Deutsche machen Abstriche

Datenschutz hat derzeit keine Priorität

30.11.2021
Von Redaktion Computerwoche
Insgesamt 71 Prozent der Deutschen wären bereit, dem Staat zum Zwecke der Pandemiebekämpfung umfangreiche personenbezogene Daten zur Verfügung zu stellen.
Viele Bürgerinnen und Bürger sind in der Pandemie kompromissbereit, was den Datenschutz angeht. Die Politik darf also mutiger werden.
Viele Bürgerinnen und Bürger sind in der Pandemie kompromissbereit, was den Datenschutz angeht. Die Politik darf also mutiger werden.
Foto: blvdone - shutterstock.com

Die Management-Beratung Horváth hat zwischen dem 23. Und 25 November 1.000 deutsche Bürgerinnen und Bürger zum Thema "Datenschutz in Pandemien und Krisen" befragen lassen. Die Ergebnisse lassen aufhorchen. Zur besseren Bekämpfung der Pandemie wären 71 Prozent bereit, dem Staat umfangreiche personenbezogene Daten zur Verfügung zu stellen.

Knapp die Hälfte (48 Prozent) würde auch detaillierte Gesundheitsinformationen - inklusive Vorerkrankungen - freigeben. Ein Viertel der Befragten kann sich sogar vorstellen, die Auswertung von Bewegungsprofilen via Handyortung zu erlauben.

Wie die Umfrage weiter zeigt, geht eine große Mehrheit der Bevölkerung davon aus, dass es noch vor den Weihnachtsfeiertagen zu einem weitgehenden Lockdown (80 Prozent) sowie zu Schulschließungen (70 Prozent) in Deutschland kommen wird. Das sei eine logische Folge des dynamischen Pandemiegeschehens, sagen die Befragten der repräsentativen Umfrage.

Regierung sollte Bürger erreichen können

"Mit diesen Daten wäre die Bundesregierung in der Lage, Aktionen und Aufklärungskampagnen kurzfristig und zielgerichtet umzusetzen", sagt Simon Arne Manner, Partner und Public-Experte bei der Managementberatung Horváth. So sei beispielsweise denkbar, dass die Regierung zielgerichteter über SMS in Kontakt tritt, etwa wenn es um die Einreise nach Deutschland gehe.

Manner weist darauf hin, dass dem Staat zwar detaillierte Daten etwa zum Impfstatus in der Bevölkerung vorlägen - aber nicht ansatzweise flächendeckend, tagesaktuell oder in einer Qualität, die es erlaube, sichere Prognosen zum weiteren Verlauf zu errechnen. Auch ließen sich derzeit nur schlecht Rückschlüsse auf die Ursachen von regional unterschiedlichen Entwicklungen ziehen.

Von den Befragten, die der Bundesregierung personenbezogene Daten zur besseren Pandemiebekämpfung freigeben würden, sagen zwei Drittel, sie würden umfangreiche Gesundheitsinformationen zu ihrem aktuellen Impfstatus sowie zu individuellen Vorerkrankungen herausrücken. In der Gesamtbevölkerung sind dazu aber nur 48 Prozent bereit.

Für viele wäre auch eine Handyortung ok

Etwa ein Drittel der Kooperativen würde auf Anfrage aktuelle Informationen zu Alter, Beruf oder Religionszugehörigkeit preisgeben. Ebenso viele wären bereit, Bewegungsdaten per Mobilfunkortung auslesen zu lassen. Von der Gesamtbevölkerung wäre dazu jeweils ein Viertel bereit. "Ein Datenausschnitt von einem Viertel der Bevölkerung wäre schon eine solide Basis, um wichtige Schlussfolgerungen zu ziehen und vor allem, möglichst genaue Prognosen zur weiteren Ausbreitung zu erstellen", sagt Manner.

Als Grund für ihre Bereitschaft, umfangreich Daten freizugeben, sagen die meisten Befragten (63 Prozent), dass sie pandemiebedingte Einschränkungen wie Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen als tieferen Eingriff in ihre persönliche Freiheit empfänden als eine systematische Nutzung ihrer personenbezogenen Daten durch die Bundesregierung. Und 59 Prozent geben an, dass der Datenschutz im Falle von Pandemien oder Naturkatastrophen grundsätzlich gelockert werden sollte, um ein besseres Krisenmanagement und zielgerichtete Maßnahmen von Bund und Ländern zu unterstützen.

"Wenn die Möglichkeit geschaffen wird, personenbezogene Daten zur Steuerung von Krisen und Katastrophen freiwillig und aktiv anzugeben, würden sie viele Menschen nutzen - denn das Vertrauen in den Staat ist größer als in einen Konzern", sagt Manner. "Diese Daten könnten das Fundament für ein Steuerungssystem bilden, das der zukünftigen Bundesregierung auf Basis von Big-Data-Technologien ein schnelles und zielgerichtetes Handeln im Fall von Krisen ermöglicht." (hv)