Spagat zwischen Standardisierung und Kundennähe

Die neue IT-Strategie von ThyssenKrupp

21.02.2014
Von 
Thomas Pelkmann ist freier Journalist in München.
Konzern-CIO Klaus-Hardy Mühleck und Sparten-CIO Olaf Röper skizzierten die großen Umwälzungen in der IT auf den Hamburger-IT Strategietagen.
ThyssenKrupp-Konzern-CIO Klaus-Hardy Mühleck auf den Hamburger IT-Strategietagen.
ThyssenKrupp-Konzern-CIO Klaus-Hardy Mühleck auf den Hamburger IT-Strategietagen.
Foto: Foto Vogt

Fast 168.000 Mitarbeiter weltweit, eine Bilanzsumme von mehr als 38 Milliarden Euro und Niederlassungen in mehr als 150 Ländern: ThyssenKrupp ist einer der weltgrößten Industriekonzerne überhaupt. Abgesehen davon, dass die (industrielle) Welt sich stets im Wandel befindet, verordnete sich der Konzern 2011 einen strategischen Umbau, der bis heute anhält und an dem die IT-Organisation an herausragender Stelle beteiligt ist.

„ThyssenKrupp hatte sich mit seinen Stahlwerken in Übersee verhoben und dadurch Milliardenverluste eingefahren.“ So beschreibt „Der Spiegel“ die Ursache für die notwendigen Umstrukturierungen bei ThyssenKrupp, die aber langsam Wirkungen zeigten. Die IT ist nach den Worten ihres CIOs Klaus-Hardy Mühleck an diesen Umstrukturierungen beteiligt. Zusammen mit seinem Kollegen Olaf Röper, dem Sparten-CIO der Industrial Solutions, berichtete Mühleck auf den IT-Strategietagen in Hamburg von den Umbaumaßnahmen der IT.

Olaf Röper, CIO der Thyssen Krupp Industrial Solutions AG, auf den Hamburger IT-Strategietagen.
Olaf Röper, CIO der Thyssen Krupp Industrial Solutions AG, auf den Hamburger IT-Strategietagen.
Foto: Foto Vogt

Eine sehr komplexe Konzernstruktur

Neben den Verwerfungen im Stahlgeschäft muss die IT mit einer sehr vielfältigen Konzernstruktur umgehen, die sich in zahlreichen Sparten wie Components Technology, Industrial Solutions, Material Services, Steel America und Steel Europe widerspiegelt. Dazu kommen viele Niederlassungen in der ganzen Welt, von denen „jede Unterorganisation ein eigenes SAP- oder CAD-System hat“, wie Olaf Röper sagt. So eine Konzernstruktur zu konsolidieren, sei eine „gewaltige Herausforderung“, meinte denn auch Klaus-Hardy Mühleck.

Dem Gesamtkonzern sei bei der Restrukturierung eine Matrix-Organisation mit Netzwerk-Charakter verordnet worden, beschreibt Mühleck die Umorganisation: Der Konzern übernehme dabei die Rolle, Rahmenbedingungen festzulegen, sowie die Umsetzung dieser Bedingungen zu koordinieren und zu steuern. Die Regionen seien in dieser Matrix für länderspezifische Koordination zuständig, während die Business Areas des Konzerns mit der aktiven Unterstützung geschäftsübergreifender Maßnahmen beschäftigt sind.

Commodity wird an Service Provider ausgelagert

Auch die IT hat sich im Rahmen der Umstrukturierungen eine Matrix-Organisation gegeben – CIO Mühleck spricht in seiner Präsentation „von der dezentralen zur integrierten IT“. Dabei geht es den IT-Lenkern des Konzerns um eine weltweite Vereinheitlichung und Konsolidierung der IT und gleichzeitig um eine bessere Vernetzung der Strukturen mit den Business Areas des Konzerns.

„Alles, was bei uns Commodity ist – Backbone, WAN, Data Center, Mobile Device Management – wird an Service Provider ausgelagert“, skizziert Mühleck den Prozess der Standardisierung und Auslagerung weltweit einheitlicher IT-Infrastrukturen. Die Steuerung der externen Dienstleistungen übernimmt weltweit einheitlich die „Global Shared Services IT“ genannte IT-Organisation von ThyssenKrupp.

Alles andere sei Sache einer dezentralen Arbeit, so Olaf Röper in Hamburg: Die IT in den Niederlassungen sei kein Klon der Zentrale, sondern Teile einer weltweit verteilten Wertschöpfungskette. Das sei angesichts der total unterschiedlichen Bedingungen bei Einkauf, IT-Ausstattungen, Arbeitsbedingungen und Kosten auch gar nicht anders möglich.

Zudem bestimmten die Kunden der einzelnen ThyssenKrupp-Geschäftsbereiche oft sehr stark mit, welche Tools und Werkzeuge beim Erledigen von Kundenaufträgen eingesetzt würden. Auch das mache es unmöglich, sämtliche IT-Vorgänge zentral zu steuern.

Spagat zwischen Standardisierung und Kundennähe

IT im weltweiten Verbund, das ist ein echter Spagat zwischen Standardisierung auf der einen sowie Individualisierung und Kundennähe auf der anderen Seite. Für die IT bei ThyssenKrupp heißt das: „Konzentration auf wettbewerbsdifferenzierende Lösungen“, eine „ausgeprägte Nähe zum Kerngeschäft“ und die Fähigkeit zur „Bereitstellung standardisierter Lösungen“.

Dazu gehören Olaf Röper zufolge Best-in-class-Tools für Projektmanagement, Collaboration und Technologie ebenso wie eine Effizienzsteigerung bei Prozessen, in der Agilität, der Qualität und der Kosten sowie mehr Transparenz und geringere Komplexität in der Zusammenarbeit.

IT-Organisation war nicht mehr zukunftsfähig

„Unsere bisherige Organisation war nicht zukunftsfähig“ resümierte der Sparten-CIO in Hamburg lapidar. Statt einer Vernetzung der weltweit tätigen Sparten habe es voneinander getrennte Strukturen gegeben: „Keine Koordination, keine Zusammenarbeit unter den Gesellschaften.“

Das soll sich nun mit einer Matrix-Organisation ähnlich der des Gesamtkonzerns ändern. Diese Matrix zeichnet sich durch hohe Zentralisierung und Standardisierung aus, die bei der Reduktion der Komplexität der weltweiten IT-Organisationen helfen soll. Die Verlagerung der standardisierten IT-Dienstleistungen an externe Service-Provider und in die Cloud gibt gleichzeitig den Freiraum, den die IT für die Unterstützung individueller Lösungen braucht.

Die Arbeit mit möglichst vielen vorgefertigten Services (Templates) sowie ein differenziertes System unterschiedlicher Supply-Angebote unterstreicht die Bedeutung der zentralen IT-Organisation des Konzerns, die mit Demand-Komitees der unterschiedlichen Konzern-Sparten ergänzt wird.

Individuelle Prozesse machen den Unterschied aus

„Wir haben möglichst viel zentralisiert, wissen aber, dass wir nicht alles zentralisieren können“, fasste Olaf Röper die veränderte IT-Strategie seines Arbeitgebers zusammen. „Einzelne Prozesse sind individuell und machen im Wettbewerb erst den Unterschied aus.“ Zudem, so die Begründung für den letztlich wettbewerbsentscheidenden Spagat der IT, verlangten die Kunden nach individuellen Leistungen, die ihnen helfen, sich von ihren Mitbewerbern zu unterscheiden.