Das Sentiment rund um den US-Luft- und Raumfahrtriesen Boeing befindet sich im tiefroten Bereich - ebenso ergeht es der Aktie des Unternehmens, die im Einjahresvergleich mehr als 12 Prozent im Minus steht.
Dabei war Boeing über viele Jahre das Musterexemplar eines fortschrittlichen Technologieunternehmens. Doch nach dem Merger mit dem Flugzeughersteller McDonnell Douglas im Jahr 1997 änderten sich die Dinge - und der Fokus des Konzerns verschob sich von Engineering auf Financial Engineering.
Wenn die Profitgier übernimmt
In den darauffolgenden Jahren jagte eine fragwürdige Entscheidung die nächste und es wurde an allen Ecken und Enden eingespart. Im Ergebnis haben miserable Qualitätssicherung und Engineering-Mängel dazu geführt, dass die Marke Boeing nun vor allem mit (beinahe) tödlichen Flugzeugunglücken in Verbindung gebracht wird.
Aktuell nimmt die Reputation des Konzerns auch im Bereich der Raumfahrt weiteren Schaden: Zwei US-Astronauten waren Anfang Juni mit Boeings "Starliner" zu einer Weltraumtestmission gestartet und sollten eigentlich nur vorübergehend an der Internationalen Raumstation ISS andocken. Leider fielen auf dem Weg fünf der 28 Triebwerke des Raumschiffs wegen eines Heliumlecks aus. Zwar konnten die NASA-Ingenieure vier davon wieder zum Laufen bringen - sie entdeckten dabei allerdings vier weitere Lecks.
In einem (irdischen) Testzentrum der NASA wird inzwischen ein identisches Triebwerk getestet, um herauszufinden, wo genau das Problem liegt und wie (respektive ob) man es beheben kann. Zwar besteht Mark Nappi, Vice President Commercial Crew Program bei Boeing, vehement darauf, dass die beiden Astronauten "nicht auf der ISS festsitzen". Ich wage dennoch stark zu bezweifeln, dass die Crew mit Boeings Starliner auf die Erde zurückkehren wird. Anders ausgedrückt: Diese Episode könnte Boeing endgültig das Genick brechen.
Warum ist das für Sie relevant?
Zugegeben, im Fall der meisten (Tech-)Unternehmen geht es nicht um Leben und Tod. Dennoch: Die Kunden erwarten auch hier, an erster Stelle zu stehen. Vor den Aktionären. Und leider geben sich viele Unternehmen schon viel zu lange dem Irrglauben hin, dass es andersherum besser wäre. In der Konsequenz haben die kommenden Quartalsergebnisse schließlich auch Vorrang vor der allgemeinen Unternehmensgesundheit - wie bei Boeing.
Gerade beim Blick auf die zunehmend belastenden Sparmaßnahmen, die der Luftfahrtriese über die Jahre beschlossen hat, präsentieren sich spezifische Worst Practices, die Sie keinesfalls wiederholen sollten. Zu diesen "Donts" gehören insbesondere:
die Qualitätssicherung zu vernachlässigen, sowie
unternehmenskritische Aufgaben auszulagern (nur um das anschließend kostenintensiv wieder rückgängig zu machen).
Anderenfalls ist langfristiger Erfolg nicht realisierbar. (fm)
Sie wollen weitere interessante Beiträge zu diversen Themen aus der IT-Welt lesen? Unsere kostenlosen Newsletter liefern Ihnen alles, was IT-Profis wissen sollten - direkt in Ihre Inbox!