Big Data - Big Deal

Datengetriebenes Echtzeit-Marketing stellt den Kunden in den Mittelpunkt

18.12.2014
Von 

Andreas Espenschied ist Experte für Big Data, Realtime Analytics, Intelligent Business Operations und Marketing. Als Management Consultant und Marketing-Experte entwickelt er seit über 20 Jahren IT-unterstützte Geschäftsmodelle. Er ist Senior Vice President für die Bereiche Marketing und Business Development der Software AG Deutschland und Director der Global Software Group im Diplomatic Council. Normal 0 21 false false false EN-US X-NONE X-NONE

Big Data hat den Hype-Status hinter sich gelassen. Jetzt müssen Anwendungen her, mit denen Nutzen aus diesen Datenbergen generiert werden kann. Doch gerade dort, wo Big Data das größte Potenzial entfaltet, fällt es Unternehmen besonders schwer, Einsatzszenarien zu identifizieren: im Marketing.
Big Data eröffnet Marketingabteilungen die Möglichkeit, ihre Kunden auf allen Kanälen mit personifizierten Angeboten anzusprechen.
Big Data eröffnet Marketingabteilungen die Möglichkeit, ihre Kunden auf allen Kanälen mit personifizierten Angeboten anzusprechen.
Foto: eepsmiling4u - Fotolia.com

Multichannel-Marketing nach dem Gießkannenprinzip war gestern. Was heute zählt, sind ein individueller Kundendialog und zielgerichtete Entscheidungsgrundlagen in Echtzeit. Auf dem Weg dorthin kommt kein Marketeer mehr an Big Data vorbei. Dabei gilt: Je mehr, desto besser.
Laut der Studie "The Big Potential of Big Data: A Field Guide for CMOs" von Forbes Insights und Rocket Fuel aus dem Jahr 2013, erreichen 60 Prozent der Unternehmen, die Big Data in mindestens der Hälfte ihrer Marketingaktionen einsetzen, mehr als erwartet. Dennoch setzen lediglich jedes zehnte Unternehmen und nur ein Drittel der Werbeagenturen Big Data in diesem Umfang ein. Sie lassen Chancen ungenutzt, wertvolle Informationen über ihre Zielgruppen zu erhalten, die ihnen die Möglichkeit geben, über alle Vertriebskanäle hinweg personalisierte Angebote unterbreiten zu können, die interessieren und zum Kauf animieren.

Die zweite Herausforderung: Marketeer schöpfen auch das Potenzial der zur Verfügung stehenden Datenquellen noch nicht vollständig aus. Laut der Studie des Technologieanbieters Silverpop "Datengetriebenes Marketing. Marketing vs. Kundenwunsch" ist das Customer-Relationship-Management-System für die meisten Marketingverantwortlichen die wichtigste Datenquelle. "Weiche" Daten - etwa aus dem Tracking des Surfverhaltens, der Einkaufshistorie oder Social-Media-Posts - werden bei weitem noch nicht ausreichend berücksichtigt. Und das, obwohl gerade diese Informationen besonders viel Aufschluss über die Interessen der Kunden geben.

Persönliche Beziehung zur Zielgruppe aufbauen

Ein erster Schritt hin zu einer personalisierten Kundenansprache ist die Individualisierung der dargestellten Werbung. Dieser als "Smart Targeting" bezeichnete Ansatz baut auf dem bisherigen Kaufverhalten auf und wertet Information über Produkte aus, für die ein Kunde sich entweder im Online-Shop oder im Laden vor Ort interessiert hat. Auf Basis dieser Daten wird ihm Werbung für Artikel angezeigt, die ihm höchstwahrscheinlich gefallen.

Die Anzeige personalisierter Werbemittel kann auf ganz unterschiedliche Kundeneigenschaften eingehen, auf Alter, Geschlecht und Konfessionsgröße ebenso wie auf Stil und Geschmack, darauf, ob sich der Kunde eher für niedrig- oder hochpreisige Produkte interessiert, aber auch auf Hobbies, Familienstand, Wohnort und weitere Kennwerte der persönlichen Lebenssituation. Entsprechend dieser Eigenschaften wird jedem Nutzer auf die individuelle Suchworteingabe (sprachbasiertes Targeting) oder das personenbezogene Suchverhalten (Behavioral Targeting) zugeschnittene Werbung angezeigt. Dadurch ermöglicht Smart Targeting nicht nur eine zielgerichtete Kundenansprache, sondern reduziert auch den Streuverlust von Online-Werbekampagnen. Dabei gilt es, den Nutzer möglichst unauffällig zu den für ihn relevanten Werbebotschaften zu lenken, um die Aufmerksamkeit für die Marke zu steigern und den Kaufimpuls auszulösen.

Dynamische Preismodelle statt Pauschalangebot

Fixe Listenpreise waren gestern, heute kann jeder Kunde ein Angebot zu einem individuellen Preis erhalten. "Dynamic Pricing in Echtzeit" bezieht ganz unterschiedliche Kontextfaktoren des Kunden mit ein. Zum Beispiel können Preise kurzfristig gesenkt werden, um den Artikel gegenüber Konkurrenzprodukten, die sich der Kunden parallel anschaut, attraktiver zu machen. Oder der Webshop bietet einem Kunden für kurze Zeit die passenden Handschuhe zur Skijacke oder ein Produktbundle, bestehend aus zwei Produkten, für die er sich interessiert, zu einem Sonderpreis an - und zwar zu einem günstigeren Preis, als wenn er beide Artikel einzeln kaufen würde.

Möglichkeiten, die Kaufwahrscheinlichkeit zu erhöhen, indem der Anbieter seine Produkte preislich in Echtzeit für den Kunden attraktiver macht, gibt es viele. Auch das Echtzeit-Couponing basiert auf schnellen Big-Data-Analysen: Damit können Einzelhändler beispielsweise Gutscheine per Pushmail auf die Smartphones der Kunden schicken, die sich gerade in örtlicher Nähe zu ihrem Geschäft befinden und sie so in den Laden lotsen.

Aus technologischer Sicht stellen diese Lösungsansätze die Herausforderung an Unternehmen, smarte Fast-Big-Data-Lösungen zu implementieren. Ausschlaggebend sind hierbei vor allem die Integration in die bestehenden Marketingsysteme und die Aggregation der bestehenden Datenquellen über sämtliche Vertriebskanäle hinweg. Es gilt, mithilfe der Smart-Big-Data-Systeme eine Datenbasis zu schaffen, die bestehende Silos aus Daten, die online und am Point of Sale erhoben werden, auflöst und eine 360-Grad-Sicht auf Kunden ermöglicht.

Quo vadis, Marketing?

Auf den Punkt gebracht, eröffnet Big Data die Möglichkeit, Kunden immer besser kennenzulernen und ihm Angebote zu machen, die seinen Wünschen und Bedürfnissen entsprechen. Diese Technologien stecken in vielen Unternehmen derzeit noch in den Kinderschuhen, werden aber die Entwicklung des Marketings in den kommenden Jahren maßgeblich prägen.

In Kombination mit Wearables wie Smart Watches und Google Glass bieten Echtzeit-Datenanalysen Kunden ein digitales und dennoch intensives, unmittelbares Einkaufserlebnis. So gibt es beispielsweise Applikationen, mit denen Kunden Möbel, die sie sich gerade im Online-Shop anschauen, mit Google Glass in ihre Wohnung projizieren können, um einen realistischen Eindruck zu erhalten, wie ein Sofa in ihrem Wohnzimmer aussieht. Mithilfe von Smartphones und Wearables können Einzelhändler ihren Kunden auch am Point of Sale mit Digital-Signage-Bildschirmen personalisierte Werbung anzeigen. Dadurch führt Big Data dazu, dass Unternehmen ihre Marketingaktivitäten immer individueller auf ihre Kunden ausrichten, Streuverluste reduzieren, und ihre Ressourcen immer gezielter dafür einsetzen können, Kaufentscheidungen positiv zu beeinflussen und Abverkäufe zu steigern. (bw)