Eine aktuelle Studie hat untersucht, wie weit Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit der digitalen Transformation sind und was sie zur Förderung digitaler Rührungspersonen tun. Ein Ergebnis: Nur sehr wenige Entscheider verfügen über die Kompetenzen eines Digital Leader, die sie bräuchten, um die Transformation des Unternehmens gut zu steuern.
Vorstände ohne Digitalkompetenz
Eine erfolgreiche digitale Transformation beschränkt sich nicht darauf, einzelne Geschäftsprozesse zu digitalisieren. Ein echter digitaler Wandel geht mit grundlegendenden Veränderungen einher. Der Manager muss sich zunächst ganzheitlich und im Sinne der Kunden bewusst werden, wie sich die Welt, die Konsumenten, und damit die gesamte Wertschöpfungskette verändern, und auf Grundlage dieser Analyse die richtigen Schritte einleiten. Derzeit, das zeigt auch die Erhebung, sind viele Vorstände jedoch noch viel zu kurzfristig orientiert und teils auch falsch besetzt. Mit anderen Worten: Es fehlt ihnen an Führungskräften, die sich durch eine ausgeprägte Digitalkompetenz auszeichnen, die sich mit der Zukunft ihrer Märkte befassen und die gesamte Organisation gezielt in Richtung Transformation führen.
Das belegt auch die aktuelle Studie "Digital Leader - Leadership im digitalen Zeitalter" von Crisp Research im Auftrag von Dimension Data, die besagt, dass lediglich sieben Prozent der Entscheider in Unternehmen die Kompetenzen eines Digital Leader auf sich vereinen.
Doch was zeichnet diese Führungskräfte aus und welche Fähigkeiten sowie Kompetenzen braucht zum Beispiel der Chief Digital Officer (CDO)?
1. Forschergeist: Die zweite Haut des CDO ist digital. Neue Technologien testet er sofort, will sie durchdringen und ihren Einfluss auf wirtschaftliche Zusammenhänge verstehen. Diese Neugierde und die Begeisterung für Neues liegen ihm im Blut. Er sollte sich diese Fähigkeiten stets bewahren, immer mit dem Blick und Gespür für den nächsten neuen Trend und Entwicklung sowie die nächste Idee. Wichtig dabei ist aber, dass er das Signal vom Rauschen unterscheiden, also Richtungsweisendes von Irrelevantem trennen können muss. Und er muss einordnen können, welche Auswirkungen das Neue auf sein Unternehmen und das relevante Umfeld hat oder haben könnte.
2. Gedankliche Flexibilität: Das ständig Neue, sich technologisch Wandelnde bedingt einen kontinuierlichen Paradigmenwechsel. Daher sind Offenheit und Flexibilität zentrale Kernkompetenzen des CDO. Er muss in der Lage sein, das eigene Denken und Handeln permanent zu hinterfragen, kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen - ohne sich zu verbiegen und Gefahr zu laufen, wie die Fahne im Wind zu sein.
3. Datenverständnis: Alles, was digital sein kann, wird digital. Daraus resultieren eine hochkomplexe Interkonnektivität und eine riesige Datenmasse. Nur wer dieses Zusammenspiel versteht und steuern kann, wird erfolgreich sein. Daher müssen CDOs ein hervorragendes Verständnis von End-to-End-Prozessen besitzen und im Detail verstehen, welche Prozesse, Aktionen, Produkte, Informationen wie ineinandergreifen.
4. Spirit: Der Spirit ist wahrscheinlich der elementarste Aspekt. Ohne ihn bleiben die großen Sprünge aus, denn die innovativsten und besten Leute der Digitalbranche wollen nur mit den Besten arbeiten. Sie zeichnen sich durch Feuer, Enthusiasmus, Leidenschaft und die Fähigkeit aus, andere mitzureißen - und das spürt man sofort. Wesentlich ist auch, - intrinsisch - motiviert zu sein, das heißt, etwas Großes erreichen zu wollen.
5. Überzeugungskraft: Wandel hat immer schmerzhafte Seiten. Doch ist es für eine erfolgreiche digitale Transformation zwingend erforderlich, alte Strukturen zu überdenken und neu zu formieren, Altlasten über Bord zu werfen und neue Prozesse zu installieren. Der Digitalvorstand muss Brücken bauen und überzeugen können und dabei sicherstellen, dass er die Unterstützung der betroffenen Mitarbeiter, Kollegen und Kunden erhält, damit sie seine Vision teilen und mittragen.
6. Mut: Einen Aufbruch zu wagen, der wie der digitale Wandel grundlegende Veränderungen für das gesamte Unternehmen mit sich bringt, und ihn kontinuierlich weiterzutreiben, erfordert Courage. CDOs müssen außerdem die Traute haben, ein Ziel zu verfolgen, von dem sie zwar eine Vorstellung haben, aber letztendlich nicht wissen, wie das Ergebnis wirklich aussehen wird. Sie müssen das Risiko eingehen, Indien entdecken zu wollen und stattdessen in Amerika zu landen - oder von der Erde herunterzufallen.
Zusammengefasst sind dies Qualitäten, die jeden erfolgreichen Unternehmer auszeichnen müssen. Digitalvorstände benötigen sie umso noch dringender, da sie ein neues Unternehmen im alten schaffen müssen.
- Diskussion um den CDO
Braucht ein Unternehmen einen dezidierten Chief Digital Officer (CDO) oder ist Digitalisierung Aufgabe des CIO - dazu gibt es unterschiedliche Positionen. - Andreas Pfisterer, vormals CIO bei Telefonica
Andreas Pfisterer ist (mittlerweile ehemaliger) CIO der Telefónica Germany GmbH & Co. Er nahm die Digitalisierung seines Unternehmens selbst in die Hand. Pfisterer verstand sich dabei als Enabler und aktiver Gestalter. In dieser Rolle beriet er sowohl den CEO als auch jeden, der das operative Geschäft verantwortet. Seine These: Der klassische CIO, der sich in erster Linie um Rechenzentrum, Server, Netze und Anwendungs-Entwicklung kümmert, ist ein Auslaufmodell. - Frank Ridder, Gartner
Frank Ridder ist Analyst beim Marktforscher Gartner. Seine These: Der CIO kann die Digitalisierung nur dann selbst managen, wenn er sein klassisches Tagesgeschäft abgibt. - Alexander Wink, Korn Ferry
Alexander Wink ist Senior Client Partner und Member of the Global Technology & Industrial Practice beim Headhunter Korn Ferry. Viele seiner Kunden, die einen CDO suchen, haben nur ungenaue Vorstellungen vom Anforderungsprofil. Die Rolle eines CDO ist einfach noch nicht ausgereift. - Harald Linné, Atreus
Harald Linne ist Geschäftsführer beim Interim-Management-Anbieter Atreus. Er beobachtet ein steigendes Interesse der Unternehmen an Interim Managern, die Digitalisierungsprojekte stemmen sollen. Im Gegensatz zu Beratern, die Erkenntnisprobleme lösen sollen, werden Interim Manager wegen Umsetzungsproblemen geholt und typischerweise in der Linie eingesetzt. - Wilfried Lyhs, Interim Manager
Wilfried Lyhs von Hilderts & Partner ist Interim Manager. Seine Erfahrung: "Digitalisierung des Unternehmens ist derzeit ziemlich hype. Ich glaube allerdings, dass viele Unternehmen, vornehmlich mittelständische, Entwicklungsbedarf in ihren Prozessen und ihrer IT haben. Diese sind noch als Vorstufe zur 'Digitalisierung' zu betrachten."