Der Kunde hat die Macht. Er kann heute einfach, schnell, jederzeit und überall auf Preise und Informationen zu Produkten und Dienstleistungen aller Marktspieler zugreifen. Marken und Image sind nicht mehr in der Hand der Unternehmen, sondern Spielball von Meinungen im weltweiten Netz. Und die digitale Welt bewegt sich meist deutlich schneller als das Digitale in Unternehmen selbst. Internet-Firmen haben diese Entwicklung längst erkannt und sind dabei, traditionellen Unternehmen etwa aus dem Handel, der Automobil-, Hotel- und Transport-Branche signifikante Marktanteile abspenstig zu machen. Bekannte Beispiele sind Uber, Airbnb, Lyft und das Apple icar.
Traditionelle Unternehmen müssen daher spätestens jetzt den ersten Schritt machen, um im digitalen Wettkampf zu bestehen. Sie müssen lernen, ihren digitalen Kunden zu verstehen, wie er tickt und was er eigentlich will. Eine 360-Grad-Kundensicht ist dazu unerlässlich. Ziel ist es, Kunden möglichst positive physische und digitale Erfahrungen und einen so hohen Mehrwert zu bieten, so dass sie begeistert an Marke und Anbieter gebunden werden.
Auf die Kundenstammdaten kommt es an
Um diese Art der Kundenzentrierung jedoch richtig umzusetzen, müssen Kundenkontakte über alle Kanäle und alle Märkte global und lokal gepflegt und genutzt werden. Doch stellt diese Aufgabe viele Unternehmen noch immer vor große Herausforderungen.
Die benötigten Kundendaten in Form von Personen-, Verhaltens-, Lokalisierungs-, Interaktions- und Transaktionsdaten sowie Kundencharakteristiken sind zwar vorhanden, aber nur bedingt brauchbar. Denn Qualität und Konsistenz stimmt vielfach nicht. Oft sind diese Daten auch einfach nicht verfügbar, da sie sich über das gesamte Unternehmen verteilt, an unterschiedlichen Orten und in unterschiedlichen Applikationen befinden. Kurzum: Kundendaten befinden sich in Datensilos und eine 360-Grad-Kundensicht ist nicht möglich.
Managen von Kundenstammdaten
Da gibt es nur eine Lösung: ein konsequentes Management der Kundenstammdaten. Das beginnt mit einem zentralen Register, in dem alle Kundenstammdaten über alle Kanäle, Organisationsbereiche und Applikationen hinweg gespeichert und kombiniert werden – auch „Golden Record“ genannt. Der Golden Record ist die Mutter aller Datensätze und umfasst zuverlässige, korrekte, qualitätsgesicherte und verfügbare Kundendaten.
Technisch kann das mit einer Master-Data-Management-Lösung umgesetzt werden. Diese verwaltet den Golden Record in einem zentralen Datenspeicher, Repository genannt. Der übergeordnete Datensatz enthält Links zu allen Stammdatensätzen aus verschiedenen Datenquellen, in denen Attribute aus dem Golden Record verwendet werden. So kann sichergestellt werden, dass Änderungen von Attributen in einer beliebigen Datenquelle in allen anderen verbundenen Quellen wie ERP-, CRM- oder Ticketing-Systemen ebenfalls berücksichtigt werden. Die Daten bleiben so konsistent und brauchen weder physikalisch bewegt noch redundant gespeichert werden. Das Ergebnis ist eine Synchronisierung der Datensilos im Unternehmen. Fragmentierte Daten gehören der Vergangenheit an.
Zusammengehörende Kundendatensätze identifizieren
Um auch Kundendaten zu integrieren, die über die eigenen Quellen im Unternehmen hinausgehen, sollte eine Customer-Identity-Lösung eingesetzt werden. Mit ihr können Datensätze, etwa aus sozialen Netzwerken, sicher und zuverlässig einem Kunden zugeordnet werden.
Viele Nutzer ersetzen ihren Namen in Profilen mit einem Alias, sind anonym oder mit falschen Identitäten im Netz unterwegs. Eine Kundin, die in der Kundendatenbank im Unternehmen mit dem Namen Ruth-Hanna Friese eingetragen ist, könnte beispielsweise in einem sozialen Netz Ruth Anne Friese heißen oder als Friesen-Ruth aktiv sein. Sind das jetzt drei Personen oder ist das eine Person mit drei Identitätsbezeichnungen? Solche Probleme mit der Kundenidentität sind nicht selten, sondern meist die Regel. Ursachen sind eine natürliche Variabilität wie im Beispiel von Frau Friese. Aber auch unerwartete Fehler durch Schreib- oder Transkriptionsfehler sowie durch Spitznamen, Abkürzungen und Schreibweisen in unterschiedlichen Schriftsätzen, etwa Arabisch, Chinesisch, Griechisch, Kyril- lisch, Lateinisch - oder sogar professionell erzeugte Lügen, die eine falsche Identität vortäuschen sollen - können zu solchen Problemen führen. Noch schwieriger wird es, Identitäten zu finden, wenn der Kunde anonym auftritt.
Eine Customer-Identity-Lösung erlaubt es, ein soziales Profil des Kunden aufzustellen und mit dem Unternehmensprofil des Kunden abzugleichen. Das Ergebnis ist ein präziseres Multikanal-Erscheinungsbild. Außerdem können so bessere Kundenmodelle zum Beispiel für Predictive Analytics aufgebaut werden.
1. Informationen aus Datensilos zusammenführen 2. Datenqualität des "Golden Records" sicherstellen 3. Kundendaten für Kampagnen-Tools zentral bereitstellen 4. Schnelligkeit zum Kunden erhöhen. |
Auf die Qualität der Kundendaten kommt es an
Da Kundendaten jedoch fortlaufend Veränderungen unterliegen, müssen Unternehmen die Datenqualität von Anfang an und über den gesamten Lebenszyklus hinweg sicherstellen. Denn nur wenn Kundendaten stets einheitlich, vollständig und aktuell sind, sind sie wertvoll.
Das Qualitätsmanagement sollte also bei der Erfassung der Daten beginnen und erst mit deren Löschung enden. In diesem Fall kommt der Regelkreisansatz („closed loop“) aus dem Total Quality Management zum Einsatz. Die Kundendaten werden zu Beginn bereits während der Datenerfassung mittels Datenqualitätsservices geprüft. Treten Fehler auf, die nicht automatisch beseitigt werden können, werden sie in einer Zwischenablage gespeichert und ein Bericht an die Eingabestelle geschickt, die sie dann korrigieren kann. Mit dem Regelkreisansatz werden Kundendaten ständig auf ihre Richtigkeit überprüft. Werden über diese Prozesse beispielsweise mit Hilfe eines Data Quality Dashboards in regelmäßigen Abständen Berichte verfasst, lässt sich die Performance dieses geschlossenen Regelkreises für das Datenqualitätsmanagement messen. Dadurch kann der Prozess ständig optimiert werden. Das Ergebnis ist eine nahezu konstante hohe Datenqualität.
Fazit
Nur wenn Unternehmen das Thema Kundendatenmanagement strategisch angehen, entsprechende Rollen und Prozesse aufsetzen und Datensilos beseitigen, erhalten sie richtige und qualitativ hochwertige Kundendaten. Damit haben sie einen ersten großen Schritt getan, um den digitalen Kunden zu erfassen und überhaupt zu verstehen. Korrekte und zuverlässige Kundendaten sind also das Grundgerüst, um die digitale Transformation zu meistern. Die eigenen Prozesse, Produkte und Services anhand dieser gewonnen Erkenntnisse anschließend zu digitalisieren, ist die nächste große Herausforderung. (bw)