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Der Niedergang von Stack Overflow

Kommentar  05.08.2024
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Nick Hodges ist Developer Advocate beim Authentifizierungsspezialisten Passage und hat in den letzten Jahren zahlreiche praktische Erfahrungen als Delphi-, TypeScript- und Angular-Entwickler gesammelt. Er schreibt für unsere US-Schwesterpublikation Infoworld.
Über der einst wichtigsten Webplattform für Softwareentwickler sind dunkle Wolken aufgezogen.
Erst kam die Toxizität, dann die KI. Stack Overflow steht vor einer ungewissen Zukunft.
Erst kam die Toxizität, dann die KI. Stack Overflow steht vor einer ungewissen Zukunft.
Foto: Dennis Diatel | shutterstock.com

Im Jahr 2008 gründeten die Softwareentwickler Jeff Atwood und Joel Spolsky die Webplattform StackOverflow. Ihre Vision: Ein offenes Forum für Developer zu schaffen, um sich auszutauschen und gegenseitig bei allen möglichen Fragen rund um das Thema Softwareentwicklung zu unterstützen. Dabei setzten die Gründer schon früh auf Gamification-Ansätze in Form von Reputation Scores und Badges, um Anreize für die Benutzer zu schaffen.

Aus den beigesteuerten Fragen und Antworten sollte im Ergebnis eine umfassende Wissensdatenbank entstehen. Diese entwickelte sich in den Folgejahren zu einer der populärsten Netzressourcen für Entwickler - und einem Advertising-Schwergewicht. Im Jahr 2021 wurde die Plattform für 1,8 Milliarden Dollar an die niederländische Investmentgesellschaft Prosus verkauft.

Reputation Score auf Tauchstation

Aber Menschen sind nun einmal wie sie sind, weswegen mit der Zeit einige subtile Probleme auftraten, die dann immer weniger subtil wurden. So sieht der Gamification-Ansatz von Stack Overflow vor, Nutzer für besonders gute Fragen oder Antworten mit Privilegien zu belohnen - zum Beispiel der Möglichkeit, die Fragen anderer Nutzer zu bewerten und kommentieren. Folglich dauerte es nicht lange, bis einige User das vornehmlich dazu nutzten, vor allem unerfahrene Mitglieder für (ihrer Meinung nach) schlechte Fragen abzustrafen. Dieses Phänomen wuchs sich allmählich zu einer toxischen Kultur aus, in der bestimmte Cliquen um Dominanz bei verschiedenen Keywords kämpften - und Neulinge sich oft gar nicht mehr trauten, überhaupt eine Frage zu stellen.

Das führte zu umfangreichen Diskussionen innerhalb der Community von Stack Overflow. Mit Jon Skeet widmete 2018 auch einer der einflussreichsten Power User der Plattform dem Thema einen eigenen Blogbeitrag. Zwar wurden bei Stack Overflow daraufhin diverse Maßnahmen ergriffen, um die Reputation der Plattform zu verbessern - jüngst zum Beispiel mit dem sogenannten "Staging Ground", der quasi eine dedizierte Umgebung für neue Nutzer darstellt - ohne Reputation Score und Kommentar-basiertes Bashing. An dieser Stelle kann man sich durchaus die Frage stellen, ob nicht ohnehin schon alles längst zu spät ist, wenn man zu solchen Maßnahmen greifen muss.

Hilfe, KI!

Denn auch KI-gestützte Coding-Assistenten machen Stack Overflow zunehmend zu schaffen. Ironischerweise gründet sich deren Erfolg und Nutzwert auf einem Kernbestandteil der Stack-Overflow-Philosophie: Sämtliche Inhalte werden über eine Creative-Commons-Lizenz offen zur Verfügung gestellt. Nach einem deutlichen Rückgang der Traffic-Zahlen entschied man sich beim neuen Stack-Overflow-Besitzer im Oktober 2023 dazu, in die "Offensive" zu gehen. Fast 30 Prozent der Mitarbeiter wurden durch Generative-AI-Tools ersetzt und mit "OverflowAI" eine API präsentiert, die den KI-Tools von Google, Microsoft und OpenAI ermöglicht, die Daten der Plattform besser zu nutzen. Wie gut das bei den Unmengen an Entwicklern ankommt, die Stack Overflow im Lauf der letzten Jahre mit Knowhow gefüttert haben, kann man sich denken.

Stack Overflow selbst steuert dadurch auf ein gewaltiges Problem zu: Die Webplattform stellt einen Großteil des Wissens bereit, das in KI-Codierungs-Tools eingebettet ist. Aber je mehr Devs sich auf diese Werkzeuge verlassen, desto unwahrscheinlicher wird es, dass sie sich an Stack Overflow beteiligen. Ob die Plattform noch eine Zukunft hat, ist deshalb unklar. Fest steht aber: Ihre glorreichen Tage sind vorbei. (fm)