Kann man jemals genügend Daten haben? Für quantitative Forscherinnen und Forscher scheint es oft kein Genug zu geben. Die Menge an Daten, die in und für die Wissenschaft gesammelt wird, ist in den letzten Jahren exponentiell gestiegen. So können Erkenntnisse immer öfter basierend auf Tausenden oder Millionen von Datenpunkten gewonnen werden.
Erst Kompetenz, dann Visualisierung
Doch abgesehen von den Analyse-Skills, die es dafür braucht, geht mit diesem Trend noch ein neuer Bedarf einher: Es braucht neue und bessere Visualisierungs-Fähigkeiten, um die Ergebnisse solcher Analysen zu transportieren, sie anschaulich und die Stecknadel im Heuhaufen sichtbar zu machen. Auch in der Wirtschaft wird diese Fähigkeit immer stärker nachgefragt. Daher wird es für Hochschulen zunehmend wichtiger, den Nachwuchs mit genau diesem Wissen auszustatten. Das Motto: Datenkompetenz säen, Visualisierungen ernten.
So wichtig wie Lesen, Schreiben und Rechnen ist Datenkompetenz. Sie ist die Grundfertigkeit für das Erzeugen, Verstehen und schließlich auch das Visualisieren von Daten und somit ein Schlüsselthema für das Leben und Arbeiten in einer vernetzten Welt mit ihrem Datenüberfluss. Zudem ist sie die Voraussetzung für die Darstellung und Interpretation von Daten. Mehr und mehr Universitäten und anwendungsorientierte Hochschulen arbeiten daher daran, ihren Studierenden eine solche Datenkompetenz zu vermitteln und auch ihre eigenen Forscherinnen und Forschern dahingehend zu befähigen.
Der Nutzen einer guten Datenvisualisierung kann kaum überschätzt werden. Sie ist ein Kommunikations-Tool, das gerade in der vernetzen, interdisziplinären Welt der Forschung und Lehre weiter an Bedeutung gewinnen wird. In empirischen und quantitativen Forschungsarbeiten werden Forschungsergebnisse jedoch in aller Regel in Form von Tabellen und Zahlenkolonnen aufbereitet. Die Sprache der Statistik bildet dabei unter Expertinnen und Experten über Fächergrenzen hinweg die gemeinsame Verständigungsbasis. Doch um gesellschaftliche Herausforderungen umfassend zu begegnen, können Visualisierungen Verständnishürden auch bei Laien leichter überwinden und so Forschungsergebnisse einem größeren Publikum leichter zugänglich machen.
Nachholbedarf in der Ausbildung
Soweit die Theorie - in der Praxis findet der richtige Umgang mit Daten oft weder an Schulen noch an Hochschulen einen Platz auf dem Lehrplan. Und auch Datenvisualisierungen werden in zu vielen Fächern noch stiefmütterlich behandelt. So müssen sich viele Hochschulabgänger, ob sie Richtung Wissenschaft oder Industrie streben, die gefragten Skills zum Umgang mit Daten und ihrer Präsentation erst im Job aneignen.
Es gibt jedoch auch positive Beispiele. Beispielweise können an der Fachhochschule Münster und der Münster School of Business Studierende unter anderem in Controlling-Veranstaltungen den verantwortungsvollen Umgang mit Daten, ihrer Aufbereitung, Analyse und Visualisierung lernen. Das beinhaltet den planvollen und zielorientierten Umgang mit Daten und grundlegendes Wissen ebenso wie die Nutzung von Analytics Software zur Datenvisualisierung. So lernen Studierende, was sie für ihre spätere Aufgabe - der Versorgung des Managements mit entscheidungsrelevanten Informationen - brauchen. Kompetenzen in der Datenvisualisierung sind ein notwendiges Fundament, um diese Aufgabe in einer datengesteuerten, digitalen Welt optimal erfüllen zu können.
Dabei bearbeiten Studierende in den Kursen nicht nur klassische BWL-Themen. In semesterbegleitenden Datenprojekten können sie persönlichen Interessen folgen und es entstehen Visualisierungen zu Themen wie Klimawandel, Sport, Corona oder Musik. Finn Dörnenburg und Jan Werner haben beispielsweise die Musik der Band Linkin Park in einem Data Viz analysiert.
So erlernen die Studierenden spielerisch den effektiven und effizienten Umgang mit Daten. Das Ergebnis: sie können als wertvolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die digitale Transformation in den Unternehmen mitgestalten.
Datenvisualisierung: Verstehen erleben
Eine gute Datenvisualisierung macht Sachverhalte nachvollziehbar, verständlich und erlebbar. Im besten Fall versetzt sie die Betrachter selbst dazu in die Lage, kritische Fragen zu stellen oder Urteile zu fällen.
Mussten Wissenschaftler wie John Snow, der Begründer der modernen Epidemologie, im 19. Jahrhundert noch aufwändig händische Analysen und Visualisierungen durchführen, kann heute praktisch jeder Wissenschaftler aber auch Studierende und Laie mit ein wenig Einarbeitung Zeitverläufe oder Karten mappen - sogar interaktiv. Dank Software haben mehr Menschen als je zuvor die Möglichkeit fortgeschrittene Visualisierungen zu entwickeln.
Das Besondere an den neuen Visualisierungen, wie sie etwa auf Tableau Public erkundet werden können: Sie sind interaktiv. Sie erlauben es jedem, mit den Daten zu interagieren, indem Filter und Parameter geändert werden. So wird der größere Kontext, in dem sich ein Ergebnis befindet, durch den Betrachter aktiv gesteuert, visuell erlebbar. Die Daten präsentieren in dieser Darstellung nicht mehr nur die eine Perspektive des Autors zu einem Thema. Vielmehr kann der Nutzer selbst Fragen an die Visualisierung stellen und erhält Antworten, immer unter Berücksichtigung der größeren Zusammenhänge.
Die Daten-Community wächst
Während die institutionelle Ausbildung - von Schule bis Uni - im Bereich Datenvisualisierung noch zulegen kann, wächst die Community der Visualisierungsfans schnell und ist bereits international vernetzt. Datenaffine Menschen suchen den Austausch, finden Anregungen und präsentieren und teilen ihre eigenen Visualisierungen. Diejenigen, die die entsprechende Ausbildung und eine Leidenschaft für das Thema haben, leben die vielbeschworene Datenkompetenz und entwickeln sie ständig weiter. Das zeigt, dass nicht nur der Bedarf an diesen Skills besteht, sondern auch, dass es viele Menschen gibt, denen genau diese Aufgaben und Herausforderungen Spaß machen und die die Grenzen dessen, was Daten und ihre Visualisierung bedeuten, immer weiter verschieben. Der Zugang zu dieser Community steht allen Interessierten offen. (mb)