Hand aufs Herz - wie oft stimmen Sie zu, wenn wieder eine dieser DSGVO Mails im Postfach ist? Oder werfen Sie die Mail gleich weg?
Dann sind Sie in bester Gesellschaft.
Das Email Marketing Unternehmen PostUp schätzt, das nur gut ein Viertel der Empfänger weltweit diese Mails überhaupt öffnet. Ein Gutteil davon nutzt dann auch noch die Gelegenheit für ein Opt-out. Was übrig bleibt, ist ein kläglicher Rest der so lange ausgebauten und gepflegten Datenbasis.
Was heute dank der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) passiert, ist eine der größten Datenvernichtungsaktionen, die wir je gesehen haben. Sie hat weitreichende Konsequenzen für viele Bereiche im Unternehmen.
Datenvernichtung, wo sie besonders weh tut
Auf den ersten Blick ist die DSGVO für Marketers die größte Katastrophe. Das wird an einem – noch sehr optimistischen – Rechenbeispiel besonders deutlich. Nehmen wir an, ein Unternehmen hat einen Bestand von 1000 Adressen, die regelmäßig per Email Marketing kontaktiert wurden. Alle diese Zielkunden erhalten nun eine DSGVO-Mail. Rund 40 Prozent (also 400 Empfänger) reagieren darauf positiv – mit einer Öffnungsrate von vielleicht 25 Prozent bei den zukünftigen Mails (also 100 Empfänger) und mit einer Click Through Rate von 15 Prozent (15 Empfänger).
Lesetipp: Datenschutzgrundverordnung - Wo die Abmahnung droht
Wenn man davon ausgeht, dass mindestens 80 Prozent aller Unternehmen Email Marketing nutzen, fragt man sich, welche Alternativen es geben soll, wenn optimistisch geschätzt die Hälfte aller Empfänger wegfällt. All diese potenziellen Kunden muss ein Unternehmen erst wieder über aufwändige Aktionen und teures Lead Nurturing dazu bekommen, ein Double Opt-in zu machen. Es wird viel Zeit und Mühe kosten, die Datenbasis wieder auf den Stand vor der Verordnung zu heben.
Die Dimensionen dieses Mehraufwands sind derzeit noch kaum abzuschätzen. Und dazu hat auch Sales ein Problem, denn die Vertriebler müssen aus diesem kleineren Pool schöpfen – oder sich verstärkt auf Up- und Cross-Selling fokussieren, was nicht in allen Branchen gleich erfolgversprechend ist.
Compliance zu 100 Prozent?
Derzeit werden vor allem die Bußgelder als Bedrohung gesehen. Aus Angst davor reagieren viele Unternehmen extremer als eigentlich notwendig. Das geht vollkommen an der Realität vorbei.
Zunächst die gute Nachricht: Der BGH war in einem Urteil eindeutig: Kunden, die bereits absolut eindeutig eingewilligt haben, dürfen weiterhin beworben werden. In Erwägungsgrund 171 zur DSGVO heißt es auch, dass die Datennutzung und -verarbeitung fortgesetzt werden kann, vorausgesetzt, die Einwilligung des Kunden entspricht dem Gedanken der Verordnung.
Manche Unternehmen sind unsicher, ob die Einwilligung vorliegt oder auch richtig nachweisbar ist. Um auf der sicheren Seite zu sein, reagieren sie mit einem Re-Opt-In. Das heißt aber zuzugeben, dass die Einwilligung vielleicht nicht vorliegt. Damit setzen sich die Firmen einem rechtlichen Risiko aus – und es heißt auch, dass hier wiederum Daten verloren gehen.
It‘s now or never
Die Frage ist eigentlich eine ganz andere: Wie gelingt es, die bestehenden Datenpools so auszuwerten, dass die Kunden über weitere Aktionen interessiert werden können? Noch wäre vermutlich Zeit dazu. Die EU-Kommissarin für Justiz und Verbraucherschutz, Vera Jourova meinte kurz vor dem Stichtag im Mai, es könnte teilweise noch zwei Jahre dauern, bis alle Firmen die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) übernommen haben müssten. Das lässt auf Spielraum hoffen – Zeit, in der die – noch nicht gelöschten – Daten verwendet werden könnten, um die Interessenten und Kunden zu binden, die sonst bald aus den Datenbanken verschwinden könnten.
Solide Datenanalyse kann die Identifikation der richtigen Lead Nurturing Aktivitäten ermöglichen. Damit kann sich auch der Blick übers klassische Email Marketing hinaus weiten und zum Beispiel auch Inhalte aus Call-Center Interaktion, Webseiten-Traffic/-Behaviour oder Social-Media-Informationen mit einbezogen werden.