Wenn es um Linux auf dem Desktop geht, werden die Kommentare besonders leidenschaftlich. Man denke da nur an das Linux-Projekt in München. Dabei haben die Kontrahenten übersehen, dass das Betriebssystem auf dem Client (fast) keine Rolle mehr spielt.
Während die Windows-Vorherrschaft mit rund 80 Prozent Marktanteil auf dem Desktop zementiert ist, erfreut sich auf dem Smartphone Android größter Beliebtheit. Drei von vier neu verkauften Smartphones nutzen das Linux-Derivat. Auch bei den zahlenmäßig immer relevanter werdenden Tablets, hat Android die Dominanz von Apples iOS im letzten Jahr gebrochen. Sechs von zehn neuen Tablets haben Android an Bord. Den Rest vom Kuchen teilen sich iOS mit 36 und Windows mit 2 Prozent Marktanteil. iOS und auch Mac OS X basieren natürlich auf FreeBSD, einem anderen Open Source Linux - aber das nur am Rande.
Die Aufzählung soll verdeutlichen, dass sich die Betriebssystemwelt im letzten Jahrzehnt gewaltig gewandelt hat - und immer noch in Bewegung ist. Gab es bis eben noch mit dem Desktop eine Geräteklasse mit einem Betriebssystem, so nutzen die allermeisten von uns heute einen heterogenen "Gerätezoo" aus Desktop, Laptop, Tablet und Smartphones. Hinzu kommt, dass sich spätestens mit dem Mobile-Boom die Grenzen zwischen beruflicher und privater Kommunikation auflöst haben.
Entsprechend groß sind die Herausforderungen für Unternehmen und öffentliche Verwaltungen, ihren Mitarbeitern eine liebenswerte und funktionierende Kombination aus Hard- und Software zur Verfügung zu stellen. Die Unternehmen antworten hierauf zunehmend mit BYOD und einer verstärkten Nutzung von Cloud-Applikationen.
Heilige Kühe auf dem Cloud-Altar
Aus gutem Grund: Cloud-Applikationen reduzieren den Administrationsaufwand, da unabhängig von Gerät und Betriebssystem (idealerweise), nur ein Browser auf dem Endgerät benötigt wird. Gleichzeitig bleiben unternehmensrelevante Daten zentral gespeichert und gesichert.
Auch Microsoft hat längst erkannt, dass mit dem Betriebssystem allein auf den Endgeräten kein Geschäft mehr zu machen ist. Gewinnen wird langfristig, davon ist auch Microsoft-Chef Nadella überzeugt, wer die Daten der Anwender in seiner Cloud beherbergen darf.
Bei der von ihm ausgegebenen Strategie "Mobile first, Cloud first" ist selbst die Geld-Kuh Microsoft Office mittlerweile nicht mehr heilig. So ist Nadellas Ankündigung, Office für iOS ab sofort zu verschenken, nur konsequent. Office für Android-Tablets wurde für Anfang 2015 angekündigt, und ich wage mal die Prognose, dass das auch verschenkt wird. Denn damit legt Microsoft den Köder für seinen Speicherdienst OneDrive bei den Mobile-affinen Early Adoptern und poliert überdies sein Image bei den Cloud-affinen Startups auf. Hauptsache, die Anwender kommen nicht auf die Idee, sich nach einer (Browser-basierten) Alternative für Textbearbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentation umzusehen, bevor Microsoft die Transformation vom Software-Hersteller zum Cloud-Dienstleister geschafft hat. Der neue Lock-In ist nicht mehr das Betriebssystem oder die Applikation, es ist der damit verbundene Cloud Service.
So werden Sie geholfen
Dass Microsoft und andere Software-Dinos aus dem Client-Server-Zeitalter hierfür noch ein paar Jahre Zeit haben, garantiert das Beharrungsvermögen unter anderem auch in deutschen Unternehmen und Amtsstuben. Dieses wird genährt durch erschreckend geringe Computerkenntnisse gepaart mit einer chronischen Lernlethargie gegenüber allem Digitalen.
Dennoch müssen vorausschauende IT-Verantwortliche auf Anwenderseite nicht tatenlos die Hände in den Schoß legen und zusehen, bis die notorischen Nein-Sager in ihren Unternehmen ihr biologisches Verfallsdatum im Berufsleben erreicht haben. Denn auch bei zahlreichen Herstellern von vertikalen Applikationen, im Amtsdeutsch als Fachanwendungen bekannt, herrscht nach wie vor eine unheilige Fixierung auf den (Windows-)Desktop vor.
Wer künftig Herr über seine eigenen Daten bleiben und überdies unabhängig vom Betriebssystem auf dem Endgerät sein will, sollte schon heute seine Software-Lieferanten auf folgende Prinzipien einschwören:
Das Benutzerinterface muss ohne Plug-Ins oder anderen Ballast in allen wichtigen modernen Browsern ablaufen können, auch auf mobilen Geräten.
Die Anwendungen müssen als Software und in beliebigen Betriebsmodellen zur Verfügung stehen - also vom Betrieb im eigenen Rechenzentrum bis hin zur öffentlichen Cloud, und in allen Varianten dazwischen.
Die Anwendungen und Back-End-Komponenten sollten möglichst als Open-Source-Software verfügbar sein, um Transparenz, Sicherheit, geringere Abhängigkeit und höhere Integrationsfähigkeit sicherzustellen. Das gilt auch für Eigenentwicklungen, insbesondere in Behörden.
Die Anwendungen müssen möglichst offene, als auch sehr weit verbreitete Formate und Protokolle wie ActiveSync, CardDav, CalDav, WebDav, IMAP, OOXML, ODF unterstützen - und diese möglichst ohne Konvertierungsartefakte oder Kompatibilitätsprobleme implementieren.
- Frühe Starter und skeptische Nachzügler
Die Forscher haben vier Gruppen klassifiziert. Die "Digirati" sind die Unternehmen, die am weitesten fortgeschritten sind. Hier treibt der CEO die Entwicklung voran. Die Digitalisierung in den Organisationen der "Beginners" beschränkt sich zumeist auf E-Mail-Nutzung und Web-Auftritt. - Was Unternehmen aufhält
Auf die Frage nach dem Grund der Zurückhaltung sagten die Meisten, es gebe keine zwingende Notwendigkeit. Auch die fehlenden Gelder und die Grenzen der vorhandenen IT werden oft genannt. Vor allem den ersten Grund erachten die Forscher als fahrlässig. Die Digitalisierung sei für nahezu jedes Unternehmen erfolgskritisch. - Das Tagesgeschäft bremst
Die Forscher haben noch etwas tiefer gebohrt und dabei herausgefunden, dass die Mitarbeiter neue Aufgaben scheuen, weil sie mit ihrem Tagesgeschäft ausgelastet sind oder sich mit dem Geforderten nicht auskennen. - Die Digitalisierung kommt zügig
Auch die befragten Manager rechnen damit, dass die Veränderungen sich schon bald bemerkbar machen. Insofern ist die Einschätzung einiger Unternehmenslenker, das Thema habe keine Dringlichkeit, zumindest erstaunlich. - Schleppende Transformation
Die Umsetzung in den Unternehmen ist nach Einschätzung aller Befragten überwiegend langsam. Allerdings finden sich unter den CEO mehre Studienteilnehmer, die die Geschwindigkeit als angemessen, wenn nicht sogar als hoch einstufen. Die Belegschaft sieht das tendenziell etwas anders. - Chancen des Wandels
Den größten Nutzen stiften digitale Technologien im Kundenkontakt. Hier lassen sich neue Erlebniswelten, Produkte und Services erschaffen. Aber auch im Betrieb und Geschäftsmodell können sich Verbesserungen einstellen. - Mehr Umsatz, mehr Profit
Die Forscher wollen herausgefunden haben, dass die fortschrittlichen Unternehmen auch mehr Gewinn und Profit sowie einen höheren Marktwert erzielen.
Sofern die Applikationen diesen Vorgaben entsprechen, kann existierende Hard- und Betriebssystem-Software weiterverwendet werden - vorausgesetzt, dass ein einigermaßen aktueller Browser darauf läuft. Neue Hardware kann recht unbekümmert angeschafft werden, BYOD verliert seinen Schrecken.
Für Altanwendungen gilt: Auch in den Browser verbannen, und sei es mit RDP oder anderen Remote-Desktop-Protokollen. Das ist zwar nicht immer ideal, aber pragmatisch. Nach und nach sollten diese Anwendungen durch neue Versionen ersetzt werden, die direkt im Browser genutzt werden können - weg von Client-Server-Architekturen und hin zu echten Web-Applikationen.
Das kann gut und gerne zehn bis 20 Jahre dauern, bis auch die letzte Anwendung weg ist. So ist das nun mal mit "Legacy-Applikationen"; aber das Browser-Zeitalter wird sicher lange genug dauern. (bw)