In der zunehmend komplexen Welt des Gesundheitswesens sind Lösungen gefragt, die geringe Latenzzeiten, Fernsteuerung und Echtzeitreaktionen ermöglichen, insbesondere bei Systemen zur Patientenüberwachung wie Herzschrittmachern und Insulinpumpen. Edge Computing bietet hier eine Lösung durch ein dezentrales System, das die Datenspeicherung und -verarbeitung näher an die Datenquellen, also etwa IoT-Geräte, bringt. Dadurch wird der Bedarf an zentraler Datenverarbeitung reduziert und eine unterbrechungsfreie Echtzeitanalyse trotz Netzwerklatenz gewährleistet.
Diese Integration ist von entscheidender Bedeutung für die Weiterentwicklung der digitalen Gesundheitsfürsorge, da sie Anwendungen wie die Fernüberwachung von Patienten, eine effiziente Pflege, sowie die Bereitstellung und Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) zur Verbesserung der diagnostischen Genauigkeit und Geschwindigkeit ermöglicht. Die Verknüpfung von KI mit Edge Computing ist dabei von entscheidender Bedeutung, da sie nicht nur die Datenerhebung bei Patienten erleichtert, sondern gleichzeitig auch eine zeitnahe Auswertung und Reaktion durch das medizinische Fachpersonal ermöglicht.
Derzeit werden KI-unterstützte Edge-Computing-Frameworks eingesetzt, um kritische Diagnosen, einschließlich lebensbedrohlicher Krankheiten schnell anhand von diagnostischen Bildern zu erkennen. Dies ermöglicht eine zeitnahe und kosteneffiziente Beurteilung und zeigt somit das große Potenzial der Kombination von Edge Computing und KI im Gesundheitswesen auf.
5 Edge-Computing-Anwendungsfälle im Gesundheitswesen
Die folgenden fünf Anwendungsbereiche veranschaulichen die Vorteile von Edge Computing im Gesundheitswesen:
1. Im Krankenhaus
Die derzeitige Praxis, bei der viele Überwachungsgeräte isoliert betrieben werden oder nur begrenzt mit einer zentralen Datenbank verbunden sind, stellt eine Herausforderung dar. Die großen Datenmengen, die von diesen Geräten generiert werden, erfordern häufig den Einsatz externer Cloud-Speicherlösungen, was Datenschutz- und Sicherheitsrisiken mit sich bringt.
Durch die Einführung lokaler Edge-Computing-Netzwerke können diese Bedenken weitgehend ausgeräumt werden. Ein solches Netzwerk ermöglicht die Integration von Daten aus verschiedenen Quellen innerhalb des Krankenhauses, stellt den Zugriff auf relevante Informationen sicher und gewährleistet gleichzeitig den Datenschutz und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben. Darüber hinaus können Edge-Lösungen, die durch künstliche Intelligenz (KI) unterstützt werden, Echtzeitwarnungen bei ungewöhnlichen Krankheitsbildern und Trends ausgeben und kritische Daten sicher auf Cloud-Plattformen speichern. Dies trägt zur Steigerung der betrieblichen Effizienz bei, optimiert die Ressourcennutzung und kann die Betriebskosten pro Patient senken.
2. In der Notfallmedizin
In der heutigen Notfallmedizin ist der Rettungsdienst häufig darauf beschränkt, den Ärzten in der Notaufnahme nur grundlegende Informationen über den Patienten zu übermitteln. Eine weitergehende Diagnostik ist in der Regel erst nach Eintreffen des Patienten im Krankenhaus möglich, was zu verlängerten Übergangs- und Aufnahmezeiten führen kann. In Notfallsituationen kann dies das entscheidende Zeitfenster für eine frühzeitige Reaktion erheblich einschränken.
Die Integration von Edge Computing und 5G-Technologie kann diesen Prozess deutlich verbessern. Sie ermöglicht es den Rettungskräften, vor Ort präzisere Notfallbehandlungen durchzuführen und gleichzeitig umfassende Echtzeitdaten über den Zustand und den Aufenthaltsort des Patienten an das Krankenhauspersonal zu übermitteln. Möglich wird dies durch die geringe Latenzzeit, die hohe Mobilität und die große Datenverarbeitungskapazität von Edge-Computing-Technologien.
3. Dezentrale Gesundheitsversorgung
Eines der Hauptziele der Digitalisierung im Gesundheitswesen ist es, medizinische Dienstleistungen direkt zu den Patienten nach Hause zu bringen. Dies erweitert nicht nur den Zugang zur Gesundheitsversorgung, sondern trägt auch dazu bei, die Gesamtkosten des Gesundheitswesens zu senken. Wearable-Technologien spielen dabei eine entscheidende Rolle, indem sie den Ärzten Echtzeitdaten über die Vitalfunktionen von Patienten liefern und so ein frühzeitiges Eingreifen ermöglichen, bevor kleinere Gesundheitsprobleme zu ernsthaften Komplikationen ausweiten.
Edge Computing erhöht den Nutzen von Wearables, indem es eine kontinuierliche Datenerfassung und -analyse unterstützt. So können etwa kontinuierliche Glukosemessgeräte über ein verbundenes Gerät automatisch entsprechende Insulininjektionen auslösen. Zudem ermöglichen Sensoren die Überwachung der Aktivitäten von Patienten, informieren das Gesundheitspersonal über bedenkliche Abweichungen und tragen so zu einer zeitnahen Anpassung der Therapie bei.
Neben den genannten Vorteilen hat Edge Computing das Potenzial, die Telemedizin, die Fernüberwachung von Patienten und sogar die medizinische Versorgung in unterversorgten Gebieten grundlegend zu verändern. Die Technologie kann die Behandlungskosten für Patienten deutlich senken und die Zeit bis zur Diagnosestellung erheblich verkürzen.
4. Im Operationssaal
Die Einführung von Edge Computing und KI hat die Prozesse in chirurgischen Umgebungen grundlegend verändert. Bislang musste jeder Schritt eines chirurgischen Eingriffs - von der Aufnahme des Patienten in den Operationssaal bis hin zur postoperativen Nachsorge - sorgfältig manuell dokumentiert werden.
Durch die Kombination von KI-Systemen, Kameratechnologien und Edge-Computing-Geräten ermöglichen KI-gestützte, chirurgische Systeme nun die automatische Überwachung und Aufzeichnung jeder Handlung während der Operation. Die Erfassung und Analyse von Daten aus einer Vielzahl chirurgischer Eingriffe trägt dazu bei, die operative Effizienz zu steigern und die Qualität der Patientenversorgung zu verbessern.
5. Schutz der Patientendaten
Der Datenschutz und die Sicherheit von Patientendaten sind weitere wichtige Aspekte, die durch die Einführung von Edge Computing im Gesundheitswesen adressiert werden. Angesichts der wachsenden Besorgnis über den Schutz sensibler Gesundheitsdaten bieten Edge-Computing-Lösungen eine fortschrittliche Methode der Datensicherheit, indem sie die Notwendigkeit verringern, Daten über große Entfernungen zu zentralen Servern zu übertragen.
Stattdessen ermöglicht Edge Computing die lokale Verarbeitung und Speicherung von Daten direkt am Ort ihrer Entstehung, etwa in Krankenhäusern oder über Wearables, wodurch das Risiko von Datenschutzverletzungen verringert wird. Dieser dezentrale Ansatz erhöht die Sicherheit, indem der Zugriff auf Patientendaten auf autorisiertes Personal beschränkt wird, gleichzeitig wird die Einhaltung von Datenschutzvorschriften wie der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) erleichtert.
Durch die Implementierung von Edge-Computing-Lösungen können Gesundheitseinrichtungen somit eine bessere Kontrolle über die Patientendaten erlangen und gleichzeitig eine sichere und gesetzeskonforme Datenverarbeitung gewährleisten, wodurch das Vertrauen der Patienten in die digitale Gesundheitsversorgung gestärkt wird.
- Tobias Graner, Akamai
"Es ist wichtig, eine klare Sichtweise einzunehmen: Es ist nicht immer erforderlich, sämtliche Daten zurückzusenden, um dann Entscheidungen zu treffen. Vielmehr sollten wir uns die Frage stellen, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen. Das Ziel sollte sein, unnötigen Datenverkehr zu vermeiden und durch einen bewussten Umgang mit Daten eine optimale Balance zwischen Cloud und Edge zu finden. Das bedeutet auch, sich davon zu lösen, immer sämtliche Informationen zum Ursprung zurückzusenden. Das belastet nicht nur das Netzwerk, sondern macht es auch anfälliger für potenzielle Angriffe." - Tobias Oberrauch, Eviden
"Der Fokus sollte stets auf konkreten Use Cases liegen. Das bedeutet: klare Anwendungsszenarien identifizieren, in denen der Einsatz von Edge Computing einen realen Mehrwert bietet und zu konkreten Geschäftszielen beiträgt." - Alexander Roth, Fastly
“Besonders im Zusammenhang mit Künstlichen Intelligenzen entstehen enorme Datenmengen, die zur Verarbeitung eigentlich nicht mehr durch das Netz übertragen werden sollten. Von IT-Providern wird heutzutage erwartet, dass sie ressourcenschonend agieren. Daher wäre es zum Beispiel unerlässlich, zu prüfen, ob eine KI lokal ausgeführt werden kann und nur das Training des Modells zentral in der Cloud erfolgen muss, um unnötigen Datenverkehr zu vermeiden." - Peter Schill, Fortinet
“Aktuell sehen wir im Bereich Edge Computing viele individuelle Use Cases, aber nur wenig umfassende Strategien, um das Konzept in der Fläche auszurollen. Es gibt jedoch immer mehr Projekte, insbesondere für Anwendungsfälle, bei denen die Datenmenge und Verarbeitungslogik ohne KI nicht bewältigt werden könnten. Zugespitzt formuliert hätten wir die Diskussion um Edge Computing erst in ein paar Jahren, wenn es keine Anwendungsfälle gäbe, die künstliche Intelligenzen erforderlich machen." - Markus Keppeler, IBM
“Resilienz und Business Continuity spielen eine zentrale Rolle im Kontext Edge Computing. Wenn die einzelnen Geräte am Standort nicht mehr auf ein zentrales Management angewiesen sind, sondern sich nahtlos mit anderen Systemen verbinden und autonom reagieren können, sorgt das für eine wesentlich robustere und widerstandsfähigere Infrastruktur, die besser auf unerwartete Ereignisse reagieren kann. Ein solches dezentrales Modell fördert die Flexibilität und ermöglicht es, Ausfälle oder Störungen effektiv zu bewältigen, indem die Geräte miteinander kommunizieren und kooperieren können.” - Erwin Breneis, Juniper Networks
“Für den Erfolg einer Cloud- oder Edge-Lösung ist die richtige Konnektivität von entscheidender Bedeutung. Hierbei spielt KI eine wichtige Rolle, um die Konnektivität und damit auch die Bereitstellung von Services zu gewährleisten. Wenn beispielsweise die Rahmenparameter nicht mehr erfüllt sind, kann KI helfen, solche Probleme zu erkennen und zu beheben. Dies betrifft weniger die Datenverarbeitung selbst, sondern vielmehr die Infrastruktur und die nahtlose Bereitstellung der Dienste. Die Integration von KI ist ein integraler Bestandteil einer umfassenden Lösung.” - Marcus Rolfes, Kyndryl
“Aus IT-Sicht neigen wir oft dazu, ausgehend von bestimmten Technologien den passenden Anwendungsfall zu suchen. Doch diesen Ansatz sollten wir umzudrehen: Zuerst den konkreten Use Case definieren und erst dann die dazu individuell passende Technologie auswählen. Damit lassen sich viele Startschwierigkeiten für Unternehmen beseitigen. Bei unseren Kunden haben wir damit sehr gute Erfahrungen gemacht." - Philip Horn, Verizon
"Interessanterweise ist Deutschland in Bezug auf die Cloud-Adoption im Vergleich zu anderen Teilen der Welt noch recht zurückhaltend. Dies mag aufgrund von Datenschutzbedenken und anderen Faktoren verständlich sein. Allerdings hat sich mit dem Aufkommen von Edge Computing die Möglichkeit eröffnet, ähnliche Methoden wie in der Cloud auch an den jeweiligen Standort zu bringen. In gewisser Weise kann Edge Computing als eine Art Sandbox fungieren, die es Unternehmen ermöglicht, Cloud-ähnliche Lösungen lokal zu testen und anzupassen. Damit wird der Weg geebnet, die Vorteile der Cloud näher an den eigenen Standort zu bringen."
Ein Blick in die Zukunft
Die Zukunftsaussichten für Edge Computing im Gesundheitswesen sind äußerst vielversprechend und werden die Bereitstellung und Verwaltung von Gesundheitsdienstleistungen maßgeblich beeinflussen. Das zeigt sich auch in den Prognosen: So erwartet KBV Research, dass der globale Markt für Edge Computing im Gesundheitswesen bis 2030 ein Volumen von 25,5 Milliarden Dollar erreichen wird. Die jährliche Wachstumsrate (Compound Annual Growth Rate, CAGR) soll dabei 26,9 Prozent betragen.
Edge Computing gilt als Schlüsselfaktor für die Entwicklung von Telemedizin, Fernüberwachung von Patienten (Remote Patient Monitoring, RPM), Diagnostik, robotergestützter Chirurgie und anderen Anwendungen. Es zeigt sein Potenzial als Katalysator für moderne Gesundheitssysteme. Darüber hinaus wired der Einsatz der Technologie die prädiktive Analytik zunehmend standardisieren und das Niveau der Präventivmedizin anheben. Mit dem Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung dürften neue Märkte für datengestützte Pflege entstehen, einschließlich neuer Technologien wie Exoskelette für Menschen mit eingeschränkter Mobilität. (mb)