Die neuen Sicherheitsgesetze in China sorgen für "große Verunsicherung" unter deutschen Unternehmen. Auch belastet die seit Jahren größte Verfolgungswelle gegen Bürgerrechtsanwälte das bilaterale Verhältnis. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) trug am Dienstag zum Auftakt seines zweitägigen Besuches in Peking die Sorgen über die vage formulierten Sicherheitsgesetze und geplanten neuen Kontrollen im Internet vor. Am zweiten Tag seines Besuches wollte der Vizekanzler auch Menschenrechtsfragen ansprechen.
Trotz der Sorgen über Datensicherheit in China vereinbarten beide Seiten eine Kooperation bei der "Industrie 4.0" genannten Vernetzung von Produktionsketten. Damit solle die "Innovationspartnerschaft" beider Länder mit Leben erfüllt werden, sagte Gabriel bei dem Treffen mit dem Minister für Industrie- und Informationstechnologie, Miao Wei. Die Vereinbarung betont den Schutz des geistigen Eigentums und die "Gewährleistung der Sicherheit der Daten der Unternehmen". Auch sollen Unternehmen nicht zum Technologietransfer gezwungen werden.
Als besondere Geste empfängt der neue Staats- und Parteichef Xi Jinping am Mittwoch den Vizekanzler als SPD-Parteichef. Der mächtige neue Präsident gilt als treibende Kraft hinter der Verschärfung der Kontrolle über Gesellschaft, Internet und Wirtschaft. Wie die Anwaltsgruppe für Menschenrechtsfälle in Hongkong berichtete, hat die jüngste Verfolgungswelle noch größere Dimensionen als bisher angenommen. Seit Freitag seien 146 Bürgerrechtsanwälte, Mitarbeiter von Kanzleien und Aktivisten festgenommen, von der Polizei festgesetzt und verhört worden oder verschwunden.
Inzwischen seien 124 von ihnen aber wieder auf freiem Fuß. Doch seien zehn der Betroffenen formell festgenommen worden. Sie müssten mit einer Anklage rechnen. Zwölf weitere würden noch vermisst. Die Aktion richtete sich allein gegen rund 100 Anwälte in mehr als 15 Städten. Das Vorgehen ist nach Einschätzung von Menschenrechtlern der größte koordinierte Schlag gegen Bürgerrechtsanwälte seit dem Amtsantritt des neuen Parteichefs. "Wir werden diese Fragen mit unseren Gesprächspartnern natürlich auch ansprechen", sagte Gabriel.
In seinen Gesprächen am Dienstag brachte der Wirtschaftsminister die "große Verunsicherung" der deutschen Unternehmen über die neuen Sicherheitsgesetze vor, wie Delegationskreise berichteten. "Er ist besorgt, zu recht besorgt." Ihm sei aber nur allgemein geantwortet worden, dass die Sorgen nicht gerechtfertigt seien.
Der Gesetzentwurf sieht allerdings eine weit schärfere Kontrolle des Datenverkehrs und sogar eine Abschaltung des Internets in "Notfällen" vor. Auch fürchten Unternehmen, vom Markt ausgeschlossen zu werden, wenn sie keine Schlupflöcher für chinesische Überwacher in Software einbauen oder Programmcodes offenlegen. "Ausländische Unternehmen, die nicht die Hosen runterlassen, kommen nicht auf den Markt", kommentierte ein Delegationsmitglied.
China ist der wichtigste Handelspartner Deutschlands außerhalb der Europäischen Union. Die deutschen Exporte nach China stiegen im vergangenen Jahr um 11,3 Prozent, während die Importe um 6,4 Prozent zulegten. Das Geschäftsvolumen entspricht knapp einem Drittel des gesamten Handels aller EU-Mitgliedsstaaten mit China. (dpa/tc)