CW: Der IT-Markt wird derzeit von einigen wesentlichen Trendthemen beeinflusst, etwa Cloud, Big Data und Social. Welche Neuerung ist die für Anwender Bedeutendste?
Daugherty: Das ist vor allem die Digitalisierung, sie bewirkt enorme Verschiebungen in allen Branchen. Jedes Business wird künftig zu einem digitalen Business. Die digitalen Techniken werden neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen, in jedem Bereich einer jeden Branche. Gerade deshalb haben wir jüngst eine neue Unternehmenssparte "Digital" geschaffen, in der sämtliche Digitalisierungskompetenzen von Accenture gebündelt werden, um Kunden beschleunigtes Wachstum durch digitale Transformation zu ermöglichen.
Die Digitalisierung hat verschiedene Ausprägungen, etwa Social Media, Mobility, Analytics und Cloud. Alle diese Komponenten lassen sich kombinieren, um digitale Lösungen zu finden.
Paul Daugherty ist Chief Technology Officer (CTO) des weltweiten IT-Beratungshauses Accenture. In dieser Position ist er verantwortlich für die technologische Ausrichtung des Unternehmens. Dazu analysiert und bewertet er mit seinem Team Technologien und entwirft Möglichkeiten, relevante Trends in das Accenture-Geschäftsmodell einzuflechten, um das Serviceportfolio zu erweitern und anzupassen. Zudem leitet Daugherty auch die Accenture Technology Labs, die Forschungs- und Entwicklungseinrichtung des Konzerns. Hier werden neue Technologien auch unter dem Gesichtspunkt analysiert, welche Auswirkungen sie auf die Geschäftsmodelle der Kunden haben und wie sie sich aufnehmen und integrieren lassen. |
CW: Wie verändert Digitalisierung eigentlich das Accenture-Geschäft? Vor allem das Cloud Computing, das ja auch eine Ausprägung der Digitalisierung von Prozessen ist, sorgt für einen standardisierten Bezug von IT-Leistungen, was weniger Beratungsbedarf zur Folge haben dürfte.
Daugherty: Für uns tut sich eine Vielzahl von Möglichkeiten auf. Unser Cloud-Geschäftsbereich wächst sehr schnell, dort beschäftigen wir mittlerweile schon weltweit etwa 9000 Mitarbeiter. Auch in Cloud-Umgebungen gibt es große Projekte, etwa um die Anforderungen der Geschäftsbereiche zu formulieren, die Lösungen anzupassen und zu integrieren. Die Software muss getestet, die Daten müssen gesammelt und konvertiert werden, Anwender geschult werden. Wir sind weltweit die Nummer eins, wenn es um die Einführung von Cloud-Lösungen von Salesforce und SAP geht.
Die Aufgaben weichen nicht so stark von traditionellen ERP-Projekten ab. Mit jeder neuen Technologie wird die Nutzung von IT-Ressourcen günstiger, das konnte man schon beobachten, als die Standard-Software aufkam. Durch sie wurden Applikationen etwa 25 Prozent günstiger im Vergleich zur selbst entwickelten Software. Das gleiche Phänomen stellt sich nun mit Software aus der Cloud ein.
Hybride Clouds integrieren unterschiedliche Betriebsmodelle
CW: Ein großes Problem im Cloud-Umfeld ist die Integration verschiedener Dienste, die von dezentralen Fachbereichen angeschafft werden. Wäre hier eine Stärkung der zentralen IT sinnvoll?
Daugherty: Die Cloud hat auf jeden Fall die Komplexität in den Unternehmen erhöht, so dass Anwender vor der Aufgabe stehen, Daten und Prozesse zu integrieren. Das kann ein internes Data Center leisten, aber auch eine weitere Cloud-Lösung.
Für Unternehmen werden hybride Cloud-Installationen ein wesentlicher Bestandteil in ihrer IT-Umgebung. Sie kombinieren multiple interne und externe Cloud-Ressourcen sowie lokale on-Premise-Installationen zu einer nahtlos integrierten IT-Landschaft.
Top-Performer sparen und planen intelligenter
CW: Sie haben einige Kunden in Deutschland besucht. Was beschäftigt deutsche Anwender zurzeit besonders?
Daugherty: Viele fragen sich derzeit, was die digitale Transformation für sie zu bedeuten hat. In Deutschland hat die Industrie einen hohen Stellenwert, daher ist hier die digitale Produktion ein wichtiges Thema, in der Automobil-Industrie ist es wiederum das vernetzte Auto. Cloud Computing steht auf der Agenda von fast jedem Unternehmen. Sie untersuchen, wie sie die Cloud in einzelnen Geschäftsbereichen nutzen können.
CW: Tun sie das, um Kosten zu sparen?
Daugherty: Die IT-Effektivität ist das wesentliche Thema. Die Unternehmen arbeiten daran, die IT so auszurichten, dass sie nicht nur günstig betrieben wird, sondern dass sie auch einen echten Mehrwert für das Business liefern kann. Wir haben zum Thema eine weltweite Erhebung betrieben, um zu verstehen, wie besonders leistungsfähige Unternehmen arbeiten. Ein Ergebnis der Studie ist, dass die leistungsstarken Unternehmen über eine sehr effiziente IT verfügen. Das hat den besonderen Effekt, dass sie mehr Geld dafür ausgeben können, um das Unternehmen unter strategischen Gesichtspunkten voranzubringen. Die High-Performer unter den untersuchten Firmen investieren 57 Prozent ihres IT-Budgets in neue, innovative Techniken, die geschäftlichen Mehrwert liefern. Andere können allenfalls 40 Prozent vom IT-Budget für Innovationen bereitstellen.
CW: Wofür geben sie das Geld aus?
Daugherty: Die leistungsstarken Unternehmen digitalisieren ihr Geschäft sehr viel schneller als durchschnittlich erfolgreiche Anbieter. Interessant ist etwa der Durchdringungsgrad in der digitalen Kundenansprache bei den High-Perfomance-Companies. 30 Prozent der Kundenkontakte werden hier automatisiert abgewickelt. Damit haben sie ihre Abläufe deutlich besser und viel intensiver digitalisiert, als durchschnittlich erfolgreiche Unternehmen.
CW: Gibt es beim besonders effektiven Einsatz von IT bestimmte Muster, die sich erkennen lassen und die wiederholbar sind?
Daugherty: Es gibt viele kritische Einflussfaktoren, aber auch einige Bedingungen, die übergreifend erkennbar sind. Die überdurchschnittlich erfolgreichen Unternehmen haben vor allem in den zurückliegenden Jahren besser Kosten und Belegschaft reduziert. Ihre Entscheidungen waren einfach besser. Sie haben etwa ein schlankeres Applikationsportfolio, einen besseren IT-Betrieb und bessere Mess-Systeme, um ihre Leistung zu analysieren.
NSA-Skandal? Kein Thema!
Eine zweite Sache ist, dass die High-Performer besser in der strategischen Planung sind. Sie nutzen ausgefeilte Planungs-Tools und -methoden. Dadurch hat IT die notwendige Agilität, um auf Änderungen im Geschäft reagieren zu können. Insgesamt greifen sie neue Techniken viel schneller auf und bringen sie zügig zur Einsatzreife.
CW: Gerade im deutschen von SAP dominierten Anwendungsmarkt ist derzeit viel von Hana die Rede. Gibt es Projekte, die über den Pilotstatus hinausgehen?
Daugherty: Das Momentum für SAP Hana ist speziell in Deutschland ganz enorm. SAP ist ein sehr interessanter Anbieter, der sein Geschäftsmodell erheblich verändert und angepasst hat. Das Portfolio wurde neu erfunden und ausgebaut in Richtung Hana, Mobility und mit der Übernahme von Successfactors auch in Richtung Cloud.
Natürlich dominieren derzeit die Pilotprojekte, es gibt darüber hinaus aber auch eine Vielzahl von echten Hana-Vorhaben. Und dabei implementieren wir mit unseren Kunden beide Möglichkeiten: Hana als Basis für Analytics-Projekte sowie als Grundlage für den Betrieb ihrer SAP-Applikationen.
CW: Ist das Thema Social Media unter Ihren Kunden von Interesse?
Daugherty: Es gibt in vielen Unternehmen die Bestrebungen, die Social-Media-Welt für Geschäftszwecke zu nutzen, indem sie etwa Produkte bewerben. Speziell in Deutschland nutzen viele Firmen Social-Media-Analytics, um zu verstehen, was in den Plattformen vor sich geht. Sie wollen wissen, wie ihre Produkte angenommen werden, wie sie ihren Service verbessern können.
Es gibt auch viele Firmen, die Social-Media-Funktionen für die interne Kommunikation einführen, etwa im Rahmen von Social-Business-Projekten.
CW: Sprechen Sie mit Ihren Kunden auch über die NSA-Affäre?
Daugherty: Nein, das war kein Thema.
Smart Objects werden immer intelligenter
CW: Sie sind auch Chef der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei Accenture. Welche Trends gibt es denn jenseits der aktuellen Entwicklungen, die uns in den kommenden Jahren beschäftigen werden?
Daugherty: Wir stecken gerade inmitten einer Welle von bedeutenden Innovationen im Enterprise-Computing. Alles startete mit dem Mainframe, er hat den ersten Automationsschub gebracht. Mit der zweiten Welle hat sich das Clint-Server-Computing etabliert. Der PC und die dezentralen Geräte haben für sehr viele hervorragende Neuerungen gesorgt. Und mit der dritten Welle konnte das Internet die Reichweite von IT erhöhen, es hat einer breiten Masse Zugang zu Technologien eingeräumt.
Die vierte große Welle, die jetzt auf uns zurollt, ist die Digitalisierung. Sie wird die Enterprise-IT und die Geschäftsmodelle von Unternehmen erheblich verändern, weil sie Mobility, Cloud, das Internet und Analytics kombiniert. Wir werden viele Innovationen sehen, die in Unternehmen zur Anwendung kommen.
Innerhalb der Welle erkennt man eine Vielzahl von Innovationen, etwa 3-D-Druck, Smart Objects, das Internet der Dinge oder das vernetzte Auto.
Hinter dieser Welle ist bereits die nächste Entwicklung erkennbar, und sie zeigt, dass die intelligente Interaktion zum wichtigen Thema wird. Ein Beispiel dafür ist Siri, die Spracherkennung im iPhone. Sie stellt nur die Spitze des Eisberges dar, auch was die selbstlernenden Fähigkeiten von Maschinen betrifft. Die Devices können künftig immer besser Vorlieben und Verhalten der Nutzer einschätzen. Das ist auch für Unternehmen relevant, wo Enterprise-Applikationen lernen, wie sie die Mitarbeiter besser unterstützen und Prozesse anpassen können.