Rechenzentrum abschalten

Datacenter einstampfen – so gehts

31.10.2019
Von 
Andy Patrizio arbeitet als freier Journalist für die Network World.
Ein Rechenzentrum stillzulegen ist wesentlich komplizierter, als ein paar Server abzuschalten. Wir sagen Ihnen, was Sie bei der Abschaltung Ihres Datacenters beachten sollten.

Schwieriger als ein Rechenzentrum aufzubauen, ist lediglich, eines stillzulegen. Das liegt in erster Linie daran, dass das Potenzial für Störungen des Geschäftsbetriebs bei der Stilllegung eines Datacenter wesentlich höher ist.

Einfach leer machen? Damit ist es im Fall der Außerbetriebnahme eines Rechenzentrums nicht getan.
Einfach leer machen? Damit ist es im Fall der Außerbetriebnahme eines Rechenzentrums nicht getan.
Foto: kubais - shutterstock.com

Wie komplex sich ein solcher Prozess gestalten kann, zeigt das Beispiel des Titan Supercomputers, der am Oak Ridge National Laboratory (ORNL) in den USA stillgelegt wurde. Mehr als 40 Personen waren an diesem Projekt beteiligt, darunter Mitarbeiter des ORNL, Spezialisten vom Supercomputer-Hersteller Cray und verschiedene externe Partner. Das System mit einer Kapazität von neun Megawatt musste durch Elektrotechniker sicher heruntergefahren werden, die Mitarbeiter von Cray waren für die Demontage sowie das Recycling der elektronischen Komponenten zuständig. Ein spezielles Team kümmerte sich um das Kühlsystem des Supercomputers. Am Ende wurde das ORNL um circa 350 Tonnen Equipment und 4900 Kilogramm Kühlmittel erleichtert.

Auch wenn die wenigsten IT-Experten im Unternehmensumfeld wohl niemals mit einem Supercomputer von solchen Ausmaßen in Berührung kommen: Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass sie an der Stilllegung kleinerer Datacenter beteiligt sein werden. Schließlich rücken inzwischen immer mehr Unternehmen von On-Premises-Rechenzentren ab. Laut Rick Villars, Research Vice President Datacenter und Cloud bei IDC, wird sich diese Entwicklung im Laufe der nächsten drei bis vier Jahre verstärken: "Jedes Unternehmen mit dem wir gesprochen haben, plant zehn bis 50 Prozent seiner Rechenzentrumskapazitäten in den nächsten vier Jahren stillzulegen - in manchen Fällen liegt dieser Wert sogar bei 100 Prozent. Egal mit wem Sie über dieses Thema sprechen - die Dekommissionierung von Datacentern steht überall auf der Agenda".

Bei der Stilllegung eines Rechenzentrums empfiehlt sich ein schrittweises Vorgehen - wir sagen Ihnen, wie Sie Ihr Datacenter möglichst effizient dichtmachen.

Rechenzentrum - erst inventarisieren, dann abschalten

Im ersten Schritt empfiehlt sich eine vollständige Inventarisierung. Dabei spielen folgende Fragen eine wesentliche Rolle:

  • Welches Equipment ist vorhanden?

  • Welche Applikationen laufen auf den Devices?

  • Welche Daten befinden sich den Gerätschaften?

Diese Informationen sollten innerhalb der Configuration Management Database (CMDB) zu finden sein. Diese dient als Repositorium für Konfigurationsdaten, die physische oder virtuelle IT Assets betreffen. CMDBs sind weit verbreitete Tools, aber das allein reicht wie so oft nicht - der Schlüssel liegt in der Abstimmung von Tools und Prozessen, die im Sinne einer ausgezeichneten Datenqualität ausgerichtet sein muss. Eine CMDB ist für die Inventarisierung von Assets unerlässlich, letztendlich ist ein solches Tool aber nur so gut wie die Daten die hineinfließen.

Zur Vorbereitung auf die Stilllegung eines Rechenzentrums gehört es, die Zusammenhänge und Abhängigkeiten innerhalb des Datacenters zu dokumentieren. Dabei gilt ganz grundsätzlich die Faustregel: Je älter das Rechenzentrum, desto mehr Abhängigkeiten sind vorhanden. Dabei ist es wichtig, die Bestandteile eines Datacenter zu segmentieren, um die Migration von Daten phasenweise anstoßen zu können - ohne dabei zu riskieren, dass etwas schiefgeht.

Datacenter-Stilllegung auslagern?

Angesichts der Komplexität und dem Bedarf an Manpower, die die Dekommissionierung eines Rechenzentrums mit sich bringen kann, kann es sich für Unternehmen lohnen, für diese Zwecke einen externen Spezialisten zu beauftragen. Geht es um die Wahl des richtigen Providers, um Ihr Datacenter stillzulegen, kommt es in erster Linie darauf an, die richtigen Fragen zu stellen:

  • Kann der Provider eine ausführliche Leistungsbeschreibung vorlegen, die jeden Aspekt der Stilllegung des Rechenzentrums miteinbezieht?

  • Gibt es die Möglichkeit, vorab einen "Walkthrough" durch die Datacenter-Abschaltung zu absolvieren, um jeden Schritt einzeln durchgehen zu können?

  • Setzt der Dienstleister auf Outsourcing - etwa wenn es um heikle Themen wie Datenvernichtung geht?

  • Wie steht es um die Nachhaltigkeit des Komponenten-Recyclings?

  • Liegen Referenzen zu den letzten drei Stilllegungsprojekten des Providers vor?

  • Besteht die Möglichkeit, Wert aus der ausgemusterten Hardware zu schöpfen?

  • Wird die Datenvernichtung per Software gehandhabt? Wenn ja, welche Applikation kommt dabei zum Einsatz?

  • Wie sehen die Security-Protokolle rund um die Datenvernichtung aus?

  • Wie sieht der Umgang mit Gefahr- oder Giftstoffen aus?

  • Wie werden die einzelnen Komponenten und Materialien entsorgt?

Rechenzentrum abschalten - wer macht's?

Das Equipment, das im Zuge der Abschaltung eines Rechenzentrums weichen muss, sollte natürlich auch auf sichere Art und Weise entsorgt werden - nicht nur aus umwelttechnischer, sondern auch aus datenschutzrechtlicher Sicht. Wenn Sie Elektromüll loswerden, sollten Sie unbedingt auf eine nahtlose Dokumentation der Vorgänge achten. Dieser Prozess sollte alle Devices, die ausgemustert werden und die Daten, die auf ihnen gespeichert sind, erfassen. Am Ende ist es nämlich nicht der Dienstleister, der dafür geradesteht, wenn Kundendaten oder medizinische Informationen an anderer Stelle wiederauftauchen - sondern das Unternehmen, das die Daten besitzt.

Die Stilllegung eines Rechenzentrums bringt ein weiteres gewichtiges Problem mit sich: Ein Datacenter ist im Normalbetrieb ein Ort, der nicht für jeden zugänglich ist. Wird ein Rechenzentrum stillgelegt, sind plötzlich unter Umständen (insbesondere, wenn externe Dienstleister zugezogen werden) sehr viele Menschen in Bereichen tätig, in denen sie eigentlich nichts zu suchen haben. Diesem Umstand können Sie jedoch mit dem richtigen Maß an Kontrolle umschiffen: Setzen Sie auf ein Log-System und zur Not den Einsatz von Überwachungskameras.

Darüber hinaus sollten Sie über externe Personen, die Zugang zu Ihrem Datacenter bekommen sollen, vorab relevante Daten einholen - und diese im Zuge des Projekts auch kontrollieren. (fm)