Neuer Gesetzesentwurf bestätigt schlimmste Befürchtungen

Der Countdown läuft: Deutschland ab 2017 ohne selbstständige IT-Berater?

10.02.2016
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Christa Weidner ist seit 1989 in unterschiedlichen Rollen und Positionen in der IT tätig. Das Ziel ihrer Arbeit ist es, dafür zu sorgen, dass Mitarbeiter mit neuer Software arbeiten können und wollen. Ihre Fähigkeit, die richtigen Fragen zu stellen, schützt Entscheider, Projektleiter sowie weitere Schlüsselpositionen davor, falsche Entscheidungen zu treffen und hilft, die Potenziale der IT maximal auszunutzen. Sie unterstützt namhafte Konzerne und Unternehmen des Mittelstands unterschiedlicher Branchen. 2016 hat die IT-Beraterin den „Werner-Bonhoff-Preis-wider-den-§§-Dschungel 2016“ erhalten. In den vergangene Jahren hat sie als Selbständige große Unternehmen bei Change-Prozessen unterstützt.
Ende 2015 wurde der neue Gesetzesentwurf gegen den Missbrauch von Werksverträgen versendet und liegt nun der Öffentlichkeit vor. Damit kommen neue Hürden auf die Wirtschaft zu, die mit selbstständigen IT-Beratern zusammen arbeiten.

Der Gesetzesentwurf enthält den neuen § 611a BGB mit dem die Kriterien für Scheinselbstständigkeit definiert sind. Damit kommen neue Hürden auf die Wirtschaft zu, die mit selbstständigen IT-Beratern zusammen arbeiten.

Die (Schein-)Selbständigkeit gerät mit dem neuen Gesetzentwurf zu Paragraf 611 BG wieder in die Diskussion.
Die (Schein-)Selbständigkeit gerät mit dem neuen Gesetzentwurf zu Paragraf 611 BG wieder in die Diskussion.
Foto: Syda Productions-shutterstock.com

Die Kriterien sollen feststellen, ob ein vermeintlich Selbstständiger so stark in die Arbeitsorganisation eingebunden ist und Weisungen seines Auftraggebers unterliegt, dass tatsächlich ein Arbeitsvertrag vorliegt. Hier als Auszug die Kriterien des Gesetzesentwurfes:

(…) (2) Für die Feststellung, ob jemand in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist und Weisungen unterliegt, ist eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Für diese Gesamtbetrachtung ist insbesondere maßgeblich, ob jemand

a. nicht frei darin ist, seine Arbeitszeit oder die geschuldete Leistung zu gestalten oder seinen Arbeitsort zu bestimmen,

b. die geschuldete Leistung überwiegend in Räumen eines anderen erbringt,

c. zur Erbringung der geschuldeten Leistung regelmäßig Mittel eines anderen nutzt,

d. die geschuldete Leistung in Zusammenarbeit mit Personen erbringt, die von einem anderen eingesetzt oder beauftragt sind,

e. ausschließlich oder überwiegend für einen anderen tätig ist,

f. keine eigene betriebliche Organisation unterhält, um die geschuldete Leistung zu erbringen,

g. Leistungen erbringt, die nicht auf die Herstellung oder Erreichung eines bestimmten Arbeitsergebnisses oder eines bestimmten Arbeitserfolges gerichtet sind,

h. für das Ergebnis seiner Tätigkeit keine Gewähr leistet. (…)

Den vollständigen Gesetzestest sowie erste Analysen und Stellungnahmen finden sich auf der Kampagnenseite des VGSD e.V. (Verband der Gründer und Selbstständigen).

Damit bestätigt der Gesetzesentwurf die schlimmsten Befürchtungen der Branche und geht sogar darüber hinaus. Der Entwurf ist ungeeignet, Rechtssicherheit zu schaffen. Eine wertende Gesamtbetrachtung, wie der geplante § 611a es vorsieht, wird je nachdem, wer diese vornimmt, zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Schon heute zeigt die Deutsche Rentenversicherung eine sehr eigenwillige Bewertung und findet überraschende Argumente in ihrem Sinne. Außerdem stellt sich die Frage, wie die Gewichtung der einzelnen Kriterien vorgenommen wird. Hierzu lässt das Gesetz eine Regelung vermissen.

Lücke zum Schutz vor den Folgen der Scheinselbstständigkeit wird geschlossen

Außerdem schließt dieser Gesetzesentwurf eine Lücke, mit der Auftraggeber sich vor den Folgen der Scheinselbstständigkeit schützen wollten. Die Folgen werden dann nicht, wie heute üblich, die vermittelnde Agentur zu tragen haben, die eine Arbeitnehmerüberlassung hat. Der Selbstständige wird gemäß des Entwurfes Angestellter des Auftraggebers werden.

Abrechnung nach Aufwand wird es nicht mehr geben

Nachdem die Selbstständigen bereits die Opfer der Flexibilisierung der Arbeitswelt sind, werden sie durch den Gesetzesentwurf nun im Kampf gegen den Missbrauch von Werksverträgen geopfert. Solo-Selbstständige, die ihre Leistung nach Aufwand abrechnen wird es mit Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr geben können. Die Hoffnung, dass Selbstständige ihren heutigen Nutzen auch als Zeitarbeiter oder Angestellter leisten können, ist illusorisch. Sowohl Auftraggeber wie auch die Selbstständigen werden die Vorteile der heutigen Zusammenarbeit aufgeben müssen. Doch was kommt danach? Lösungen können nur gemeinsam gefunden werden. Spätestens jetzt ist die Zeit gekommen, um zwei Dinge zu tun: 1. Sich gemeinsam gegen diesen Gesetzesentwurf wehren und 2. Lösungen entwickeln, damit der Nutzen, den Selbstständige den Unternehmen bringen, auch weiter zur Verfügung steht.

Jetzt: Gemeinsam wehren und Lösungen entwickeln

Deutschland verspielt einen weiteren Joker, den Rückstand bei der Digitalisierung der Wirtschaft aufzuholen. Der Gesetzentwurf zeigt, dass Arbeit 4.0 von der Politik nicht verstanden wurde. Statt Flexibilisierung zu fördern, werden neue Bürokratiemonster geschaffen. Damit werden wertvolle Ressourcen verschleudert, ohne einen wirtschaftlichen Nutzen zu schaffen. Die Probleme der Deutschen Sozialversicherungssysteme lassen sich so nicht lösen. Stattdessen droht nun auch den Selbstständigen der Verlust ihrer beruflichen Existenz und stürzt sie damit sicher auch in finanzielle Nöte. Missbrauch kann und sollte gezielt bekämpft werden. Damit die Existenz der Selbstständigen aufs Spiel zu setzen, ist ein nicht zu verantwortender Kollateralschaden. Probleme werden vertagt, statt sie zu lösen. So schaffen wir das nicht! (bw)