Ob Industrie 4.0, Internet of Things (IoT), digitale Transformation oder E-Mobilität: An diesen großen Zukunftsthemen kommt kein Unternehmen mehr vorbei. Um diese umzusetzen, sollte sich der Einkauf als zentrale Schnittstelle zwischen internen und externen Partnern in der Wertschöpfungskette selbst digitalisieren. Zugleich hat er die Innovationen und Technologien ins Unternehmen zu bringen, damit es die vierte industrielle Revolution erfolgreich meistern kann. Beide Aufgaben sind untrennbar miteinander verbunden: Erst durch die Automatisierung der operativen Beschaffungsprozesse wird erreicht, dass sich die Einkäufer stärker auf strategische Fragen konzentrieren und der Forderung nach einem erhöhten Wertbeitrag entsprechen können.
Da viele etablierte Lieferketten derzeit wegbrechen, lassen sich mit speziellen Tools schnell alternative Bezugsquellen und Lieferanten identifizieren und weiteren möglichen Lieferrisiken vorbeugen. Nachdem die meisten Fachmessen in diesem Jahr bereits abgesagt worden sind, können zudem Online-Plattformen und virtuelle Meetings zum Informationsaustausch mit den Lieferanten bisher unerreichten Nutzen erreichen. Schon heute wird deutlich: Auch nach Ende der Einschränkungen durch Corona werden die Unternehmen verstärkt auf die Automatisierung setzen, um das Potenzial ihrer operativen und strategischen Einkaufsprozesse zu heben.
SAP Procurement Management - die Möglichkeiten
Im SAP-basierten Einkauf gibt es dazu mehrere Ansätze. Einer davon ist die Migration auf S/4HANA Procurement, das die bekannten und weiterhin bestehenden Funktionen von SAP Material Management (SAP MM) um eine intuitive Benutzeroberfläche und Fiori-Apps ergänzt. Diese neuen Funktionen vereinfachen die Bearbeitung nahezu aller einkaufsrelevanten Dokumente, auch auf mobilen Endgeräten, und beschleunigen die operativen Einkaufsprozesse - von der Bestellung bis zur Abrechnung. Zusätzlich stellt S/4HANA Procurement Kernfunktionen für den strategischen Einkauf zur Verfügung, unter anderem für die Lieferantenbewertung und Kontraktüberwachung.
Die Migration auf S/4HANA Procurement bietet sich für große Unternehmen an, die multiple SAP- und Non-SAP-ERP-Systeme im Einsatz haben. So steht mit der integrierten Central-Procurement-Funktion ein Hub-System zur Verfügung, das den Kunden Shared Services ermöglicht und sie dabei unterstützt, die Beschaffungsprozesse verschiedener angebundener Systeme von einem zentralen Punkt aus zu steuern.
Für kleinere Unternehmen mit einer einzigen SAP ERP-Instanz kann es hingegen genügen, ihr klassisches SAP Material Management (SAP MM) durch spezielle Apps auf Basis der SAP Cloud-Platform und durch den Ariba-Marktplatz zu erweitern.
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Die Ariba-Plattform gilt als weiterer wichtiger Stellhebel zur Digitalisierung des SAP-basierten Einkaufs. Sie besteht aus dem Ariba Network, einem Online-Marktplatz für Geschäftskunden mit aktuell 4,2 Millionen registrierten Unternehmen, und Lösungen für die Abwicklung sämtlicher Einkaufs-, Beschaffungs- und Abrechnungsvorgänge. So stehen Tools für das Lieferanten- und Ausgabenmanagement und die Automatisierung von Prozessen zur Verfügung, zum Beispiel in der Kreditorenbuchhaltung. Darüber hinaus können die Einkäufer Funktionen für das Risk Management von Lieferanten, für Guided Buying und für die Suche nach den richtigen Lieferanten nutzen.
S/4 HANA Procurement vs. SAP SRM
Obwohl mit S/4HANA Procurement die SAP-Einkaufslösung der nächsten Generation verfügbar ist, setzen derzeit noch viele Kunden auf SAP Supplier Relationship Management (SAP SRM) und viel mehr Kunden auf SAP Materialwirtschaft (SAP MM) zur Unterstützung ihrer Beschaffungsprozesse. Da SAP das ursprünglich für Ende 2025 angekündigte SAP ERP-Wartungsende bis Ende 2027/2030 verlängert hat, besteht für diese Unternehmen zwar kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Doch auch wer mit dem Umstieg auf S/4HANA Procurement noch warten möchte, sollte schon heute die Synergien aus den neuen Technologien nutzen - allen voran das Ariba-Netzwerk und die Anwendungen aus der SAP Cloud Platform. Denn diese Technologien ermöglichen es, Prozesse abzudecken, die es in den herkömmlichen SAP-Einkaufslösungen nicht oder nicht ausreichend gibt. Durch die Bereitstellung als Cloud Services lassen sich die neuen Lösungen ohne großen Aufwand in die bestehende SAP-ERP-Umgebung integrieren.
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Da bei einem Umstieg auf S4HANA Procurement oder andere zukünftige SAP-Lösungen wie SAP Ariba, je nach Unternehmensgröße und Lösung, mit einer Projektzeit von neun Monaten bis zu drei Jahren zu rechnen ist, sind die Unternehmen gut beraten, den Umstieg in einer Vorstudie zu beleuchten und in einem Analyseprojekt zu planen, das die geeigneten Migrationsszenarien und größten Einsparpotenziale identifiziert. Darauf aufbauend lassen sich Roadmaps erstellen, die für jedes Unternehmen die optimale Vorgehensweise definieren.
Wie jedes andere Transformationsprojekt sollte auch die S/4HANA-Migration von einem systematischen Change-Management begleitet werden. Ein Fokus sollte auf der Analyse und Optimierung bestehender Einkaufsabläufe liegen, und zwar immer in Richtung SAP-Standard. Da sich ein Kunde beim Umstieg in die Cloud-Varianten mit schnellen Release-Wechseln und Innovationen auseinandersetzen muss, sollte er ausreichend Zeit für die Analyse, Bewertung und Einrichtung der Erweiterungen einplanen.
Hilfreich kann es auch sein, den SAP-Standard um Werkzeuge für eine verbesserte Lieferantensuche zu erweitern. Solche Tools nutzen Künstliche Intelligenz (KI) und Maschinelles Lernen (ML), um große Datenmengen zu vergleichen und daraus in kurzer Zeit ein Lieferantenprofil zu erstellen. Auf ähnlichen Ansätzen basieren spezielle Risikomanagement-Lösungen, mit denen sich Herausforderungen im Liefernetzwerk noch besser identifizieren, bewerten und proaktiv verhindern oder verringern lassen. (bw)