Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Viele deutsche Unternehmen verschicken Aufmerksamkeiten an Geschäftspartner im In- und Ausland. Darüber, wie teuer solche Geschenke sein dürfen, herrscht allerdings große Unsicherheit, wie eine aktuelle Studie zeigt. Recommind befragte 1.000 deutsche Arbeitnehmer zum Thema Geschenke am Arbeitsplatz.
Eine Erkenntnis: Weniger als ein Drittel der deutschen Arbeitnehmer hält sich beim Geben und Annehmen von Geschenken an Obergrenzen. 21 Prozent der Befragten achten darauf, einen Wert von 35 Euro nicht zu überschreiten. Bis zu diesem Betrag können Geschenke als Geschäftsausgabe steuerlich geltend gemacht werden. Weitere zehn Prozent der Arbeitnehmer orientieren sich nach eigenen Aussagen an höheren Obergrenzen. Auf diese Geschenke werden Steuern fällig – dass diese auch tatsächlich abgeführt werden, darf jedoch bezweifelt werden.
Mitarbeiter wünschen sich Regeln
Für Unternehmen gehen die Risiken jedoch über Steuernachzahlungen hinaus. Wenn der Eindruck entsteht, etwas ginge nicht mit rechten Dingen zu, kann das den Ruf des Unternehmens nachhaltig beschädigen.
Das müssen keine eindeutig korrupten Praktiken sein. Schon ein außergewöhnlich großzügiges Geschenk kann verdächtig sein. Hier bewegen sich einige Unternehmen in der Gefahrenzone: In der Umfrage gibt jeder Dritte an, in puncto Geschenke nicht auf Euro und Cent zu achten. 13 Prozent drücken mit dem Wert des Präsentes ihre Wertschätzung für den Empfänger aus, 19 Prozent finden gegenseitige Geschenke unter Geschäftspartnern grundsätzlich in Ordnung. Weitere neun Prozent verlassen sich beim Annehmen von Präsenten darauf, dass der Schenkende sich Gedanken über mögliche Wertobergrenzen gemacht hat.
Die Umfrageergebnisse zeigen, dass klare Regeln zu Geschenken am Arbeitsplatz dringend nötig sind. Unternehmen dürfen die Verantwortung nicht auf ihre Mitarbeiter abwälzen, wenn sie keine Compliance-Verstöße riskieren wollen. Mitarbeiter fordern durchaus Anleitung ein: 27 Prozent der Befragten geben an, immer ihre Vorgesetzten zu fragen, wenn sie Geschenke machen oder annehmen. Das bedeutet natürlich Abstimmungsaufwand. Um Sicherheit zu schaffen, helfen zum Beispiel Schulungen für Mitarbeiter.
- Consultant Theo Bergauer
Consultant Theo Bergauer weiß, wie schwierig das Thema Geschenke und Gefälligkeiten in der Businsswelt seit dem Fall Christian Wulff geworden ist. Sein Tipp: "Es sind ja nicht die großen Geschenke oder Gefälligkeiten, die die Freundschaft erhalten. Sondern kleine Dinge. Wenn ich weiß, dass jemand Anhänger eines bestimmten Vereins ist oder ein bestimmtes Hobby pflegt, maile ich ihm einen interessanten Zeitungsartikel dazu." - Wenn es um die Wurst geht
Bergauer weiter: "Viele Unternehmen haben erstmals Abteilungen rund um Compliance eingerichtet. Dabei gehen die Policies manchmal schon ins Lächerliche. Wenn die Mitarbeiter keine Bratwurst-Semmel mehr annehmen dürfen, kann das Trotz wecken." - Äußerungen meist off the records
Wir haben zu diesem Thema eine - nicht repräsentative - Umfrage unter einigen CIOs gestartet. Die meisten mochten sich nicht öffentlich äußern - der Brisanz des Themas wegen. Teilweise haben die CIOs schleche Erfahrungen mit unternehmensinternen Petzen gemacht. Deren "Anlass" bewegte sich in den uns geschilderten Fällen auf dem Niveau der besagten Bratwurst-Semmel. - Matthias Moritz, Almirall-CIO
Matthias Moritz, CIO bei Almirall, sagt: "Ich habe es mir zu eigen gemacht, meinen persönlichen Werten entsprechend, eigentlich weder Geschenke noch Einladungen et cetera anzunehmen." Ausgenommen ist davon lediglich das ein oder andere Geschäftsessen. Moritz Erfahrung: Geschäft funktioniert auch ohne! "Und meist besser...", sagt er. - Die Geste macht die Musik
Der Almirall-CIO bestätigt Bergauers These vom Wert der kleinen Geste. Moritz spielt Bass in einer Pop-Band und sagt: "Über musikalischen Gedankenaustausch freu ich mich natürlich immer gern..." Zum Beispiel über Presseartikel oder gute Tipps. - Klaus Weiß, CIO der dwpbank
Auch Klaus Weiß, CIO der dwpbank, nimmt Geschenke und Einladungen zu Events nur in Ausnahmefällen an. "Nicht nur wegen der strengen Compliance-Regeln, sondern ganz grundsätzlich", sagt er. - Die Kunst der Geschäftsfreundschaft
Auch er hat die Erfahrung gemacht, dass eine Aufmerksamkeit ohne großen materiellen Wert mehr Freude bringt. Einmal hat zum Beispiel das Team eines Geschäftspartners eigenes Bier gebraut. Ein anders Mal nahm Weiß an einer besonderen Führung durch die Kunsthalle Schirn (Foto) teil.
Bewusstsein für Compliance im Ausland wächst
Bei internationalen Geschäften müssen sich Unternehmen und Mitarbeiter auf kulturelle und rechtliche Unterschiede einstellen. Dass das auch die Gepflogenheiten bei Geschenken betrifft, wird jedoch zu wenig beachtet: 43 Prozent der Befragten, die Geschäftsbeziehungen ins Ausland pflegen, beschenken ausländische Geschäftspartner genau so wie deutsche. Elf Prozent sind sogar internationalen Partnern gegenüber eher großzügig und bedenken sie gelegentlich mit besonderen Aufmerksamkeiten. In manchen Kulturen mag das der Norm entsprechen, Compliance-technisch ist es ein Risiko.
Gerade in diesem sensiblen Bereich fehlt Verbindlichkeit, wie die Umfrage zeigt: Nur 19 Prozent der Befragten geben an, je nach Land unterschiedliche Geschenke-Regelungen ihres Arbeitgebers zu kennen. 17 Prozent sind besonders vorsichtig, da sie angesichts unterschiedlicher Gebräuche und Gesetze nichts falsch machen wollen.
Zwar erkennen Unternehmen und Arbeitnehmer, wie wichtig es ist, sich auch bei internationalen Geschäften korrekt zu verhalten. Zahlreiche Skandale der letzten Jahre haben das Bewusstsein hierfür geschärft. Häufig wissen sie aber nicht, was in welchem Land erlaubt ist und was nicht. Um Mitarbeiter anzuleiten und sich gegen Risiken abzusichern, sollten Unternehmen ihr Compliance Management international ausrichten und auf Stolperfallen hinweisen. Dazu gehört auch die Kontrolle der Einhaltung, um deutlich zu machen, dass vorhandene Regeln mehr sind als ein Feigenblatt. (bw)