Spätestens am Ende dieser Keynote wussten alle, dass sich in Zukunft bei ZF Friedrichshafen sehr vieles um Elektromobilität drehen wird. Was insofern interessant ist, als das Kürzel ZF einmal für Zahnradfabrik stand und ZF in seinem Ursprung ein Getriebehersteller ist. Aktuelle Elektroautos brauchen aber gar kein Getriebe. Also ist die Frage naheliegend, welche Rolle ZF in der schönen neuen, allseits beschworenen Welt der neuen Mobilität spielen wird.
ZF CIO Jürgen Sturm hat den größten Teil seines Vortrags darauf verwendet, diese Frage zu beantworten. Er ist davon überzeugt, dass sich "die Autoindustrie und Mobility insgesamt in den kommenden Jahren mehr verändern werden als je zuvor."
Es geht um Automated Driving
Und diese Veränderungen betreffen bei weitem nicht nur die Antriebe, sondern auch Fahrwerke, Bremsen, Sicherheitssysteme und vieles mehr. ZF verfügt für alle diese Themen über ein breites technisches Portfolio. Und dieses Portfolio widmet sich - etwas vereinfacht gesagt - langfristig dem Thema Automated Driving.
Konkret geht es dabei um das Internet of Things. Was das in der Praxis bedeutet, zeigte Jürgen Sturm in einem kleinen Film: Auf einer Teststrecke rast ein Sattelschlepper auf ein Stauende zu. Kurz bevor es zum Crash kommt, weicht der LKW automatisiert und sicher aus, kommt neben den PKW zum Stehen. Zum Einsatz kommen dabei intelligente mechatronische Produkte, die unabhängig vom Menschen sehen, erkennen und handeln können.
Und solche Lösungen sind ein wichtiger Baustein aller zukünftigen Mobilität, daran lässt der CIO keinen Zweifel. Um für diese Zukunft gerüstet zu sein, ist ZF längst auch zum Computerhersteller geworden, produziert jene Rechner, die für Manöver wie das oben beschriebene unerlässlich sind, selbst.
Alle Systeme produzieren Daten
Diese Computer müssen allein schon deshalb leistungsfähig sein, weil moderne Fahrzeuge Unmengen von Daten produzieren und verarbeiten, im Extremfall bis zu neun Terrabyte pro Stunde.
"Autos fluten heute unsere Testzentren mit Daten", so beschreibt Jürgen Sturm die Situation. Und die Datenmengen werden weiter zügig ansteigen, weil immer mehr Fahrzeuge nicht nur mit Kameras, sondern auch Radarsystemen und Lasern ausgestattet sind.
Alle diese Systeme produzieren Daten. Die Rechner müssen für ganz unterschiedliche Situationen - Regen, Schnee, etc. - validieren und anschließend die richtige Reaktion auslösen. Die Software steuert also die Hardware des Autos.
Die Plattform ist die einzig sinnvolle Lösung
Die bei solchen Prozessen anfallenden Datenmengen brächten Netzwerke und Plattformen zum Teil an ihre Grenzen, so Jürgen Sturm. "Wir können zum Beispiel nicht einfach alles in die Cloud verlagern, weil wir dann in manchen Szenarien nicht schnell genug reagieren könnten."
Trotz dieser Noch-Einschränkung liegt mittelfristig auch für ZF die Datenzukunft in den Wolken, genauer gesagt in einer Hybrid-Cloud-Lösung namens ZF Hybrid Multi Cloud Architecture. Wichtigste Partner dabei sind AWS und Microsoft. Und wer Innovation, Skalierbarkeit und Speed zugleich will und braucht, für den gibt es nach Ansicht von Jürgen Sturm ohnehin nur eine Lösung: Plattformen.
In diesem Sinne hat ZF "Car eWallet" als Transaktionsplattform für autonome Fahrzeuge geschaffen, über die Laden, Parken, Service und vieles mehr abgewickelt wird. Alles Dinge, um die sich beim herkömmlichen Auto der Mensch kümmert. Gartner hat diese Plattform in die Liste der global Top 10 Automotive-Initiativen aufgenommen.
Herausforderung durch heterogene Daten
Darüber hinaus ist ZF mittlerweile als dritter "Founding Member" - neben BMW und Microsoft - der Open Manufacturing Platform beigetreten. Das bedeutet allerdings nicht, dass es für das Unternehmen von Friedrichshafen am Bodensee in puncto Integration nicht noch einiges zu tun gäbe. Herausfordernd sind vor allen die vielen heterogenen Daten, die die mehr als 200 ZF-Fabriken hervorbringen.
Es geht für ZF, das machte Jürgen Sturm am Ende sehr deutlich, um viel mehr als nur einen technologischen Wandel. Und es geht, wie aus dem Vortrag deutlich wurde, für das Unternehmen längst auch um mehr als nur um Getriebe. Insofern ist auch der Trend zur E-Mobilität keine echte Bedrohung für das Unternehmen. Und vermutlich hilft es ja auch, wenn man sich wie Jürgen Sturm "noch nicht sicher ist, welche Antriebsart sich am Ende wirklich durchsetzen wird."