partners
API für NFC: SimpleNFC
Bei kleineren Softwarefirmen ist oft schwer feststellbar, ob das Unternehmen eigentlich noch aktiv ist. Dazu gehört auch die Firma SimpleNFC aus British Columbia. Angebot der von vier Softwareentwicklern gegründeten Firma war eine Entwicklungpslattform für NFC.
Ein Starterkit mit API, Beispieldateien und zehn NFC-Tages konnte über den Webshop bestellt werden. Die Website ist zwar aktiv, Twitter und Blog sind aber bereits abgeschaltet und die Gründer arbeiten inzwischen an anderen Projekten. Offenbar war der Bedarf für eine spezialisierte NFC-Entwicklungsumgebung zu gering.
Gründer: Dave Dieno, John Hunter, Fred Rego, Bob McMillan
Lovefilm für Kinderbücher: Sproutkin
Die Geschäftsidee von Sproutkin war ein Verleihservice für Kinderbücher. Passend zum jeweiligen Alter sollten die Abonnenten Bücher-Pakete für ihre Kinder erhalten: Kleinkinder (0-3 Jahre) pro Monat ein Paket mit ausgesuchten Titeln, ideal für das jeweilige Alter und mit pädagogischem Konzept. Ab der Altersklasse der 3- bis 6-Jährigen sollten neue Pakete dann sofort nach Erhalt der letzten Lieferung verschickt werden: jedes Mal ein "Sproutkit" mit zehn von Pädagogen ausgesuchten Büchern.
Der Preis war den Eltern aber anscheinend zu hoch. Im November verkaufte der Anbieter seinen Service an den Online-Spielzeugverleih Sparkbox Toy. Laut Techchrunch hatte Online-Kinderbuchverleih gerade einmal 50 Kunden. Geplant ist eine Neuauflage als E-Book-Dienst.
Gründer: Raelyn Bleharski, Alda Dennis, Mark Jen
Investoren: 500 Start-ups, Tech Fellowes
Location Based Advertising: Dealomio und Friendticker
Manche Start-ups scheitern mit einem Projekt komplett, das muss aber nicht immer mit einem Konkurs der Betreiber enden, wie das Beispiel Dealomio zeigt. Insolvent ist das Unternehmen Dealomio eigentlich nicht, man könnte es wohl eher als "inaktives Projekt" betrachten. Die Webseite ist nicht benutzbar, die Facebook-Seite verwaist. Der Dienst des Berliner Unternehmens servtag sollte lokalen Händlern ermöglichen, Kunden auf günstige Angebote in der Umgebung aufmerksam zu machen. Zeitlich begrenzte Rabattaktionen und Gutschein sollte eine App über Android, iOS und eine mobile Webseite melden.
Eine technische Reichweite von 8 Millionen Apps versprach auskömmlihe Umsätze, 2011 wurden neue Investoren gewonnen und die internationale Verbreitung geplant. Dies scheiterte aber und die Betreiber gründeten ein zweites Projekt - Radcarpet. Dieses mobile Werbenetztwerk war so erfolgreich, dass es schließlich von Ströer übernommen wurde - inklusive servtag. Nach der Übernahme wurde auch der erfolglose Dienst Friendticker eingestellt, ein weiteres recht bekanntes Projekt von servtag.
Gründer: Florian Resatsch, Martin Pischke und Uwe Sandner
Finanzierung: DuMont Ventures, NRW BAnk, Nordwestzeitung (in "siebenstelliger Höhe")
ECM in der Cloud: Doo
Frank Thelen ist etwa als Gründer von IP.labs und Beteiligungen an KaufDA und MyTaxi bekannt, wenig erfolgreich war er mit der Cloud-Dokumentenverwaltung Doo. Plattformunabhänig sollte der Nutzer Dokumente archivieren und verwalten können - das papierlose Büro in der Cloud.
Gute Kritiken erhielten die App für iOS und Android, das Bedienkonzept war aber recht anspruchsvoll. Die Dokumentenverwaltung bekam eine stattliche Finanzierung von 10 Millionen Dollar, konnte aber trotz Erfolgen einfach zu wenig Nutzer finden. Die Entwickler stellten das Projekt im März 2014 endgültig ein und versuchen seitdem mit dem simpleren Tool Scanbot einen Neustart.
Gründer: Alex Koch, Marc Sieberger, Frank Thelen
Finanzierung: 10 Millionen Dollar von Lars Hinrichs, Prof. Dr. Dres. h.c. Hermann Simon, Dumont Venture, e42 Ventures, Target Partners
(PC-Welt)