Alles begann mit Gerüchten über Liquiditätsprobleme bei der weltweit zweitgrößten Kryptobörse FTX - ausgelöst durch einen Bericht des Kryptoportals CoinDesk. Diesem zufolge seien die Bande zwischen FTX und seinem Schwester-Hedgefund Alameda Research "ungewöhnlich eng" - das Trading-Unternehmen sitze auf einem Vermögen, das größtenteils auf den eigenen Tokens - FTT - basiere. Daraufhin verkündete Hauptkonkurrent Binance, sämtliche gehaltenen FTT-Token verkaufen zu wollen.
Die Folge: Die Kunden versuchten massenweise ihre Assets von FTX abzuziehen, die Rede ist dabei von Krypto-Tokens im Wert von sechs Milliarden Dollar in nur 72 Stunden. Der folgende Freeze der Kunden-Assets verstärkte die Panik noch, da dieser ohne ein Statement von FTX erfolgte. Sam Bankman-Fried, bis dahin gefeiertes "Krypo-Wunderkind" und CEO, legte in inzwischen gelöschten Tweets nahe, die Konkurrenz versuche lediglich, FTX mit den Gerüchten zu schaden. Wörtlich schrieb er: "FTX geht es gut. Die Assets sind sicher."
Vom Krypto-"Wunderkind" zum Angeklagten?
Wenige Tage später dann die Wendung: Aus dem Nichts gaben FTX und Hauptkonkurrent Binance bekannt, sich auf eine Übernahme einigen zu wollen. Binance-CEO Changpeng Zhao twitterte dazu:
This afternoon, FTX asked for our help. There is a significant liquidity crunch. To protect users, we signed a non-binding LOI, intending to fully acquire https://t.co/BGtFlCmLXB and help cover the liquidity crunch. We will be conducting a full DD in the coming days.
— CZ ?? Binance (@cz_binance) November 8, 2022
Nur wenige Stunden später verkündete Binance, die Due-Diligence-Prüfung sei negativ ausgefallen, die Finanzprobleme von FTX schlicht zu massiv, um noch helfen zu können:
As a result of corporate due diligence, as well as the latest news reports regarding mishandled customer funds and alleged US agency investigations, we have decided that we will not pursue the potential acquisition of https://t.co/FQ3MIG381f.
— Binance (@binance) November 9, 2022
Berichten zufolge könnte dabei auch ein Problem gewesen sein, dass die Legal- und Compliance-Teams von FTX zu diesem Zeitpunkt bereits nahezu geschlossen das Weite gesucht hatten.
FTX-CEO Bankman-Fried meldete sich daraufhin mit einem romanartigen Tweet zu Wort und beteuerte sein Bedauern über die Vorgänge. Er räumte dabei auch eigenes Fehlverhalten ein und versprach, der US-Ableger FTX.US sei gesund und zu keiner Zeit gefährdet:
1) I'm sorry. That's the biggest thing.
— SBF (@SBF_FTX) November 10, 2022
I fucked up, and should have done better.
In Tausenden Reaktionen überzogen viele verärgerte Kunden den CEO daraufhin mit Vorwürfen - und Häme - hier einige Beispiele:
You are not sorry, you are sorry you got caught.. That is the difference
— G O N Z O (@GonzoXBT) November 10, 2022
You didn’t fuck up, you frauded up.
— BenJammin.eth?? (@xBenJamminx) November 10, 2022
You co-mingled customer deposits to leverage your own trading
You donated their funds to politicians to line your pockets and curry favors
All while lobbying against DeFi
Fuck off
Sorry ain’t gonna cut itpic.twitter.com/dagcJafJDF
— Cory Bates (@corybates1895) November 10, 2022
In the end, FTX was just a way for SBF to meet hot girls pic.twitter.com/37lUqjAQ0T
— e^(ip)+1 = Left-wing regime's impact on status quo (@mhlongo_kabelo) November 10, 2022
— Br??ce (@Bruuuze) November 12, 2022
Inzwischen beschäftigte sich auch die Presse nähe mit den Vorwürfen gegen CEO Bankman-Fried, der seit 2017 einen kometenhaften Aufstieg hingelegt hatte, das Cover von Forbes und Fortune zierte und unter anderem als "der nächste Warren Buffett" und "Michael Jordan der Kryptobranche" gehandelt wurde:
Wie unter anderem Reuters in einer Analyse berichtet, soll der CEO risikoreiche Investitionen mit Kundengeldern getätigt haben. Nach dem großen Kryptocrash Anfang 2022 hatte Bergman-Fried versucht, kleinere Konkurrenten wie beispielsweise Voyager vor der Pleite zu retten und so auch einen weiteren Absturz der Kurse zu verhindern. Diese Geschäfte sollen maßgeblichen Anteil daran haben, dass im Finanzgefüge von FTX ein rund zehn Milliarden Dollar großes Loch klafft.
Im letzten Akt des Kryptodramas wurde schließlich publik, dass FTX offiziell Insolvenz angemeldet hat. CEO Bankman-Fried ist nicht nur seinen Posten und seine Reputation, sondern auch sein Vermögen los, US-Börsenaufsicht und -Justizministerium haben angekündigt, Ermittlungen aufnehmen zu wollen. Viele weitere FTX-Mitarbeiter haben das Unternehmen inzwischen verlassen - und zeigten sich dabei geschockt von den Geschäftspraktiken ihres Arbeitgebers. Auch Investoren wie Sequoia Capital und Partner wie das NBA-Team Miami Heat haben eilig sämtliche Bande zu Bankman-Fried und FTX gekappt:
Here is the note we sent to our LPs in GGFIII regarding FTX. pic.twitter.com/Cgp1Yxk1pz
— Sequoia Capital (@sequoia) November 10, 2022
Miami-Dade County and the Miami HEAT have released the following statement pic.twitter.com/iCXM8GTU97
— FTX Arena (@FTXArena) November 12, 2022
FTX-Pleite verstärkt Krypto-Eiszeit
Die Geschäfte bei FTX hat inzwischen der Insolvenzverwalter John J. Ray übernommen. Inzwischen ist die Rede davon, dass ein bis zwei Milliarden Dollar an Kundengeldern "verschwunden" sein sollen - hierbei steht auch ein möglicher Hackerangriff im Raum. Per Tweet informierte das Unternehmen darüber, alle Kunden-Assets sichern zu wollen und räumte dabei ein, dass unrechtmäßige Zugriffe auf Assets stattgefunden haben:
1/ Statement from John Ray, Chief Restructuring Officer and CEO of @FTX_Official — Consistent with their obligations as Chapter 11 Debtors-in-Possession, FTX US and FTX [dot] com continue to make every effort to secure all assets, wherever located.
— Ryne Miller (@_Ryne_Miller) November 12, 2022
Ob es gelingt, die Kunden-Assets zu retten, steht jedoch in den Sternen. Zu allem Überfluss wurde im Rahmen des Insolvenzantrags bekannt, dass FTX.US - entgegen den Beteuerungen des Ex-CEO - ebenfalls betroffen ist.
Für die Kryptobranche kommt der Niedergang von FTX zur Unzeit: Die Kurse waren Anfang 2022 zusammengebrochen, zahlreiche Coins stürzten ins Nichts und viele Kunden verloren ihre Assets. Das Vertrauen der Anleger dürfte durch die neuerlichen Vorgänge bei FTX weiter Schaden nehmen. Der Bitcoin stürzte nach Bekanntwerden des FTX-Desasters auf ein neues Zwei-Jahres-Tief ab - auch alle anderen Kryptowährungen verloren seither deutlich an Wert.
Die Aussichten für Anleger und Anbieter am Kryptomarkt bleiben also weiter problematisch: Die Börse Stuttgart, Anbieter der Krypto-App Bison, nahm in einer E-Mail an ihre Kunden mit dem Betreff "Deine Assets sind bei uns sicher" ohne Namen zu nennen Bezug auf die FTX-Pleite und dürfte damit vielen seriösen Anbietern aus der Seele sprechen: "Leider wurde die Kryptowelt erneut von Ereignissen erschüttert, die für keinen Akteur am Markt von Vorteil sind." (fm)