Ein Praxisbeispiel: Ein mittelständisches Unternehmen, das Konsumgüter hauptsächlich über E-Commerce, jedoch auch über Handelspartner international vertreibt, floriert. Es ist profitabel, wächst deutlich zweistellig, derzeit bedingt durch die Corona-Krise "nur" im oberen einstelligen Bereich. Es blickt den Geschäftsdaten zufolge in eine prosperierende Zukunft. So weit so gut.
Im persönlichen Gespräch mit dem Eigentümer wurde jedoch deutlich, dass er trotz positiver Zahlen nicht zufrieden ist, denn das Unternehmen verliere seit geraumer Zeit Know-how-Träger in entscheidenden Positionen unterhalb der Geschäftsführung. Bisher konnte das kompensiert werden. Er hege auch keinerlei Zweifel an der Qualität der derzeit agierenden Akteure.
Doch nun stellt sich die Frage, ob ein besseres Zusammenspiel im Führungsteam nicht dazu beitragen kann, wichtige Talente an das Unternehmen zu binden und entsprechend der Möglichkeiten weiterzuentwickeln. Zumal sich der Sitz des Betriebs an einem Standort befindet, der keine unmittelbare Anziehungskraft auf Talente ausübt; auch deshalb droht die Gefahr, den kritischen Unterbau zu verlieren. Schließlich strebt der Betrieb eine Umsatzverdoppelung in den kommenden Jahren an, die jedoch ohne den Beitrag einiger entscheidender Know-how-Träger nicht zu schaffen ist.
Der Eigentümer entschied, der Frage im Zuge eines Leadership-Journey-Programms nachzugehen und beauftragte ein externes Beratungsteam mit der Analyse. Ziel war es, herauszufinden, welche Herausforderungen in den kommenden Jahren zu bewältigen sind und ob das Kollektiv überhaupt in der Lage ist, diese im Sinne des Eigentümers zu meistern. Das Führungsteam setzte sich im konkreten Fall aus drei Geschäftsführern, zwei Bereichsleitern und einem Experten mit exzellenten technologischen Fähigkeiten zusammen.
Führungsteam auf dem Prüfstand
Das mehrstufige Programm baute vor allem auf der Auseinandersetzung mit folgenden Fragen auf:
Gibt es einen gemeinsamen Konsens zum Zweck der Geschäftsaktivität und zu übergeordneten Zielen? Zum Beispiel unter den Gesichtspunkten Umsatz- versus Gewinnwachstum, Talentförderung sowie gezielte Nachfolgeplanung.
Ermöglicht die Art und Weise der Führung (Vertrauen, Transparenz, operative Disziplin), ein Erreichen der gesteckten Ziele?
Ist die Organisation - gemessen am Organigramm sowie der real gelebten Prozesse - richtig aufgestellt, um die Ziele gemeinsam zu erreichen? Kommen diese Ziele in der Organisation an? Liegen überzeugende Konzepte vor, um Talente an das Unternehmen zu binden?
In Vorbereitung auf die Leadership Journey erfolgte im ersten Schritt eine Standortbestimmung der einzelnen Programmteilnehmer. Sie ist wichtig, um die einzelnen Akteure kennenzulernen und fundiert einschätzen zu können.
- Falle 1: Die Wichtigkeit der Antrittsrede unterschätzen
Es ist hilfreich, die Mannschaft zu einem Come together einzuladen und sich noch einmal offiziell vorzustellen. In einer kurzen Rede sollte man zum einen etwas über sich samt Werdegang erzählen und zum anderen bereits einen Einblick in den Führungsstil sowie Werte und Ziele geben. - Falle 2: Sofort alles auf den Kopf stellen
Neue Führungskräfte verfallen wegen der hohen Erwartungshaltung häufig in blinden Aktionismus. Es ist besser, die ersten Wochen für Mitarbeitergespräche zu nutzen. So bekommen Sie einen Überblick über Erwartungen, Aufgaben, Zusammenarbeit, Prozesse und mögliche Knackpunkte. Erst nach der Bestandsaufnahme sollten Veränderungen unter Einbindung der Mitarbeiter angestoßen werden. - Falle 3: Von Mitarbeitern instrumentalisieren lassen
Kommt eine neue Führungskraft, tendieren Mitarbeiter gerne dazu, sie für ungeklärte und unbefriedigende Belange einzuspannen, damit sie sich für diese Anliegen gegenüber Dritten starkmacht. Aber hier ist Vorsicht geboten, weil oft nur die subjektive Wahrnehmung ans Licht kommt. Man sollte also keine Versprechungen machen und voreiligen Entscheidungen treffen, sondern sich zunächst einen umfassenden Eindruck über den Status quo und über Verantwortlichkeiten verschaffen. - Falle 4: Intensive Freundschaften mit Mitarbeitern eingehen
Entwickeln sich Freundschaften zu einzelnen Kollegen, sollte man hinterfragen, welchen Einfluss die Beziehung auf das Tagesgeschäft im Unternehmen hat und welchen Eindruck Kollegen und Vorgesetzte bekommen, wenn sie von der Freundschaft erfahren. Zum Schutz von Führungskraft und Mitarbeiter ist es daher sinnvoll, ausreichend Distanz zu wahren. - Falle 5: Recht behalten und Fehler nicht eingestehen
Fehler einzugestehen und Kritik von Mitarbeitern anzunehmen wird oft als Führungsschwäche ausgelegt. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Wahre Größe und Kompetenz beweist, wer offen für berechtigte Kritik ist und gegebenenfalls eine Entscheidung rückgängig macht. So gewinnt man als Vorgesetzter Glaubwürdigkeit und Vertrauen. - Falle 6: Konflikten aus dem Weg gehen
Harmoniebedürftige Führungskräfte sind meist auch konfliktscheu. Sie hoffen insgeheim, dass sich Probleme von selbst lösen, und sprechen Missstände oft viel zu spät an. Ob Fehlverhalten von Mitarbeitern oder Konflikte im Team - Sie sollten Erwartungen frühzeitig nennen, immer konstruktives Feedback geben und rechtzeitig nachsteuern. Klarheit in der Führung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Und Klarheit und Freundlichkeit schließen sich nicht aus. - Falle 7: Immer eine offene Tür haben
Eine Aussage wie "Sie können jederzeit zu mir kommen" ist fatal. Der Grund: Ungeplante Gespräche bringen den Tagesablauf durcheinander und reißen die Führungskraft bei ihrer jeweiligen Aufgabe aus der Konzentration. Soll heißen: Führen "zwischendurch" ist nicht ratsam. Nehmen Sie sich nach Abstimmung ungeteilte Zeit für Mitarbeitergespräche. - Falle 8: Experten im Fachwissen übertreffen wollen
Es ist ein Trugschluss, als Führungskraft zu glauben, auf jede fachliche Frage eine Antwort haben zu müssen oder jedes Problem lösen zu können. Dafür sind die Fachleute zuständig, nämlich die Mitarbeiter mit ihrem entsprechenden Fachwissen. Der Job des Vorgesetzten ist primär, Führungs- und Steuerungsaufgaben wahrzunehmen. Wer sich als Chef dennoch dafür verantwortlich fühlt, wird schnell zum "Obersachbearbeiter". Tipp: Delegieren Sie, damit Sie Freiräume gewinnen und Ihre Ziele erreichen.
Defizite im Talent Management
Den Kern der Analyse bildete das Team Effectiveness Assessment. Hier wurde gezielt die Art und Weise der Zusammenarbeit sowie die Fähigkeit analysiert, sich im Team nachhaltig auf gemeinsame Ziele auszurichten und diese zu kommunizieren. Im konkreten Fall war das der Schlüsselmoment, weil die einzelnen Akteure mit ihrem Gedankengut zur Bindung von Talenten an das Unternehmen überzeugten. Was aber erkennbar fehlte, war die einheitliche Botschaft des Führungsteams, Talente gezielt anzusprechen. Das Nicht-Orchestrieren der individuell durchaus starken Ansätze wurde vom gesamten Programmteam als Schwachstelle erkannt und in mehreren Teamdiskussionen aufgearbeitet.
Herausgekommen ist eine einheitliche Talentbindungslogik, mit der sich alle Beteiligten identifizieren konnten, so dass die Erstellung eines Umsetzungsplans sowie die darauf folgende Verankerung in die Organisation reibungslos verlief.
Im dritten Schritt erfolgte ein Organisations-Assessment rund um die Fragen:
Wie funktioniert die Organisation und liegen Dysfunktionen vor?
Wo entstehen Nachfolgesituationen in Zukunft?
Wie entsteht Bindung zum Unternehmen?
Konkrete Maßnahmen, die aus dem Team Effectiveness Assessment resultierten, waren zum Beispiel, neue Incentive-Mechanismen für das Führungsteam und eine Koppelung an die erfolgreiche Nachfolgeplanung der Schlüsselrollen. Ein weiteres Resultat war die Beteiligung einiger Schlüsselpersonen, inklusive ausgewählter Talente, am Unternehmen, um eine mittelfristige Gleichschaltung der Interessen zu erzielen. Des Weiteren wurde der Technologieexperte befördert und einer der beiden Bereichsleiter wird im kommenden Jahr in die Geschäftsführung aufrücken. Eine externe Besetzung war in diesem Fall nicht erforderlich.
Moderne Führungskompetenzen
Aber was sind Führungskompetenzen die heute im E-Commerce, aber auch darüber hinaus grundlegend wichtig sind? Führungskräfte wurden und werden ausgebildet, um Trends möglichst genau zu extrapolieren. Zum Beispiel, um daraus Budget- oder Marktentwicklungen abzuleiten. Heute leben wir jedoch in ungewissen Zeiten. Es werden Führungskräfte gebraucht, die das Selbstbewusstsein mitbringen, Entscheidungen bei nicht vollständiger Faktenlage zu treffen. Dies erfordert die Akzeptanz der Fehlbarkeit sowie die Bereitschaft, die Richtung entsprechend sich ändernder Rahmenbedingungen immer wieder anzupassen. "Probing and Sensing" löst den erlernten Ansatz des "Predicting" ab.
Des Weiteren werden Geschäftsführer gesucht, die in der Lage sind, im Team kontrovers, aber respektvoll mit Kollegen zu kooperieren, die ein mitunter diametral gegensätzliches, jedoch komplementäres Profil mitbringen. Hier ist Toleranz und ein echtes Verständnis für Diversity gefragt. Internationale Erfahrungen sowie eine interne Vorreiterrolle bezüglich einer sinnvollen sowie konsequenten Anwendung von Technologie im Tagesgeschäft sind unabdingbare Voraussetzungen für den Geschäftsführer von morgen. Gesucht wird ein "Talent Motor", der in der Lage ist, die nächste Generation an sich zu binden. Es gilt überzeugende Führungskonzepte zu präsentieren, die ökonomisch erfolgreich, technologisch zukunftsweisend und nachhaltig sind.
Was muss der Einzelne mitbringen, um in einem Führungsteam allgemein und speziell im E-Commerce erfolgreich zu sein, auch im Hinblick auf das Zusammenspiel? Die Fähigkeit sich funktional zu vernetzen, gewinnt immens an Bedeutung sowie die Erkenntnis, dass alle Disziplinen/Funktionen gleich wichtig sind. Es gibt keine "Stars", sondern einzelne Talente, die jedoch zu einem Team zusammenwachsen müssen. Dies klingt banal, doch erst das barrierefreie Zusammenspiel der einzelnen Talente lässt die Stärke der einzelnen Führungskräfte im Unternehmenskontext wirken.
Spezifisch im E-Commerce ist dabei , dass hier in der Regel die Talente sehr jung sind und eine gewisse Zeit brauchen, eigene Erfahrungen zu sammeln und Organisationen "lesen" zu lernen. Die Geschwindigkeit in E-Commerce-Unternehmen ist oft immens hoch - dies ist attraktiv einerseits, führt jedoch andererseits gelegentlich zu "Hauruck-Aktionen", die nicht immer förderlich für die Erreichung der gesteckten Ziele sind.
Der langjährige Fokus, der bei der Beurteilung von Führungskräften auf der MBA-Ausbildung lag, verliert derzeit für viele Positionen an Wert, zumindest wenn sie nicht in konkrete Praxiserfahrungen und einem Gefühl für das Machbare eingebettet ist. Bei der Auswahl eines geeigneten Beraterteams für die Leadership Journey sollte vor allem auf zwei Voraussetzungen geachtet werden:
Hat der Berater Erfahrung mit komplexen Teamcoaching-Prozessen und
hat er einen "Zugang" zum Geschäftsmodell, sprich kennt er aus der Vergangenheit ähnlich gelagerte Konstellationen (in diesem Fall: Mittelstand international / Konsumgüter / E-Commerce), die er erfolgreich beraten konnte?
Eine gute "Chemie" zwischen dem Auftraggeber und dem Beraterteam ist hilfreich, da mitunter unbequeme "Wahrheiten" ausgesprochen werden müssen. Spezifische Produktkompetenz ist bei diesem Leadership-Advisory-Ansatz jedoch nicht notwendig.
- Wie Führungskräfte motivieren
Mitarbeitermotivation bedeutet nicht nur, materielle Anreize für erbrachte Leistungen in Aussicht zu stellen. Eine langfristige Produktivität und Zufriedenheit der Beschäftigten fußt vielmehr auf einer starken intrinsischen Motivation der Beschäftigten durch die Führungskräfte. - Sinnhaftigkeit des Unternehmens vermitteln
Was ist der Sinn des eigenen Unternehmens und warum gibt es den Betrieb? Auf diese Fragen eine befriedigende Antworte zu geben, schafft Sinnhaftigkeit bei allen Beschäftigten. - Sinnlosigkeit vermeiden
Damit Mitarbeiter bis in die Haarspitzen motiviert sind, müssen Führungskräfte darauf achten, dass ihnen der Sinn nicht genommen wird. Da Sinn eine subjektive Einstellung ist, kann eine Führungskraft ihn nicht direkt übertragen. Ein Vorgesetzter kann aber sehr wohl direkt dazu beitragen, eine Tätigkeit als nicht mehr erfüllend oder sinnlos zu erleben. - Sinnstiftende Mitarbeiterführung
"Sinn ist immer subjektiv, er entsteht aus unseren Beziehungen zu anderen Menschen, zu bestimmten Dingen, zu unserem Tun", sagt Reinhold Messner. Daher ist es Aufgabe der Führungskraft, Mitarbeiter dabei zu helfen, Sinn zu finden. Die Identifikation mit der Tätigkeit wird dadurch gestärkt. - Auf allen Ebenen motivieren
Wer Mitarbeitermotivation möchte, muss Sinn stiften. Dieser Grundsatz darf aber nicht nur für einzelne Führungskräfte im Unternehmen gelten. In der DNA des Betriebs ist dieser Ansatz auf jeder Organisationsebene zu verankern. - Für Selbstbestimmung und Autonomie sorgen
Selbstbestimmung und Autonomie sind zentrale Faktoren für intrinsische Motivation.