Es ist wichtig zu verstehen, dass die "Generation Chill" nicht vom Himmel gefallen ist. Wertvorstellungen, Ansprüche und Lebensziele sind Folge ihrer Sozialisation, die wiederum ältere Generationen geprägt haben. Der Spruch von den Lehrjahren, die keine Herrenjahre sind, ist überholt - und arrogant.
Ebenso falsch und nicht minder arrogant wäre es aber, Werte wie Fleiß, Geduld und Durchhaltevermögen über Bord zu werfen. Stattdessen gilt es, diese Werte mit Nachdruck zu vermitteln - denn ohne sie werden wir den Sprung ins digitale Zeitalter verpassen.
Einseitige ethische Ansprüche?
Viele Vertreter der Generation Z engagieren sich (laut)stark für soziale und ethische Belange – inklusive Extremausprägungen wie der "Letzten Generation". Damit geraten viele in Konflikt mit nachvollziehbaren, wirtschaftlichen Axiomen ihres Arbeitgebers, was zu Spannungen führen kann. Fehlt der wichtige Konsens zwischen den individuellen Zielen und Werten einer Person und denen ihres Arbeitgebers, gefährdet das nicht nur den Betriebsfrieden sondern kann auch zu Kündigungen führen - inneren und tatsächlichen.
Apropos: Die immer weiter sinkende Loyalität gegenüber Arbeitgebern steht im krassen Widerspruch zu den vermeintlich hohen ethischen Ansprüchen und gestaltet den Weg zur digitalen Transformation umso diffiziler. Denn die Lösung digitaler Themen verlangt stabile und performante Strukturen, die sich zwar immer weiterentwickeln, aber eine Konstanz in der Personaldecke und den einhergehenden Fähigkeiten und Kollaborationsstrukturen erfordern.
Neben Technologiekompetenz ist eine stabile und vertrauensvolle Unternehmenskultur essenziell, die aber nur durch langfristige Zusammenarbeit entstehen kann. Parallel nimmt die Loyalität der jungen Mitarbeiter jedoch immer weiter ab. Jobwechsel sind Normalität, Kaminkarrieren offensichtlich out. Der demografische Faktor wirkt hier als echter Brandbeschleuniger in Sachen "Job-Hopping" und "-Ghosting". Und: Erfahrung zählt offenbar nicht mehr. Ältere Kollegen und ihr wertvolles Knowhow werden zunehmend weniger genutzt.
Ehrlichkeit auf beiden Seiten
Wollen wir die digitale Transformation meistern, müssen beide Seiten zurückstecken und aufeinander zugehen, um eine neue Kompatibilität zwischen individuellen Ansprüchen oder Lebensbildern und ökonomischen Notwendigkeiten erfolgreicher Organisationen herzustellen. Was es braucht, ist mehr Ehrlichkeit und vor allem Reflexion, Haltung und echte Empathie.
Wenn ein Unternehmen knallhart sparen muss, in globalem Wettbewerb steht und produzieren muss, kann es nicht auf alle individuellen Vorstellungen ethischer Natur eingehen. Gleichzeitig darf es aber auch nicht blind gegenüber neuen Wertvorstellungen nachwachsender Genrationen sein. Das ist ein schwieriger Spagat und eine der wichtigsten Management-Aufgaben für die Zukunft.
Leider wird in diesem Bereich mit reinen Image-Building-Maßnahmen oft mehr kaputt gemacht, als erreicht. Gibt ein Unternehmen nach außen ein völlig anderes Bild ab, als in der betrieblichen Realität, schadet das mittelfristig und nachhaltig. Denn Mitarbeiter, die sich mit solchen Taktiken ködern lassen, sind im Regelfall schnell wieder weg, und die Unternehmensreputation in Zeiten von Kununu und Co. schnell dahin.
Was also tun?
Bleibt festzuhalten: Generation Z und die aktuelle Arbeitswelt sind oft nicht kompatibel. Arbeitgeber stehen vor der Herausforderung, junge Fachkräfte über die Themen anzusprechen, über die sie erreicht werden können: Kultur, Inhalte und Arbeitsbedingungen. Die Verantwortung hierfür liegt eindeutig beim Top- und mittleren Management - nur sie können an dieser Stelle Optimierungen in Gang setzen. Das erfordert jedoch nicht in erster Linie tiefe Taschen, sondern einen spürbaren Wandel in Sachen Führungskräfte-Mindset.
Gleichzeitig ist es wichtig für die Generation Z, anzuerkennen, dass die Arbeitswelt nicht nur aus endlosen, glamourösen Höhepunkten besteht, die sich gut eignen, um sie auf Instagram oder Tiktok zu feiern. Erfolg stellt sich durch Fleiß und Respekt vor Arbeit und Arbeitgeber ein. Das hat auch zur Folge, dass eine Beförderung nicht durch bloße Anwesenheit gerechtfertigt werden kann. Auch das eigene Verhalten gilt es hier auf den Prüfstand zu stellen: Statt gekränkt zu reagieren, wenn die eigenen Ideen nicht sofort angenommen werden, ist es ratsam zuzuhören, zu lernen und die Gründe für bestimmte Entscheidungen zu verstehen.