Kryptobörse zahlungsunfähig

Der tiefe Fall von FTX

14.11.2022
Von Redaktion Computerwoche
Die Kryptobörse FTX, bislang einer der größten Player am Markt, ist insolvent. Kunden-Assets in Milliardenhöhe stehen auf dem Spiel, der ehemalige CEO wohl bald vor Gericht - und die Kryptobranche vor einem weiteren Abgrund.
FTX galt als sichere Bank innerhalb der Kryptobranche. Nun ist das Unternehmen bankrott und droht, seine Kunden und die gesamte Branche mit in den Abgrund zu reißen.
FTX galt als sichere Bank innerhalb der Kryptobranche. Nun ist das Unternehmen bankrott und droht, seine Kunden und die gesamte Branche mit in den Abgrund zu reißen.
Foto: Johnny Michael - shutterstock.com

Alles begann mit Gerüchten über Liquiditätsprobleme bei der weltweit zweitgrößten Kryptobörse FTX - ausgelöst durch einen Bericht des Kryptoportals CoinDesk. Diesem zufolge seien die Bande zwischen FTX und seinem Schwester-Hedgefund Alameda Research "ungewöhnlich eng" - das Trading-Unternehmen sitze auf einem Vermögen, das größtenteils auf den eigenen Tokens - FTT - basiere. Daraufhin verkündete Hauptkonkurrent Binance, sämtliche gehaltenen FTT-Token verkaufen zu wollen.

Die Folge: Die Kunden versuchten massenweise ihre Assets von FTX abzuziehen, die Rede ist dabei von Krypto-Tokens im Wert von sechs Milliarden Dollar in nur 72 Stunden. Der folgende Freeze der Kunden-Assets verstärkte die Panik noch, da dieser ohne ein Statement von FTX erfolgte. Sam Bankman-Fried, bis dahin gefeiertes "Krypo-Wunderkind" und CEO, legte in inzwischen gelöschten Tweets nahe, die Konkurrenz versuche lediglich, FTX mit den Gerüchten zu schaden. Wörtlich schrieb er: "FTX geht es gut. Die Assets sind sicher."

Vom Krypto-"Wunderkind" zum Angeklagten?

Wenige Tage später dann die Wendung: Aus dem Nichts gaben FTX und Hauptkonkurrent Binance bekannt, sich auf eine Übernahme einigen zu wollen. Binance-CEO Changpeng Zhao twitterte dazu:

Nur wenige Stunden später verkündete Binance, die Due-Diligence-Prüfung sei negativ ausgefallen, die Finanzprobleme von FTX schlicht zu massiv, um noch helfen zu können:

Berichten zufolge könnte dabei auch ein Problem gewesen sein, dass die Legal- und Compliance-Teams von FTX zu diesem Zeitpunkt bereits nahezu geschlossen das Weite gesucht hatten.

FTX-CEO Bankman-Fried meldete sich daraufhin mit einem romanartigen Tweet zu Wort und beteuerte sein Bedauern über die Vorgänge. Er räumte dabei auch eigenes Fehlverhalten ein und versprach, der US-Ableger FTX.US sei gesund und zu keiner Zeit gefährdet:

In Tausenden Reaktionen überzogen viele verärgerte Kunden den CEO daraufhin mit Vorwürfen - und Häme - hier einige Beispiele:

Inzwischen beschäftigte sich auch die Presse nähe mit den Vorwürfen gegen CEO Bankman-Fried, der seit 2017 einen kometenhaften Aufstieg hingelegt hatte, das Cover von Forbes und Fortune zierte und unter anderem als "der nächste Warren Buffett" und "Michael Jordan der Kryptobranche" gehandelt wurde:

Wie unter anderem Reuters in einer Analyse berichtet, soll der CEO risikoreiche Investitionen mit Kundengeldern getätigt haben. Nach dem großen Kryptocrash Anfang 2022 hatte Bergman-Fried versucht, kleinere Konkurrenten wie beispielsweise Voyager vor der Pleite zu retten und so auch einen weiteren Absturz der Kurse zu verhindern. Diese Geschäfte sollen maßgeblichen Anteil daran haben, dass im Finanzgefüge von FTX ein rund zehn Milliarden Dollar großes Loch klafft.

Im letzten Akt des Kryptodramas wurde schließlich publik, dass FTX offiziell Insolvenz angemeldet hat. CEO Bankman-Fried ist nicht nur seinen Posten und seine Reputation, sondern auch sein Vermögen los, US-Börsenaufsicht und -Justizministerium haben angekündigt, Ermittlungen aufnehmen zu wollen. Viele weitere FTX-Mitarbeiter haben das Unternehmen inzwischen verlassen - und zeigten sich dabei geschockt von den Geschäftspraktiken ihres Arbeitgebers. Auch Investoren wie Sequoia Capital und Partner wie das NBA-Team Miami Heat haben eilig sämtliche Bande zu Bankman-Fried und FTX gekappt:

FTX-Pleite verstärkt Krypto-Eiszeit

Die Geschäfte bei FTX hat inzwischen der Insolvenzverwalter John J. Ray übernommen. Inzwischen ist die Rede davon, dass ein bis zwei Milliarden Dollar an Kundengeldern "verschwunden" sein sollen - hierbei steht auch ein möglicher Hackerangriff im Raum. Per Tweet informierte das Unternehmen darüber, alle Kunden-Assets sichern zu wollen und räumte dabei ein, dass unrechtmäßige Zugriffe auf Assets stattgefunden haben:

Ob es gelingt, die Kunden-Assets zu retten, steht jedoch in den Sternen. Zu allem Überfluss wurde im Rahmen des Insolvenzantrags bekannt, dass FTX.US - entgegen den Beteuerungen des Ex-CEO - ebenfalls betroffen ist.

Für die Kryptobranche kommt der Niedergang von FTX zur Unzeit: Die Kurse waren Anfang 2022 zusammengebrochen, zahlreiche Coins stürzten ins Nichts und viele Kunden verloren ihre Assets. Das Vertrauen der Anleger dürfte durch die neuerlichen Vorgänge bei FTX weiter Schaden nehmen. Der Bitcoin stürzte nach Bekanntwerden des FTX-Desasters auf ein neues Zwei-Jahres-Tief ab - auch alle anderen Kryptowährungen verloren seither deutlich an Wert.

Die Aussichten für Anleger und Anbieter am Kryptomarkt bleiben also weiter problematisch: Die Börse Stuttgart, Anbieter der Krypto-App Bison, nahm in einer E-Mail an ihre Kunden mit dem Betreff "Deine Assets sind bei uns sicher" ohne Namen zu nennen Bezug auf die FTX-Pleite und dürfte damit vielen seriösen Anbietern aus der Seele sprechen: "Leider wurde die Kryptowelt erneut von Ereignissen erschüttert, die für keinen Akteur am Markt von Vorteil sind." (fm)