Facebook-Revolution - der Begriff ist in der Welt, seit in Tunesien, Ägypten und weiteren arabischen Staaten Menschen gegen ihre Regierungen auf die Straße gehen. Zwar mehren sich Stimmen, die Facebooks Rolle bei diesen Volksaufständen relativieren und lediglich von einer verstärkenden Funktion sprechen. Fraglos aber war das weltgrößte soziale Netzwerk für die Organisation der Proteste von Bedeutung.
Doch der Begriff der Facebook-Revolution hat noch einen anderen, tieferen Sinn. Facebook selbst ist revolutionär. Davon ist jedenfalls der amerikanische IT-Journalist David Kirkpatrick überzeugt. "Es verändert die Art und Weise, wie Menschen miteinander kommunizieren und umgehen, wie durch Werbung Produkte verkauft werden, wie Regierungen ihre Bürger ansprechen, und sogar, wie Unternehmen geführt werden."
In seinem Buch "Der Facebook-Effekt" geht Kirkpatrick dem Phänomen auf den Grund. Gestützt auf zahlreiche Gespräche und Begegnungen mit Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und dessen Wegbegleitern präsentiert Kirkpatrick seine Analyse in Form einer Unternehmensgeschichte: von Facebooks Anfängen als Website-Projekt spätpubertärer Nerds in einem Studentenwohnheim von Harvard bis hin zum allgegenwärtigen Global Player mit einem Marktwert von 50 Milliarden Dollar. Kirkpatrick erzählt detailreich von jeder einzelnen Innovation und Investition, aber auch von Partys, Trinkspielen und zugemüllten Arbeitsräumen. Und zeigt so jene Verwurzelung von Facebook in der US-College-Kultur, die verstehen hilft, wie Facebook "tickt" - und die nicht zuletzt Facebooks chronische Unbekümmertheit in Sachen Datenschutz erklären könnte.
Wie Zuckerberg tickt
Vor allem aber vermittelt Kirkpatrick einen Eindruck davon, wie Mark Zuckerberg tickt. Denn Facebook, das war und ist nach wie vor das geistige Kind dieses heute gerade einmal 26-jährigen Sonderlings, der in vielerlei Hinsicht dem Qualifikationsprofil eines Gurus entspricht, mit seinen jesusschlappenartigen Badelatschen, seiner Introvertiertheit und seinem Weltverbesserungsidealismus. Den nimmt Kirkpatrick ihm ab. Immer wieder betont er, es gehe Zuckerberg bei Facebook nicht um Geld, sondern um eine Idee zum Wohle der Menschheit. Eine Einschätzung, der man nur zu gerne Glauben schenkt, weil Facebook durch die Daten und das Vertrauen seiner Nutzer inzwischen eine Macht besitzt, die man nicht in falschen Händen sehen möchte.
Doch Kirkpatrick spart auch nicht mit Kritik. So beklagt er den User-Trend zur eitlen Ansammlung möglichst vieler "Freunde", der Facebooks ursprünglichem Konzept eines Austauschs unter echten Freunden zuwiderlaufe. Vor allem aber tadelt er Facebooks Neigung, datenschutzrechtliche Bedenken geflissentlich zu ignorieren, die Grenzen der Privatsphäre mit jeder technischen Neuerung weiter zu verschieben und erst nach Protest zurückzurudern. Hierin, so Kirkpatrick, äußere sich ein fast schon zwanghaftes Beharren auf radikaler Offenheit und Transparenz, das in Zuckerbergs fester Überzeugung gründe, dass "die Welt besser sein wird, wenn man mehr von sich zeigt".
Eingefleischte Facebook-Gegner wird Kirkpatrick mit seinem Buch kaum bekehren können. Doch auch wer Facebook für eine Zeitverschwendungsmaschine hält, ihm gar eine Tendenz zur Banalisierung und Konformisierung des Lebens unterstellt, bekommt mit Kirkpatricks Buch eine faktenreiche Denk- und Diskussionsgrundlage. Gelassene oder begeisterte Facebook-Nutzer wiederum werden sich nach der Lektüre zu einem Statusupdate ermuntert fühlen: "Bin gerade Teil einer Weltrevolution."
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Die ausführliche Buchrezension ist nachzulesen beim CW-Kooperationspartner changeX (www.changex.de), einer Online-Plattform, die Zukunftsideen diskutiert.