CIO des Jahres

CIO des Jahres 2016 - Mittelstand – Top 10

Die glorreichen 7 Sieger aus dem Mittelstand

10.11.2016
Von 
Michael Schweizer ist freier Autor in München.
Auch in der Kategorie Mittelstand wurden nur die CIOs auf dem ersten bis dritten Platz gerankt. Die folgenden Preisträger sind gemeinsam Vierter bis Zehnter – sie gehören damit zu unseren diesjährigen Top 10.

Bis voriges Jahr mussten sich CIOs aus Unternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern in der CIO-des-Jahres-Ka­tegorie Großunternehmen bewerben. Dieses Jahr konnten sie auch bei den Mittelständlern antreten, wenn andere Kenndaten wie die Zahl der IT-Mitarbeiter, das IT-Budget oder der Jahresumsatz insgesamt dafür sprachen. Wer typi­sche Mittelstandsprobleme mit typischen Mittelstandsmit­teln löst, soll sich mit Kollegen vergleichen können, die un­ter ähnlichen Umständen arbeiten.

CIO des Jahres 2016: Auch in der Kategorie Mittelstand wurden nur die CIOs auf dem ersten bis dritten Platz gerankt.
CIO des Jahres 2016: Auch in der Kategorie Mittelstand wurden nur die CIOs auf dem ersten bis dritten Platz gerankt.
Foto: corund - shutterstock.com

Sparen für die Musiker

In einem sechsjährigen Projekt, das Ende 2018 abgeschlos­sen sein soll, verwirklicht CIO Markus Grimm bei der Musikverwertungsorganisation Gema eine neue "IT Archi­tektur Roadmap". Vor allem jüngere Menschen hören Mu­sik online. Das setzt die Gema von zwei Seiten unter Druck: Sie muss gewaltige Mengen von Online-Daten handhaben, und sie nimmt etwa für CDs und Schallplatten weniger Gebühren ein, die sie an ihre musikschaffenden Mitglieder weitergeben kann. Deshalb braucht sie eine möglichst kostengünstige, das heißt standardisierte und industrialisierte IT. Das bedeutet Traditionsbrüche, denn entlang den Musiksparten hatten sich viele Individuallösungen mit redun­danten Prozessen und Schnittstellen herausgebildet. Mit derzeit 105 internen und 90 externen Projektmitarbeitern muss Grimm "den kompletten Umbau der bestehenden IT-Landschaft im laufenden Betrieb stemmen".

Top 10: Markus Grimm, CIO der Gema
Top 10: Markus Grimm, CIO der Gema
Foto: Gema

Im Juli 2014 wurde die Gema-IT als IT for Intellectual Pro­perty Management (IT4IPM) ausgegliedert, mit Grimm als Geschäftsführer. So konnte sie eigenständiger agieren. Trotzdem gab es reichlich Widerstand gegen die Ablösung gewohnter Abläufe und Techniken. Das Change-Manage­ment bewertet Grimm als gelungen.

Jury-Mitglied Frank Riemensperger, Deutschland-Chef von Accenture, fiel unter anderem die vermiedene beziehungsweise kompensierte Abwanderung qualifizierter Mitarbeiter positiv auf.
Jury-Mitglied Frank Riemensperger, Deutschland-Chef von Accenture, fiel unter anderem die vermiedene beziehungsweise kompensierte Abwanderung qualifizierter Mitarbeiter positiv auf.
Foto: Accenture

Synergien nutzen

Ulrich Reidel ist CIO und Prokurist der zwei größten Töchter der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW): Die SüdLeasing (SL) betreibt Leasingfinanzierung für Kunden etwa aus dem verarbeitenden Gewerbe, der Bau-, Entsorgungs- und Recyclingbranche, die SüdFactoring (SF) kauft Forderungen auf, die Unternehmen an andere Unterneh­men haben.

Top 10: Ulrich Reidel, CIO von SüdLeasing und SüdFactoring
Top 10: Ulrich Reidel, CIO von SüdLeasing und SüdFactoring
Foto: SüdLeasing/SüdFactoring

Als Reidel im November 2013 bei den zwei LBBW-Töch­tern einstieg, befand sich deren IT in keinem guten Zu­stand. Der neue CIO reagierte mit drei Projekten, für die er jeweils 30 oder etwas mehr Mitarbeiter einsetzen konnte. Unter dem Begriff "transformIT!" erneuerte er die IT-Auf­bau- und Ablauforganisation der SüdLeasing. Der "SF IT Austausch" in der SüdFactoring ergab leistungsfähigere Anwendungen. Die "Synergien SL/SF" sollten Kosten spa­ren. Die Häuser kaufen nun gemeinsam ein, nutzen Hard- und Software gemeinsam und haben Redundanzen in der Infrastruktur behoben. Die IT-Organisationen sind zu­sammengewachsen, Basisinfrastruktur und Middleware sind modernisiert, eine neue Vertriebsanwendung wurde schnell entwickelt. Die IT erfüllt jetzt zweifelsfrei die auf­sichtsrechtlichen und regulatorischen Vorgaben. Dass sich das Neugeschäft gut entwickelt hat, wird zum Teil ebenfalls auf die verbesserte IT zurückgeführt.

Vom Dienstleister zum Strategen

Die itecPlus ist eine hundertprozentige Tochter des Nürn­berger Energiekonzerns N-Ergie und sein zentraler IT-Be­reich. Im Oktober 2015 stieg Robin Mager als Geschäfts­führer bei itecPlus ein und bekam vom N-Ergie-Vorstand gleich einen Auftrag: Er sollte sondieren, was Digitalisie­rung dem Konzern auf lange Sicht bringen könne, und erste Maßnahmen treffen. Das war neu, denn bis dahin hatte itecPlus als reiner Dienstleister der Fachabteilungen keine strategische Initiative entwickelt.

Top 10: Robin Mager, CIO von itecPlus (N-Ergie)
Top 10: Robin Mager, CIO von itecPlus (N-Ergie)
Foto: itecPlus (N-Ergie)

Mager rief das Projekt "Erneuerung der Funktionalstrategie IT" ins Leben. Mit 15 Projektmitarbeitern analy­sierte er Digitalisierungschancen in Bezug auf Mitarbeiter, Kunden, Dienstleister, Marktpartner und Gesetzgeber. Dann schlug er 61 datierte Maßnahmen vor: zum Beispiel sollten intelligente Messsysteme eingeführt, die Privatkundenseiten im Internet überarbeitet und die Informationssicherheit verbessert werden. Abgeschlossen wurde der Aufbau eines virtuellen Kraftwerks, mit dem N-Ergie dezentral erzeugten Strom aus erneuerbaren Energien an der Strombörse und am Regelenergiemarkt handeln kann. Die Digitalisierung fand ihren Platz in der Gesamtstrate­gie, itecPlus hat sich als strategische Kraft etabliert. Das Projekt kam ohne externe Unterstützung aus, dafür lobt Mager seine Mitarbeiter.

Big Bang

Peter Buchmüller, Leiter IT und Ablauforganisation der Großmolkerei Meggle, trat beim CIO des Jahres mit dem Projekt "MEGGLE goes SAP" an. Mit 60 internen und 40 externen Projektmitarbeitern hat Buchmüller in der ge­samten Unternehmensgruppe ein neues ERP-System ein­geführt. Die sehr autark agierenden Meggle-Gesellschaften hatten sich zuvor mehr als 20 verschiedener ERP-Systeme bedient. Eine gemeinsame ERP-Strategie sollte die IT effi­zienter machen. Buchmüller und sein Team analysierten alle 107 Geschäftsprozesse und erarbeiteten ein Lastenheft. Ende 2012 fiel die Entscheidung für SAP, die Implementie­rung dauerte bis November 2015. Der Vorstand entschied sich für eine Big-Bang-Einführung in Gebesee (ein Ge­schäftsbereich) und dann in Wasserburg (vier Geschäftsbe­reiche). 95 Prozent aller Mitarbeiter in Wasserburg mussten von einem Tag auf den anderen mit den SAP-Systemen zu­rechtkommen, im Durchschnitt besuchte dafür jeder vier Schulungen. Am Umstellungswochenende arbeitete die IT-Mannschaft mehr als 1000 Einzelmaßnahmen ab.

Top 10: Peter Buchmüller, CIO der Molkerei Meggle
Top 10: Peter Buchmüller, CIO der Molkerei Meggle
Foto: Meggle

Keine kleine Sache also. Rainer Janßen, Thomas Henkel und Bernd Kuntze, die als ehemalige CIO-des-Jahres-Ge­winner eine gemeinsame Jurystimme hatten: "Das umge­setzte SAP-Programm ist für die Größe der IT-Mannschaft sehr umfangreich." Den Routiniers gefiel auch die "saubere Umsetzungsstrategie" und das neue Data Warehouse auf HANA-Basis.

Konzernweite Standards

Auch Thorsten Steiling führte SAP ERP ein. Seit dem Jahr 2011 machte der Photovoltaikhersteller Solarworld große Verluste, entging knapp einer Insolvenz und musste sich restrukturieren. In diesen Zusammenhang rückt der Vice President Global IT sein Projekt "SolarWorld SAP­Way": Bisher hatten alle Unternehmensstandorte ihre eige­ne IT betrieben, mit SAP ERP als konzernweitem Standard sollten sich die ebenfalls zu standardisierenden Geschäfts­prozesse besser abbilden lassen. Der Projektname hatte ei­nen Mitarbeiterwettbewerb gewonnen.

Top 10: Thorsten Steiling, CIO von Solarworld
Top 10: Thorsten Steiling, CIO von Solarworld
Foto: Solarworld

SAPWay war das erste Projekt, an dem - insgesamt 225 - Mitarbeiter aus allen drei deutschen und dem amerikani­schen Solarworld-Sitz mitwirkten. Technisch anspruchsvoll waren die Einführung neuer Stammdaten, die Datenmi­gration und der Big-Bang-Start von SAP ERP bei laufen­dem Produktionsbetrieb. Widerspruch kam von IT-Mitarbeitern, die lieber das alte ERP-System Microsoft Navision weiterentwickelt hätten, und aus Fachabteilungen. Dort fürchteten Mitarbeiter, das SAP-System werde kompliziert zu bedienen sein, andere wollten sich nicht mit Kollegen von anderen Standorten auf einheitliche Abläufe festlegen. Letztlich konnte sich Steiling aber über einen neuen "Spirit" freuen. Dass vom Kick-off bis zum Go-live nur 22 Monate verstrichen, hält er für bemerkenswert. Die Jury auch.

Schnell ans Netz

Die Produkte der Erwin Renz Metallwarenfabrik in Kirch­berg an der Murr sind bekannter als das Unternehmen: Mit seinen Brief- und Paketkästen, Aufbewahrungs- und Post­verteileranlagen, Apotheken-, Autohauskästen und Abfall­behältern gehört Renz in Deutschland und Europa zu den Marktführern. Stefan Würtemberger, dem Leiter In­formationstechnologie, fiel mit sieben Projektmitarbeitern die Aufgabe zu, diese analoge Welt an die digitale anzubin­den. Sein Projekt "Renz Steuereinheit Plus" betrifft vor allem Paketanlagen. Mit Hilfe eines Smartphones können Einzel­kunden unabhängig vom Logistiker rund um die Uhr ihre Pakete abholen oder Pakete und Retouren zum Versand einstellen. Zusteller werden ihre Lieferungen im ersten Ver­such los. Renz hat europaweit mit allen im Paketversand tätigen Logistikern Kooperationsverträge abgeschlossen.

Top 10: Stefan Würtemberger, CIO der Erwin Renz Metallwarenfabrik
Top 10: Stefan Würtemberger, CIO der Erwin Renz Metallwarenfabrik
Foto: Renz

Weil der Vorstand einen Messetermin fest ins Auge ge­fasst hatte, hatten Würtemberger und sein Team nur fünfeinhalb Monate Zeit, und weil das Produkt in seinem Marktsegment konkurrenzlos ist, auch keine einschlägige Erfahrung. Außer Vernetzung und Steuerung waren Hard­waredesign und Sicherheitskonzept zu klären, dazu kam die Kommunikation mit Herstellern, Entwicklern und Partnern.

CIO-des-Jahres-Juror Reinhard Jung, Professor an der Universität St. Gallen: „Man schaffte bei relativ geringem Budgetaufwand, unter Zeitdruck und mit einem kleinen Team die Neuentwicklung eines IoT-Produkts.“
CIO-des-Jahres-Juror Reinhard Jung, Professor an der Universität St. Gallen: „Man schaffte bei relativ geringem Budgetaufwand, unter Zeitdruck und mit einem kleinen Team die Neuentwicklung eines IoT-Produkts.“
Foto: Uni St. Gallen

Digitalisierung auf Unterfränkisch

Suffel Fördertechnik aus Aschaffenburg ist der größte Ver­tragshändler des Gabelstapler- und Lagertechnikherstellers Linde. Die Suffel-Servicetechniker warten und reparieren diese Geräte auch. CIO Burkhard Fertig hat dafür mit drei internen und vier externen Mitarbeitern den "Digita­len Service-Prozess" eingeführt. Kernstück ist ein Online-Portal für Kunden, Servicetechniker und die Zentrale. Die Techniker erinnert es an Termine. Ruft ein Kunde bei Suf­fel an, erkennt das Portal ihn an der Telefonnummer und legt unter seinem Namen einen Auftrag an. Aufträge wer­den automatisch abgerechnet, außer es besteht Klärungsbe­darf, davon erfährt der zuständige Dispatcher dann eben­falls automatisch. Serviceberichte verlinkt das Portal mit zugehörigen anderen Dokumenten, Prüfberichte für den Kunden gehen zugleich an einen Sachbearbeiter im Innen­dienst.

Top 10: Burkhard Fertig, CIO von Suffel Fördertechnik
Top 10: Burkhard Fertig, CIO von Suffel Fördertechnik
Foto: Suffel Fördertechnik GmbH & Co. KG

Die Arbeitsabläufe haben sich stark verändert. Da die in der Verwaltung gesparte Zeit nicht zum Personalabbau ge­nutzt wurde, sondern in den Kundenkontakt gesteckt wird, wo sie zusätzliche Aufträge einbringt, hielt sich der Wider­stand jedoch in Grenzen. Fertig arbeitet seit 40 Jahren bei Suffel.

CIO-des-Jahres-Juror August-Wilhelm Scheer, emeritierter Professor der Universität des Saarlandes und Entrepreneur, gewichtet seine Unternehmens- und Branchenkenntnis hoch: „Herr Fertig demonstriert, wie der CIO die Prozesse im Business digital gestalten kann.“
CIO-des-Jahres-Juror August-Wilhelm Scheer, emeritierter Professor der Universität des Saarlandes und Entrepreneur, gewichtet seine Unternehmens- und Branchenkenntnis hoch: „Herr Fertig demonstriert, wie der CIO die Prozesse im Business digital gestalten kann.“
Foto: Scheer GmbH