Indirekte Nutzung

Die Tücken der SAP-Lizenzierung

22.07.2016
Von 
Philipp Stöckler, Manager Business Development SAM Services bei der CCP Software GmbH.
Wer nicht im Blick hat, welche Daten zwischen SAP und –Nicht-SAP-Systemen ausgetauscht werden, kann böse Überraschungen erleben. Gerade die indirekte Nutzung kann hohe Nachlizenzierungen zur Folge haben. Anwender sollen also neben den Lizenzmetriken der SAP vor allem die eigenen Systeme im Griff haben.

Im Orbit kreist jede Menge Raumschrott rund um die Erde. Insbesondere kleine und kleinste Objekte, wie beispielsweise Farbsplitter, welche beim Abtrennen von Treibstofftanks und anderem Satelliten-Beiwerk entstehen können, erreichen Geschwindigkeiten von über 20.000 Stundenkilometern und können aufgrund ihrer geringen Größe nicht oder nur äußerst schwer geortet werden. Sollten diese Mini-Objekte aber in eine Raumstation einschlagen, können sie dort immensen Schaden anrichten. Ganz ähnlich verhält es sich bei der indirekten Software Nutzung im SAP-Umfeld. Auch hier können kleine Dinge, die oft in Vergessenheit geraten, große negative Auswirkungen haben.

Wie kommen ungeplante Nachlizenzierungen für Non-SAP oder SAP-Systeme zustande?

Für Unliebsame Überraschungen können zum Beispiel Non-SAP-Systeme und die indirekte Nutzung von SAP-Anwendungen sorgen: Werden Daten zwischen einem SAP- und einem Non-SAP-System transferiert, und umgekehrt, dann muss auch die indirekte Nutzung lizenziert werden (bei einer Nachlizenzierung kommt dies einer Straflizenz gleich). Das erfolgt zum Beispiel durch die Nachlizenzierung, die sich entweder nach definierten Nutzern im Non-SAP-System oder nach verwendeten CPUs (alte Metrik) beziehungsweise Prozessorkernen (neue Metrik) richtet.

Der Umfang der Nachlizenzierung wird mit dem Kunden des Customer Center of Expertise (CCOE) abgestimmt, da dies eine individuelle Fall-zu-Fall-Entscheidung ist. Gründe hierfür können sein, dass die Mitarbeiter bereits einen SAP Nutzer haben oder die eingesetzte Lösung von SAP zertifiziert ist. Solche Diskussionen entstehen, wenn Kunden sich in Ausschreibungen gegen SAP entscheiden oder es Auffälligkeiten in der SAP-Vermessung gibt. Konkret kann SAP die indirekte Nutzung aber noch nicht vermessen.

Ein Beispiel ist das SAP E-Recruiting: Ungeplante Nachlizenzierungen können beispielsweise unter Umständen dann notwendig werden, wenn ein Unternehmen über SAP E-Recruiting mit den Bewerbern via Online-Portal kommuniziert (etwa bei Rückfragen zum CV etc.). Sollte also die Personalabteilung die Kommunikation mit den Bewerbern per Online Portal führen, dann muss das Unternehmen zusätzlich zur normalen Engine-Lizenzierung (alte Metrik: Offene Stelle / neue Metrik: Alle Bewerber) je Bewerber einen Zusatz-Nutzer erwerben, mit dem per Portal kommuniziert wird. Das heißt, Bewerber, die noch keinen External Community Member Nutzer haben, benötigen demnach einen E-Recruiting Nutzer.

Was ist direkte Nutzung?

Direkte Nutzung liegt vor, wenn ein definierter Nutzer SAP-Software mit SAP-Software verbindet. Ein Beispiel: Ein Kunde verknüpft ein Standardmodul wie die Materialwirtschaft MM mit dem Self-Service Procurement (SRM), sprich: Eine Sekretärin bestellt einen Büroartikel im MM. Diese Daten werden dann in das SRM überspielt, damit der Einkauf eine Bestellung beim Lieferanten auslösen kann. Hierzu benötigt die Sekretärin einen SAP Employee-Nutzer und der Einkäufer mindestens einen Limited Professional-Nutzer oder einen Nutzer mit ähnlichen Rechten. Sind diese Voraussetzungen gegeben, dann wird keine Nachlizenzierung fällig. Solche Szenarien können durch die SAP Vermessung nachvollzogen werden oder zumindest als Indikation gelten. Kunden, die sich regelmäßig selbst vermessen, sind hierfür vorbereitet.

Was ist indirekte Nutzung?

Indirekte Nutzung liegt vor, wenn Daten von SAP zu Non-SAP oder umgekehrt ausgetauscht werden. Ein Beispiel: Die bereits genannte Sekretärin bestellt nochmals Büroartikel aus dem SAP-Standardmodul MM. Die Daten werden diesmal in ein Non-SAP-System übertragen, da die Anforderungen des Anwenderunternehmens nicht durch SAP abgedeckt werden können. Das Non-SAP lässt sich vielleicht flexibler handhaben, bietet eine performante fehlertolerante Suchfunktion mit Vorschlägen durch das System und offeriert einen Self-Service, mit dem Nutzer ihr User-Interface selbst gestalten und dadurch eigene Reports erstellen können, ohne technische Kenntnisse zu haben. Der Einkäufer, der keinen SAP-Nutzer hat, greift nun vom Non-SAP B2B auf das SAP-MM Standardmodul zu, um die Bestellung weiter zu beauftragen.

Das bedeutet jedoch, dass der Einkäufer im Sinne der SAP entweder einen Plattform-Nutzer oder eine SAP-NetWeaver Foundation for Third Party Applications benötigt. SAP-Kunden müssen dies entweder nach Nutzern oder CPUs/Cores basiert erwerben. Ein Mischen zwischen den Metriken ist nicht erlaubt.

Dies ist sogar nötig für Test-Nutzer, die Lasttests simulieren. Und es geht sogar noch weiter, da an dieser Stelle die Peaks, also die Spitzenlasten, als Richtschnur für die Lizenzbemessung herangezogen werden. Das heißt, es gelten Maximal-Zahlen und es ist die Aufgabe des Kunden, beispielsweise die Maximal-Anzahl von CPUs/Cores in einer Art Selbstauskunft zu identifizieren. Solche Szenarien lassen sich nicht durch die SAP Vermessung nachvollziehen, auch nicht als Indikation, und deshalb sind Firmen darauf angewiesen, dies selbst oder mit anderen Bordmitteln zu orchestrieren - manuell oder Tool-unterstützt.

Was bedeutet OpenHub in Bezug auf indirekte Nutzung?

OpenHub ist eine Art Business-Warehouse- (BW) Straflizenz: Eine OpenHub-Lizenz für eine BW-Installation fällt an, wenn die Daten aus dem SAP-BW in ein Non-SAP Datawarehouse (DWH) extrahiert werden. Viele Kunden sind hierzu gezwungen, um beispielsweise zwischen Reporting und Datenhaltung zu trennen. Ein Beispiel: Ein Lackhersteller möchte die Zahl der Autounfälle auf den Straßen wissen, um ein sauberes Forecasting zu betreiben und um die Daten mit anderen Versicherern aktuell auszuwerten. Da das Volumen dieser Daten mit der Zeit explodiert, lagert der Kunde die Daten in ein nicht SAP-DWH aus, welches beispielsweise performantere Zugriffe erlaubt. Dadurch reduziert sich das Volumen des BW beim Kunden und macht dies performanter für aktuellere Reportings. Als Konsequenz muss der Kunde, unter Umständen je BW Installation, eine OpenHub Lizenz erwerben.

Wozu benötigen Kunden einen Plattform User?

Der Unterschied von NetWeaver for Third Party Applications und Plattform User hängt davon ab, ob die Lösung von SAP zertifiziert wurde oder nicht. Demnach gilt NetWeaver for Third Party Applications für nicht von SAP zertifizierte Lösungen. Dazu kommt: Ein Plattform User ist dazu da, um den Zugriff auf SAP zertifizierte Partnerlösungen abzudecken.

Was ist der Unterschied von XI, PI und PO?

Die Begriffe XI, PI und PO tauchen oft im Kontext der indirekten Nutzung auf. Hier geht es aber lediglich um den technischen Datenaustausch: Ein SAP Kunde lizenziert bei der Middleware (XI, PI und PO) nur den technischen Datenaustausch/Datentransfer von SAP zu Non-SAP Systemen und umgekehrt. Die XI, PI und PO bilden in diesem Zusammenhang die technische Voraussetzung, um einen Datenaustausch überhaupt erst möglich zu machen. XI, sprich die Exchange Infrastructure, ist der alte Name von der PI (Process Integration). Die PO (Process Orchestration) beschreibt ein Konstrukt in dem die PI und BPM (Business Process Management) integriert sind. Demnach ist in der PO mehr inkludiert als in der XI beziehungsweise PI - nämlich BPM.

Was ist der Unterschied von OpenHub und NetWeaver for Third Party Applications zu XI, PI, PO?

OpenHub (BW Umfeld) und SAP NetWeaver Foundation for Third Party Applications (Non-BW-Umfeld) sind Straflizenzen (kaufmännische Straflizenzen). Ein Beispiel, in dem SAP NetWeaver Foundation for Third Party Applications greift, ist ein Kunde, der Daten aus einem SAP-ERP in ein Non-SAP CRM spielt - durch Mitarbeiter, die keine SAP Lizenzen haben.

XI beziehungsweise PI und PO betreffen die Middleware. Anwender benötigen diese für den Datenaustausch mehrerer Systeme gleichzeitig auf technischer Ebene. Es handelt sich also um eine Art technische Kommunikations-Lizenzen für die Middleware: ein System kommuniziert mit n Systemen - dies ist lizenzpflichtig. Im Gegensatz zum SAP Business Connector: ein System kommuniziert mit einem System - dies ist nicht lizenzpflichtig.

Fazit: Nicht messbar ist kein Lizenz-Freischein

Die indirekte Nutzung gilt es bei sämtlichen Architektur-Planungsvorhaben in Betracht zu ziehen, um nicht in die Kostenfalle zu tappen. Hierzu gehört das Studium aller Vertrags-Konstrukte und Zertifizierungen für SAP und Non-SAP Produkte in Kombination mit einer Systemübersicht, die die Kommunikationsbeziehungen aufzeigt (was greift wann, wie und wie oft auf welche Daten zu).

Erst nach einer solchen detaillierten Analyse lässt sich das Thema seriös bewerten und kann demzufolge in strategische Entscheidungen mit einfließen. Nicht selten liegt nach dem Studium der erwähnten Komponenten keine indirekte Nutzung vor oder eine Nachlizenzierung ist nicht notwendig. Hierzu gibt es eine interessante Übereinstimmung der SAP mit der DSAG, dass es keine Doppellizenzierungen geben darf.

Besonders neue Produkte, wie Cloud-Lösungen oder HANA, in denen die indirekte Nutzung oft ein Thema ist, können von SAP nicht vermessen werden. Dies erschwert den Planungsprozess und erhöht die Komplexität. Das bedeutet auch, dass Kunden, die auf Cloud setzen hierfür zusätzliche Lizenzen einplanen müssen und bestehende Redundanzen prüfen sollten. Dennoch: Nur weil SAP dies noch nicht vermessen kann, heißt das nicht automatisch, dass Kunden dies nicht lizenzieren müssen - es erschwert nur die Verwaltung der Kunden-Landschaft in Bezug auf die indirekte Nutzung.

Mehr Infos zum Lizenz-Management

Nach Einschätzung von Pierre Audoin Consultants (PAC) Analyst Andreas Stiehler macht sich professionelles Lizenzmanagement bezahlt. Lesen Sie mehr zu diesem Thema in einer Studie von PAC, die durch die CCP Software GmbH in Auftrag gegeben wurde. Das kostenlose Whitepaper "Softwarelizenzmanagement im digitalen Zeitalter" gibt Ihnen weitere Inforamtionen zu den Herausforderungen und Erfolgsfaktoren von Software Lizenzmanagement an die Hand: www.ccpsoft.de/pacwhitepaper2016