Wie international das Unternehmen Rocket Internet ist, zeigt sich schon zu Beginn der ersten öffentlichen Hauptversammlung. Aufsichtsratschef Lorenzo Grabau gibt die Leitung des Treffens am Dienstag in Berlin an seinen Stellvertreter Marcus Englert ab, "weil seine Deutschkenntnisse nicht ausreichend sind", wie der Vize entschuldigend bemerkt.
Der Vortrag von Vorstandschef Oliver Samwer macht dann schnell klar, wohin der will: Immer weiter, immer größer, immer neue Internetfirmen möchte er weltweit gründen - nur nicht auf den größten Märkten USA und China, weil da die Konkurrenz schon zu groß sei und die Chancen entsprechend klein.
Wie macht er das? "Wir versuchen nicht, Trends vorherzusehen, sondern steigen bei Trends ein, wenn sie eine gewisse kritische Masse erreicht haben", beschreibt Samwer die Rocket-Methode. Den Samwer-Brüdern wurde im Silicon Valley deshalb oft vorgeworfen, sie produzierten Internet-Klone, indem sie erfolgreiche Ideen kopieren.
Die ersten beiden Felder waren Internet-Versandhandel und Marktplätze, seit zwei Jahren ist Rocket auch auf dem Reisemarkt und im Markt für Finanzdienstleistungen aktiv. Ein Schwerpunkt lag zuletzt auf Essenslieferdiensten. Da gebe es noch viel Potenzial, sagt Samwer. Vorstandsmitglied Alexander Kudlich nennt den Lebensmittel-Lieferdienst HelloFresh als Beispiel für eine gelungene Neugründung.
Bei alledem bleibt es dabei, dass all die rund 140 Firmenkinder von Rocket bislang rote Zahlen schreiben. Einige Aktionäre hegen die Befürchtung, Rocket könnte sich übernehmen und neue Erfolge sich nicht automatisch einstellen. "Wo ist das zweite Zalando?", bringt Hans-Martin Buhlmann von der Vereinigung Institutionelle Privatanleger die Sorgen seiner Klientel auf den Punkt.
Der Online-Modehändler wurde mit Unterstützung der drei Samwer-Brüder groß, die als deutsche Internetpioniere gelten. Im vergangenen Jahr schaffte Zalando den Sprung in die Gewinnzone, im ersten Quartal 2015 verdiente die Gesellschaft 24,3 Millionen Euro.
Bei Rocket Internet macht Malte Diesselhorst von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz einen "ordentlichen Kostenblock von inzwischen 200 Millionen Euro pro Jahr" aus. Welche Vorkehrungen hat der Vorstand für schwächere Marktphasen getroffen? Was passiert in einer Krise, bei einer Zinserhöhung? "Wie sichern sie sich dagegen ab?", fragt der Rechtsanwalt in der Versammlung.
Konkret beantwortet der Vorstand nur die Zinsfrage. Rocket sei "zum größten Teil eigenkapitalfinanziert" und deshalb nicht von Kapitalmarktzinsen abhängig. Das gilt freilich nur, solange die Geldgeber auf dem Kapitalmarkt spendabel bleiben. Von dort aus sollen die nächsten Stufen der Rakete gezündet werden. Bis zu zwei Milliarden Euro frisches Geld kann sich das Rocket-Management bis Mitte 2020 besorgen, wenn es nötig sein sollte. Die Aktionäre billigen das am Dienstag.
"Wir wollen auch Geld aus dem operativen Geschäft verdienen", sagt Finanzvorstand Peter Kimpel. Wie viel Zeit dies erfordern wird, verdeutlicht sein Kollege Kudlich, der im Vorstand für die Produktentwicklung zuständig: Je nach Sektor dauere es fünf bis neun Jahre, bevor ein Startup Gewinn abwerfe. Für die Aktionäre von Rocket heißt das nach Worten Kimpels: "Die Zahlung von Dividenden steht kurz- bis mittelfristig nicht auf der Agenda." Zuletzt war auch schon der Aktienkurs wieder unter den Ausgabepreis von Oktober 2014 gerutscht. (dpa/tc)