Spätestens im vergangenen Jahr hat das Interesse an NFTs so richtig abgehoben. Die Ansichten zu den berühmt-berüchtigten Blockchain-repräsentierten Gegenständen gehen allerdings weit auseinander: NFTs polarisieren. Für die einen entwickeln sie eine große Schubkraft und repräsentieren eine zukunftsweisende disruptive Entwicklung. Für die anderen sind sie eine Spielerei ohne tieferen Sinn - oder bloße Spekulationsobjekte.
Sowohl unter den herkömmlichen Finanzinvestoren als auch unter Kunstsammlern und Krypto-Enthusiasten finden sich viele, die nicht vom Nutzen der NFTs überzeugt sind. Das kann man ihnen auch kaum verdenken: Wenn Sie bei Google nach NFTs suchen, werden Sie humanoide Bilder von Katzen, Pinguinen und Affen mit gelangweilten oder schläfrigen Gesichtern sehen. Mehr nicht.
NFT - ein vorübergehendes Phänomen?
Die Entwicklung wird dann leicht als vergängliches Phänomen der Generation Z abgetan. Leute wollen schnelles Geld verdienen, indem sie ihre Amateur-JPEG-Dateien in NFTs umwandeln. In Wirklichkeit gehen die Akteure davon aus, dass der Hype bald abebben und von einem anderen Trend in den virtuellen Welten abgelöst wird. Bestätigt werden sie von der ungeheuren Preisvolatilität bei NFT-Kunst.
Dabei wird oft übersehen, dass NFTs die Kunstwelt neu definieren und Künstlern genauso wie Sammlern ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Künstler erhalten größeren Einfluss und mehr Rechte, ohne dabei die Eigentumsrechte der Sammler einzuschränken.
Wie lief es denn bislang? Auf dem traditionellen Kunstmarkt wird sich ein Amateurkünstler, der am Anfang seiner Laufbahn steht, an verschiedene Vermittler wie Kunstgalerien und Auktionshäuser wenden, um seine Kunst gewinnbringend zu verkaufen. Ist das gelungen, sieht er sein Kunstwerk wahrscheinlich nie wieder. Er erhält auch keine Provision, wenn der Wert seines Kunstwerks in neue Dimensionen steigt. Das kann sich dank NFTs ändern. Künstler können durch digitalisierte Kunstwerke in Form von NFTs bei jedem Wiederverkauf zusätzliche Tantiemen erhalten.
Non-Fungible Tokens - Potenzial vorhanden
Es ist unstrittig, dass ein Großteil des derzeitigen NFT-Marktes von Spekulationen und einem nachlassenden Hype bestimmt wird. Aber für einen jungen Markt ist das nicht ungewöhnlich und kann sich erfahrungsgemäß rasch wieder ändern. Das Potenzial ist auf jeden Fall gegeben: So fügen die führenden NFT-Kollektionen ihren digitalen Kunstwerken ständig zusätzlichen Nutzen hinzu. Der Bored Ape Yacht Club beispielsweise, die derzeit wertvollste NFT-Sammlung, bietet den Besitzern der NFTs Zugang zu exklusiven Clubs, in denen sich Gleichgesinnte zusammentun, an Discord-Community-Partys teilnehmen und einen regen Austausch über Kunst entfachen.
Die gleiche NFT-Sammlung wird zudem bald ihr eigenes Videospiel haben. Mit Electronic Arts und Ubisoft setzen zwei der bekanntesten Videospiel-Publisher ebenfalls auf NFTs. Es können durch NFT-Urkunden exklusive Ausrüstungsgegenstände oder Land gekauft werden. Ebenso sind die Panini-Alben der Zukunft digital sammelbar und extrem limitiert. Somit sind die NFT-Spiele zukünftig nicht nur zum Anschauen, die Gadgets haben für die Spieler auch praktischen und funktionalen Wert.
Neue NFT-Use-Cases in Sicht
Nicht nur Künstler und die Gaming-Branche, auch Forscher und andere Enthusiasten arbeiten an weiteren Anwendungsfällen für NFT, beispielsweise an NFT-Echtheitszertifikaten. So gibt es bereits Fälle, in denen Einzelpersonen NFT-Urkunden erstellen, um ihr Eigentum an einem bestimmten Grundstück, einer Ware oder sogar einer Patent-Technologie eindeutig zu zertifizieren. Durch die Verwendung von NFTs zur Speicherung von Datenwerten ist das Risiko von Manipulationen und Verfälschungen von Fakten nahezu ausgeschlossen.
Das bedeutet nicht, dass die Branche derzeit frei von Betrug und unlauteren Machenschaften wäre. Vorsicht und Umsicht sind beim Entstehen eines neuen Produkts oder Marktes grundsätzlich unerlässlich - NFTs bilden da keine Ausnahme. Da der Markt noch nicht reguliert ist, versuchen viele, vom NFT-Hype zu profitieren, insbesondere Betrüger und Scammer. Phishing-Betrug oder Cyber-Attacken sind in diesem Bereich mittlerweile verbreitet, ebenso Wash-Trading und Asset-Fälschungen.
Dem gegenüber steht der große Nutzen, den NFTs nicht nur in der Kunstwelt, sondern auch in manchen Industrien entfalten:
Werden etwa Reisepässe auf NFT-Pässe umgestellt, führt das zu mehr Sicherheit an Flughäfen. Auch Bord- oder Eintrittskarten könnten in der Blockchain hinterlegt werden. Das reduziert Identitätsdiebstahl und sorgt für mehr Transparenz. San Marino ist beispielsweise in Sachen "digitaler Impfpass" vorgeprescht: Seit Juli 2021 wird hier mit Hilfe von QR-Codes auf der öffentlichen Blockchain "VeChain Thor" der Impfstatus aufgezeichnet.
Auch im Gebrauchtwagenhandel könnte es weniger Betrug geben. Vom Verkauf eines Neuwagen an kann auf der Blockchain die Eigentümerhistorie verzeichnet werden. Durch die entstehende dezentrale Internet-Datenkette ist Betrug kaum noch möglich. Auch öffentliche Ämter wie Steuerbehörden, Versicherungen und Werkstätten können mit eingebunden werden. Und auch der Autohersteller könnte durch Smart Contracts an Weiterverkäufen mitverdienen.
Noch größer sind die zukünftigen Vorteile in der Logistik. Für Lieferanten, Transporteure und Empfänger von Waren sind genauso wie für die Behörden austarierte Informationsflüsse wichtig. Welche Probleme entstehen können, wenn Lieferketten unterbrochen werden und die Transparenz verlorengeht, können wir in diesen Tagen erleben. Das buchhalterische Grundprinzip der Blockchain kann hier weiterhelfen. Mithilfe der Blockchain-Technologie lassen sich Daten über den Versand, die Genehmigungsprozesse oder den Containerstatus überprüfen und nachverfolgen. Das hilft gegen kriminelle Aktivitäten, sorgt aber vor allem für mehr Transparenz in den Logistikprozessen. Die Effizienz steigt, die Kosten sinken und - besonders wichtig - der Faktor Nachhaltigkeit wird gestärkt. Exporteure und Hersteller können durch die Hinterlegung in der Blockchain zweifelsfrei klären und einsehen, wo der Ursprung von Rohstoffen liegt. Auch Produktfälschung werden so schneller entdeckt.
Kunst-NFTs häufig von Wash-Trading betroffen
Wash-Trading ist eine Aktivität, bei der Händler künstliche Nachfrage nach Wertpapieren erzeugen, indem sie ein und dasselbe Finanzinstrument mehrfach kaufen und verkaufen. Dabei kann das Motiv sein, das Handelsvolumen künstlich zu erhöhen, um zu demonstrieren, wie begehrt ein Produkt angeblich ist, oder es geht darum, künstliche Provisionszahlungen an Broker zu generieren. Auch bei NFTs ist die Transaktionsaktivität künstlich aufgebläht. In den meisten Fällen von NFT-Wash-Trading handeln Verkäufer wiederholt von einer Wallet zur anderen, um die Preise für den Vermögenswert in die Höhe zu treiben.
Fälschungen sind ein weiteres Problem, mit dem NFT-Künstler konfrontiert sind. Es gibt eine starke Zunahme von Fällen, in denen Betrüger gefälschte Angebote auf Marktplätzen veröffentlichen und gestohlene NFT-Kunstwerke als ihre eigenen ausgeben. Einige Unternehmen haben dieses Problem erkannt und decken mit Hilfe von KI-Lösungen solche Betrügereien auf. Es ist jedoch wichtig, dass jeder, der sich in einem unregulierten Markt wie dem der NFTs bewegt, gründliche Nachforschungen anstellt, bevor er Teil dieser dezentralen Zukunft wird.
Die Krypto-Szene steckt gegenwärtig in einem Tief, der NFT-Markt nimmt sich eine Verschnaufpause. Doch die Krise geht nicht auf ein Problem der Token-Welt zurück, sondern auf die generellen weltwirtschaftlichen Faktoren. Tatsächlich wachsen Kennzahlen wie die Entwickleraktivität und die Zahl der neuen Nutzer im Ökosystem stetig. Der Markt bleibt also auch in wirtschaftlich unsicheren Zeiten dynamisch. Wie der Blick auf den praktischen Nutzen von NFTs verrät, ist in Zukunft noch viel erwarten - NFTs werden gelebte Praxis sein. (hv)