Nach dem Wahldebakel der SPD in zwei Bundesländern bot sich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf der CeBIT die Chance für den großen Auftritt. In seinem Heimatland Niedersachsen stand die Eröffnungsrede des Vize-Kanzlers und SPD-Chefs zum Auftakt der Technologiemesse an. Seine ursprünglich geplanten Ankündigungen waren schon zuvor publik geworden. Dabei ging es um nichts Geringeres als einen Masterplan, der bis 2025 die digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft in eine "Digitalrepublik" absichern soll.
Doch am Abend wich Gabriel davon ab, beschwor stattdessen einen europäischen Schulterschluss beim Aufbau einer leistungsstarken Infrastruktur. Denn die digitale Revolution mit der Vernetzung der Technik ("Industrie 4.0") ist schon im Gange. "Der digitale Wandel ist längst da", erklärte der Schweizer Bundespräsident Johann Schneider-Ammann vom CeBIT-Partnerland. "Und wenn wir ehrlich sind, sind wir da bei der Digitalisierung erst am Anfang", gab Gabriel am Abend bei seiner CeBIT-Rede zu.
Die Digitalisierung brauche Menschen aus aller Welt. "Sie ist weltoffen und liberal, wie wir uns unser Land vorstellen", betonte der SPD-Politiker, der wiederholt die Rede des EU-Digitalkommissars Günther Oettinger lobte. Der hatte sich für ein digitales Europa als großes, einigendes Gemeinschaftswerk ausgesprochen.
Böses Erwachen
Die deutsche Wirtschaft fürs digitale Zeitalter fit zu machen, wird daher allerhöchste Zeit. Immerhin werden die Umbrüche in allen Bereichen auch die gesellschaftliche Diskussion befeuern - vom Schutz der in immer größeren Strömen fließenden Daten bis hin zur Arbeitsplatzdebatte. Denn ähnlich wie zu Zeiten der Pferdekutscher, die beim Aufkommen der ersten Motor-Droschken den Trend der Zeit nicht erkannten, droht ohne Umschulung vielen Menschen ein böses Erwachen in der schönen neuen Welt der Algorithmen.
- Der coolste Messebesucher
Das Gastland Schweiz brachte des Menschen treusten Freund mit. - Bundesministerin Wanka vergibt den CeBIT Innovation Award
Preisträger des CeBIT Innovation Award sind Felix Kosmalla und Frederik Wiehr, die Entwickler von "climbtrack". Damit können Klettersportler ihren Trainingsfortschritt dokumentieren. - Sigmar Gabriel ohne Manuskript
Die Digitalisierung ist für ihn inzwischen offenbar eine Herzensangelegenheit: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. - Der Schweizer Bundespräsident Johann Schneider-Ammann
Der Schweizer Bundespräsident Johann Schneider-Ammann zeigte sich stolz auf seine eidgenössischen Tüftler. - Bitkom-Präsident mit flammendem Appell
Der Chef des größten deutschen ITK-Verbands Bitkom, Thorsten Dirks, forderte auf der CeBIT Welcome Night den digitalen Aufbruch in Deutschland. - Swatch-Gründer Nick Hayek
Swatch-Gründer Nick Hayek zeigte die innovative Seite der Schweizer Uhrenindustrie. - Der Schweizer Bundespräsident denkt digital
Johann Schneider-Ammann erklärte den Gästen der Welcome Night, wie digital die Eidgenossen längst aufgestellt sind. - Ausgezeichnet mit dem CeBIT Innovation Award
Die App Climbtrack gewann den CeBIT Innovation Award. Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (rechts) zeichnet die beiden Gründer auf der CeBIT Welcome Night aus. - Telekom-Chef Tim Höttges und Huwai CEO Eric Xu
Telekom-Chef Tim Höttges und Huwai CEO Eric Xu mit dem Big Bang für "Open Telekom Cloud". - Der heimliche Messestar...
Pepper erobert die Herzen der CeBIT-Besucher im Sturm (Halle 8, Stand A01). - Dronemasters in Halle 16
Wenn Messebesucher noch nicht genug um die Ohren haben: Ab in die Halle 16, wo frei fliegende Drohnen bei der Arbeit sind. - Ein UFO in Halle 4
Einen ungewöhnlich futuristischen Messeauftritt zeigt die Darmstädter Software AG. - Dino Tristan residiert im "Loft"
Per Augmented Reality wird längst Ausgestorbenes zum Leben erweckt - in Halle 8. - Unter die Haut
Ein CeBIT-Trend: NFC-Chips werden unter die Haut transplantiert - etwa zur schnellen Identifikation von Personen - Global Conferences
Gut besuchte Global Conferences in Halle 8
In einer zunehmend vernetzten Welt, in der Roboter Kühe melken und die ersten autonomen Autos durch die Straßen fahren hat eine öffentliche Debatte um Industriestandards erst spät eingesetzt. Auch die Gewerkschaften haben erkannt, dass sie die Diskussion nicht nur begleiten, sondern auch aktiv mitgestalten müssen. Schon heute ist klar: Bestimmte Berufe werden zum Auslaufmodell. Der Staat werde sich mit neuen Berufsbildern beschäftigen müssen, meinte Schneider-Ammann.
"Pepper" als Empfangsdame
"Immer wiederkehrende Aufgaben können Roboter heute schon einfach besser erledigen als Menschen", sagte etwa Nicholas Boudot vom französisch-japanischen Roboter-Entwickler Aldebaran. Messe-Hostessen auf der CeBIT gefror das Lächeln auf den Lippen bei seinen Erläuterungen, dass Maschinen wie der von seiner Firma hergestellte Empfangsroboter "Pepper" geeignetere Empfangsdamen sein könnten. Der auf Emotionen reagierende Roboter mit den großen Kulleraugen begrüßt schon in japanischen Geschäften Kunden und gibt ihnen Orientierung - notfalls hundert Mal pro Tag mit dem gleichen Lächeln. Künftig soll er auf Kreuzfahrtschiffen auch als Fremdenführer eingesetzt werden.
Durch die Digitalisierung werden nach Überzeugung des Bitkom-Geschäftsführers Bernhard Rohleder ganze Branchen verschwinden und andere neu entstehen. "Wird es in zehn Jahren noch Zahntechniker geben?", fragte er bei einer Veranstaltung im Vorfeld der CeBIT. Mit Hinweis auf die Möglichkeiten moderner Produktionsverfahren wie der 3D-Druck gab er selbst die Antwort: "Ich sage: Nein". Der Industrieverband BDI warnte vor einem wirtschaftlichen Rückstand Deutschlands aufgrund des "dramatisch stockenden" Ausbaus digitaler Netze.
Die Frage, wie Deutschland bei der zunehmenden Vernetzung von Mensch und Maschine aufgestellt ist, dürfte direkte Konsequenzen für den künftigen Lebensstandard der Gesellschaft in der von Gabriel gewünschten "Digitalrepublik" haben. (dpa/hv)