KI, Public Cloud, Software Defined XaaS

Die Top IT-Trends 2019

31.12.2018
Von Barbara Florschütz und  IDG ExpertenNetzwerk
Heiko Henkes ist Director Research und Principal Analyst bei ISG Research.
Technologien wie Künstliche Intelligenz, Public Cloud, Software Defined XaaS sowie Immersive Reality und Blockchain stehen jetzt kurz vor dem Sprung vor dem breiten Einsatz in Unternehmen.
  • Machine Learning wird massiv dazu beitragen, dass die Entwicklung und Implementierung von KI-Technologien in ein exponentielles Wachstum übergeht.
  • Wie bei kaum einen anderen B2B-Thema führt die Public Cloud-Nutzung zu einem enormen Beratungsbedarf.
  • Business Technology-Plattformen werden hybride Portale sein, in die es eine Vielzahl unterschiedlicher Anbieter einzubinden gilt. Lieferantenmanagement wird zur Schlüsselqualifikation der IT.
  • Mit Blockchain steht ein ausgereiftes Verfahren bereit, um digitale Transaktionen jedweder Art zu kontrollieren und zu automatisieren.
Die IT-Trend-Vorhersagen 2019.
Die IT-Trend-Vorhersagen 2019.
Foto: isg

Die Nachrichten über Durchbrüche in den Automatisierungstechnologien überschlagen sich. Doch was davon ist aus Unternehmenssicht bereits nutzbar? Viele haben den Eindruck, mit jeder Erfolgsmeldung wachse zunächst einmal nur die Unübersichtlichkeit. Gleichzeitig erhöht das Business den Druck auf die IT, agiler und kundenzentrierter zu werden. Diese fünf Top-Trends zeigen, wie und womit sich der Knoten durchschlagen lässt.

Top-Trend 1: KI wechselt auf die Überholspur

Wie weit sich die Schere zwischen Innovation und Praxis derzeit auftut, zeigt sich in der künstlichen Intelligenz (KI) besonders stark. Gleichwohl gibt es auch hier bereits eine Teildisziplin, die vielen Unternehmen als echter Türöffner dient: Die Rede ist von RPA, der robotergesteuerten Prozessautomatisierung, deren prominentester Use Case darin liegt, dass Software-Bots Routinearbeiten in transaktionsstarken Geschäfts­prozessen übernehmen. Somit lassen sich gerade auch solche Abläufe automatisieren, bei denen die unterstützenden IT-Systeme zu heterogen und im Standard inkompatibel sind, um eine softwaretechnische Integration zu wagen.

Als Workaround setzte man bis in die jüngste Vergangenheit hinein lieber auf Großraumbüros, in denen User die Daten per Hand zwischen den Systemen hin- und herschaufeln. Dass sich repetitive und gut dokumentierte Tätigkeiten wie diese von Software-Bots zuverlässig und schnell automatisieren lassen, haben vor allem Großunternehmen aus der Dienstleistungswirtschaft erkannt. Zunächst in der angelsächsischen Welt, nun verstärkt aber auch in Kontinentaleuropa.

Gleichzeitig bekommt der KI-Jet aber auch aus ganz anderer Richtung Wind unter die Flügel. Aus einer Richtung, die im Vergleich zu RPA eine wesentlich fortgeschrittenere Entwicklungsstufe von KI repräsentiert. Die Rede ist vom Machine Learning, das heißt der Fähigkeit einer künst­lichen Intelligenz, eigenständig in die Systementwicklung einzugreifen und sich durch Erfahrungen zu verbessern. Unter anderem rückt damit das Ziel näher, KI-Systeme zu neuronalen Netzen zusammenzuschal­ten, in denen sich die Anwendungspotenziale schneller und ressourcen­schonender erschließen lassen.

Denn während KI-Systeme in der Ver­gangenheit stark aufgabenspezifisch angelernt wurden und dann auch nur in ihrem angestammten Anwendungsfeld zu (hoffentlich) vernünf­tigen Ergebnissen kamen, wird eine KI-Engine in Zukunft auf ganz unterschiedlichen Gebieten tätig sein. In gleicher Weise wird auch das Risiko sinken, dass sich KI-Systeme in einer algorithmischen Bias ver­lieren, die keinerlei Mehrwert bringt und unter Umständen dann nicht einmal mehr den Ursprungsanforderungen genügt.

Machine Learning wird massiv dazu beitragen, dass die Entwicklung und Implementierung von KI-Technologien ab 2019 in ein exponentielles Wachstum übergeht (vgl.Abb. 1). Dabei gehört der Einsatz von Chatbots in der Kundenkommunikation zu den attraktivsten Anwendungsfeldern. Hier wird Machine Learning dazu führen, dass Chatbots sehr bald nicht mehr nur Fragen beantworten, sondern auch Diskussionen und etwas später dann sogar Verhandlungen führen können. All diesen Use Cases gemein ist der Wandel zur Insights Driven Organization.

Abbildung 1
Abbildung 1
Foto: isg

Top-Trend 2: Public Cloud-Transformation wird Mainstream

Allein in Deutschland ist das Marktvolumen der Public Cloud bereits auf über zehn Milliarden Euro gestiegen. Für das Jahr 2019 erwarten wir ein Wachstum von annähernd 30 Prozent. Gerade Unternehmenskunden werden zu einem wesentlichen Treiber dieses Aufschwungs. In der Public Cloud sehen sie ein probates Mittel, um sich aus den Zwängen ihrer bisherigen Hosting- oder Private Cloud-Lösungen zu befreien.

Doch wie bei kaum einen anderen B2B-Thema führt die Public Cloud-Nutzung zu enormen Beratungsbedarf. Insbesondere gilt es präzise zu klären: Welche Art von Lösungen eignen sich denn tatsächlich bereits jetzt für den Public Cloud-Einsatz? Sind es bis auf Weiteres die hoch­standardisierbaren Angebote, wie File Sharing, Unified Communications oder Office-Anwendungen? Oder sprechen wir bereits über komplexere Lösungen, mit denen Unternehmen letztlich auch ihre Wertschöpfung erzielen? Wenn ja, welcher Provider-Mix ergibt sich daraus? Welche Anbieter haben die jeweils erforderliche Branchenkenntnis? Und nicht zu vergessen: Wo genau liegt denn eigentlich der Business Case, wenn ein Unternehmen auf die Public Cloud umsattelt?

Weshalb es zu dieser Fülle an Fragen kommt, lässt sich am Beispiel von Enterprise Resource Planning-Systemen (ERP) illustrieren. Da ERP-Lösungen das Rückgrat der betriebswirtschaftlichen IT bilden, halten Anwenderunternehmen besonders lange an ihnen fest. Nach wie vor überwiegen daher die Installationen aus den frühen Nullerjahren. Viel­fach ist die Architektur dieser Lösungen nur sehr bedingt für den As-a-Service-Einsatz geeignet. Zumal die Installationen immer wieder auf­gebohrt und angepasst wurden. Welche Prozesse dann überhaupt noch in eine Public Cloud-Infrastruktur übertragbar sind, erfordert eine ein­gehende Prüfung. Sowohl aus technischer, als auch aus kauf­männischer Sicht.

Top 10 IT-Trends 2019

1. KI-gestützte Automatisierung

2. Public Cloud-Transformation

3. Business Technology Plattforms

4. Immersive Reality

5. Blockchain

6. Future Workplace

7. Internet of Things & 5G

8. Cyber Security

9. Open Source

10. Edge / Fog Computing

Die komplexe Gemengelage birgt für die IT das Risiko, weitere Silos zu errichten. Als wirksames Gegenmittel eignen sich hybride Systeme, deren Betrieb es sicher und vor allem mit Definition aller Abhängigkeiten zu managen gilt. Doch Vorsicht: Um hierbei nicht gleich wieder die Geschwindigkeitsvorteile einzubüßen, welche die Public Cloud bietet, brauchen die Unternehmen agile Teams, die als Innovation Engine für das Business arbeiten. Ihre Kernaufgabe besteht darin, die Anforderungen der Fachbereiche zeitnah aufzunehmen, zu bewerten und in geeigneten Delivery- und Sourcing-Modellen abzubilden. Gefragt sind schlagkräftige DevOps-Teams, die so weit wie möglich autark vorgehen können. Dies führt uns unmittelbar zum nächsten Top-Trend.

Top-Trend 3: Software Defined XaaS erlaubt zentrale Steuerung funktionaler Business-Plattformen

Die Rufe nach höherer Agilität zeigen Wirkung. Mehr und mehr IT-Verantwortliche entscheiden sich, As-a-Service-Portale aufzubauen, aus denen ihre Business-Kollegen dann eigenständig die für sie passenden Werkzeuge auswählen können. Das Marktsegment solcher Business-Plattformen ist noch sehr jung und voller Bewegung.

Aus Anwendersicht ist es derzeit vor allem ein Thema für Großunternehmen, die wieder Herr der Lage werden möchten. Wichtigster Treiber sind die IT-Abteilungen. In einer zentral bereit gestellten Business Technology-Plattform sehen sie ein wirksames Mittel, um die Fachbereiche wieder stärker an sich zu binden und von einer Abwanderung in die Schatten-IT abzuhalten.

Damit das Gegenangebot ausreichend attraktiv wird, gilt es jedoch das immer noch vorherrschende Tower-Denken abzulegen. Um an dessen Stelle eine an DevOps-Prinzipien orientierte Führung einzuziehen, sind grundlegende Veränderungen im Rollen- und Verantwortungsverständ­nis der IT-Abteilung gefragt. Entsprechend nimmt das Gewicht der strategischen Beratungs- und Steuerungsrollen zu. Dazu gehören zum Beispiel Informations- und Service-Architekten oder Business & IT Alignment Manager. Nicht zu vergessen aber auch Cloud Service Manager, die den Inhalt der Cloud-Dienste bestimmen, die Service-Level definieren und deren Einhaltung überwachen, sowie das Vertrags- und Lieferantenmanagement steuern.

Schließlich werden die angestreb­ten Business Technology-Plattformen hybride Portale sein, in die es eine Vielzahl unterschiedlicher Anbieter einzubinden gilt. Lieferanten­management wird daher zur Schlüsselqualifikation in der IT.

Top-Trend 4: Immersive Reality erlangt Marktreife

Immersive Reality, das mehrwertstiftende Eindringen von IT in die Realwelt, genießt einen zweifelhaften Ruf. In kaum einem anderen Marktsegment lagen Anspruch und Wirklichkeit bislang so weit auseinander wie hier. Zu früh wagten sich zu viele Anbieter mit Versprechen an den Markt, die an der rauen Wirklichkeit unausgereifter Technologien scheitern mussten.

Doch was befeuert den Trend gerade jetzt? Aus unserer Sicht zeichnet sich zurzeit gleich auf mehreren Technologieebenen ein substanzieller Entwicklungsfortschritt ab. All diesen Ebenen ist gemeinsam, dass sie über die Akzeptanz von Augmented Reality-Lösungen (AR) in der Geschäftswelt maßgeblich mitentscheiden. Zum einen nimmt die Verfügbarkeit Enterprise-konformer, bezahlbarer Hardware-Geräte spürbar zu. Stellvertretend für eine ganze Reihe von Produkten sei an dieser Stelle die runderneuerte Google Glass genannt.

Doch auch für all diejenigen, die sich vorerst noch auf den Einsatz von Smartphones konzentrieren, tut sich eine Menge. Vor allem mit dem neuen iOS 12 sowie Android Pie wird es für Drittanbieter nun deutlich einfacher, marktfähige AR-Funktionen zu entwickeln und breit auszurollen.

Nicht zu vergessen sind die Fortschritte in der WAN-Anbindung der Devices an die Backend-Systeme, die über entsprechende Security-, Network- und Colocation-Provider abläuft. Denn letztlich entscheidet das Maß an Echtzeitsynchronisation mit den im Hintergrund arbeitenden Daten­banken darüber, ob ein Use Case funktioniert oder nicht. Ausreichender Schub an dieser Stelle ist durch Edge Computing und 5G zu erwarten.

Letztlich entscheiden jedoch die Ideen für neue Geschäftsmodelle und die damit einhergehenden Use Cases. Und damit verbunden die Fähig­keit der Kapitalgeber, die Erfolgschancen dieser Ideen zu beurteilen. Was alles andere als leicht ist. Da Immersive Reality gänzlich neue Nutzungsformen von IT erlaubt, muss sich die kaufmännische Beurteilung dieser Ideen zumindest ein Stückweit von klassischen Denkmustern lösen. Zudem einige dieser Ideen in Abhängigkeit zu weiteren Trends stehen. So etwa IoT/5G und Blockchain sowie dem Trend, Daten zu monetarisieren.

Top-Trend 5: Blockchain wird Standard für digitale Transaktionen jedweder Art

Noch konzentriert sich die Wahrnehmung von Blockchain vor allem auf den Use Case Bitcoin. Angesichts der disruptiven Kräfte, die einer erfolgreichen Kryptowährung innewohnen, mag diese Prominenz auch nicht weiter verwundern. Gleichwohl darf darüber nicht aus dem Blick geraten, dass mit Blockchain ein ausgereiftes Verfahren bereitsteht, um digitale Transaktionen jedweder Art zu kontrollieren und zu automati­sieren. Spannend ist dies für alle Anwendungsszenarien, die den Aufbau eines dezentralen Buchhaltungsverfahrens erfordern.

So etwa im Internet of Things (IoT), wo Milliarden IoT-fähiger Geräte das Potenzial haben, miteinander zu kommunizieren. Aus B2B-Sicht lassen sich viele dieser dezentralen Instanzen in die Wertschöpfung einbinden, um im Sinne eines übergeordneten Geschäftszwecks Transaktionen auszuführen. Hierzu müssen sich die Devices jedoch sicher authentifi­zieren und den Verlauf ihrer Transaktionen ausreichend dokumentieren können. Blockchain eignet sich wie keine zweite Technologie für diese Aufgaben.

Ungeachtet dessen ist die Zahl der Anwendungsfälle noch immer gut überschaubar. Das Gros der produktivgeschalteten Blockchain-Cases konzentriert sich auf Private Cloud-Lösungen für einen eher kleineren Nutzerkreis. Was nicht zuletzt daran liegt, dass ein ausreichendes regulatorisches Rahmenwerk vielerorts erst noch aufgebaut und verabschiedet werden muss.

Ungeachtet dessen bieten Public Cloud-Hyperscaler, wie AWS, Google, IBM und Microsoft, bereits jetzt eine starke Unterstützung auf ihren Plattformen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Rollout von Blockchain-Konzepten in einer Reihe weiteren Branchen unmittelbar bevorsteht. Als mögliche Vorreiter sehen wir die Transportlogistik und die Versicherungswirtschaft sowie den klassischen Bankensektor, der es somit durchaus noch selbst in der Hand hat, seine Marktanteile im Zahlungsverkehr gegen die Anbieter von Kryptowährungen zu verteidigen.