Einige traditionelle Branchen wie die Medien- oder die Handelsbranche stehen vor kompletten Umbrüchen. Wer zu spät auf digitale Vertriebs- und Organisationskonzepte gesetzt hat, kämpft aktuell mit der eigenen Überlebensfähigkeit. Selbst traditionelle mittelständische Hersteller beispielsweise von Werkzeugmaschinen oder Walzläger verkaufen ihre Produkte nicht mehr überwiegend über die Qualitätsführerschaft. Kunden werden immer stärker gewonnen und gebunden über produktbegleitende Dienstleistungen wie Überwachung und Steuerung der Anlagen, automatisierte Fernwartung, Multi-Channel-Kundensupport oder Ersatzteilmanagement. Diese werden über Apps und Online-Portale abgewickelt, die an den Unternehmensanwendungen wie ERP und CRM angebunden sind. Diese Beispiele lassen sich beliebig weit fortsetzen. Es gilt aber: je besser diese Integration von alter und neuer IT-Welt gelingt und starre Grenzen zwischen Fachseite und unterstützender IT aufgeweicht werden, umso höher sind die Wettbewerbsvorteile.
Anforderungen an Zusammenarbeit haben sich geändert
So bekannt diese Situation bereits ist, umso größer ist aber die Auswirkung auf die Strategien der IT-Dienstleister und vieler IT-Abteilungen, die lange Zeit - und teilweise noch immer - in der alten IT-Welt zu Hause waren. Der Einzug der IT in die Unternehmensstrategien und Geschäftsprozesse hat die Zusammenarbeit zwischen Business und IT neu geordnet. Während der Wertbeitrag, den die IT in den Unternehmen leistet, kontinuierlich steigt, haben Fachbereiche ein immer größeres Mitspracherecht bei IT-Projekten und bauen massiv IT-Kompetenz auf.
Aus diesem Grund werden IT-Projekte immer häufiger partnerschaftlich durch IT und Business geplant und umgesetzt oder sogar nur durch das Business. Die Nähe der IT zu den Unternehmensprozessen und Geschäftsmodellen führt ferner dazu, dass es immer öfter die Fachbereiche sind, die Schwerpunktthemen für IT-Investitionen festlegen. Der IT kommt für moderne Technologiethemen wie Big Data, Mobile Enterprise oder Business Analytics immer häufiger die Rolle des Umsetzers und weniger eine gestaltende Funktion zu. Anders ist es in Unternehmen, bei denen der CIO seinen Bereich als Business Partner positioniert hat und auch regelmäßig an Board Meetings teilnimmt.
Das gleiche gilt auch für die Aufstellung des IT-Budgets. Die Entscheidung, ob und welche Beratungs- und IT-Dienstleister für Projekte beauftragt werden, wird situationsbedingt vom Business und der IT oder nur von einem der beiden Fachbereiche getroffen. Belegt wird diese Momentaufnahme auch durch die aktuelle Lünendonk-Studie "Der Markt für IT-Beratung und IT-Service in Deutschland", für die neben den 90 führenden IT-Dienstleistern auch 44 CIOs und IT-Einkaufsverantwortliche aus Großunternehmen und Konzernen mit über einer Milliarde Euro Umsatz befragt wurden. Eine wichtige Erkenntnis dabei ist, dass in der Hälfte der untersuchten Großunternehmen und Konzerne in den Fachbereichen die Funktion von IT-Koordinatoren geschaffen wurde, um als Bindeglied zwischen fachlichen Anforderungen und der IT-Umsetzung zu wirken. Die Verantwortung für IT-nahe Projekte verlagert sich also konsequent in die Fachbereiche.
Die wichtigsten Auswirkungen der veränderten Zusammenarbeit zwischen Fachbereich und IT lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die IT-Kompetenz im Vorstand und in den Fachbereichen nimmt stark zu und führt zu einem internen Wettbewerb um die IT-Hoheit sowie zu einer neuen Form der Zusammenarbeit.
Fachbereiche vergeben IT-Projekte öfters autark und an der eigenen IT-Abteilung vorbei an Beratungs- und IT-Dienstleister.
Trotz faktischer Nähe der IT zu den Kernprozessen sind noch zu viele IT-Abteilungen als Kostenstelle aufgestellt und nicht als Wertschöpfungspartner des Business.
Unternehmen versäumen es, ihre IT-Abteilungen umzustrukturieren, sich von IT-Betriebsaufgaben zu trennen und das Budget in Innovationen umzushiften.
IT-Beratungen und IT-Service-Unternehmen sehen ausschließlich den CIO bzw. die IT-Abteilung als Kunden an und verkennen die Bedeutung der Fachbereiche im Sales-Prozess.
IT-Dienstleister versuchen noch viel zu häufig, Kundenherausforderungen von der technologischen Seite her zu lösen und weniger ausgehend von den Geschäftsprozessen und Unternehmensstrategien.
IT-Dienstleister haben teilweise nicht den passenden Qualifikations-Mix unter den Beratern und können ihre Kunden häufig nicht bei fachlichen Problemstellungen auf Ebene der Geschäftsprozesse unterstützen.
Managementberatungen und Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-Unternehmen bauen in hoher Geschwindigkeit IT-Kompetenzen auf. Aktuelle Beispiele sind Pwc/cundus und EY/Corporate Quality Consulting.
Folgen für die IT-Beratungen
Gerade IT-Beratungen werden derzeit von den Managementberatungen und Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsunternehmen angegriffen. Hierbei geht es allerdings nicht um einen Angriff im angestammten Markt für Softwareentwicklung, Implementierung und IT-Betrieb. Vielmehr gelingt es IT-Beratungen nur sehr schwer, sich als Dienstleistungspartner der Fachbereiche oder des Vorstandes bei IT-nahen Beratungs- und Transformationsprojekten zu positionieren. Teilweise gehen Ausschreibungen zu proof of concepts über den künftigen Einsatz von Big Data oder Cloud Technologien komplett an ihnen vorbei und es werden überwiegend Managementberatungen eingeladen, Angebote abzugeben. Den IT-Beratungen bleiben dann "nur" die Implementierungen solcher Konzepte oder die Softwareentwicklung. Die Lorbeeren ernten aber diejenigen, die das Konzept verantworten. IT-Dienstleister müssen auf diese Einflüsse dringend reagieren und Portfolio, Rekrutierung und Positionierung anpassen.
Sind IT-Dienstleister auf die veränderten Auswahlkriterien eingestellt?
Nicht nur die Fachbereiche, auch die CIOs ändern im Zuge der Digitalisierung ihre Auswahlkriterien für die Beauftragung von IT-Dienstleistern. Lünendonk hat in seiner aktuellen IT-Studie die CIOs und IT-Einkaufsentscheider gefragt, welche Kompetenzen eine Bedeutung im Auswahlverfahren haben.
Es ist sicher keine Überraschung, dass die "Umsetzungskompetenz" innerhalb einer Bewertungsmatrix das wichtigste Kriterium für die Dienstleisterauswahl darstellt. Fast 95 Prozent aller befragten IT-Entscheider legen im Auswahlverfahren darauf großen Wert. An zweiter Stelle der wichtigsten Auswahlkriterien stufen die befragten IT-Entscheider "Technologiekompetenz" ein. Die "Branchenkompetenz" spielt ebenfalls eine herausragende Rolle bei der Auswahlentscheidung, da Branchenspezifika mittlerweile einen hohen Einfluss auf die Gestaltung von IT-unterstützten Geschäftsprozessen sowie die Modellierung von IT-Architekturen haben. Dieser Punkt hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung zugelegt. Allerdings positionieren sich noch zu viele IT-Beratungen über ihre Technologiekompetenz, sind damit aber auch (noch) erfolgreich.
Aber ganz so schwarz/weiß ist die Realität auch nicht. Denn es gibt auch gut aufgestellte IT-Dienstleister, die sich auf die Digitalisierung bereits sehr gut eingestellt und einen Transformationsprozess durchlaufen haben. Sie haben frühzeitig erkannt, dass durch die Verzahnung Business/IT, der Mangel an Fachkräften für moderne IT-Technologien und die geforderte Geschwindigkeit der Projektumsetzung IT-Dienstleister stärker in die Wertschöpfungskette ihrer Kunden integriert werden. Sie übernehmen vielfach komplette Entwicklungs- und Implementierungsprojekte an der Schnittkante zwischen Geschäfts- und IT-Prozessen. Aus Sicht der Kunden ist der erfolgreiche Einstieg in IT-nahe Projekte somit auch auf Ebene der Technologie-Innovationen eine Transformation der Geschäftsmodelle und -prozesse zu schaffen. (bw)