Als die Corona-Pandemie Deutschland im Frühjahr 2020 mit aller Härte traf, löste sie ebenso große Schockwellen in der hiesigen Arbeitswelt aus. Quasi über Nacht mussten Unternehmen ihre Mitarbeiter ins Home-Office schicken, im Schnelldurchlauf die technischen Voraussetzungen für die Zusammenarbeit aus der Ferne schaffen und Arbeitsprozesse an die neue, ungewohnte Situation anpassen, die bis heute andauert. Noch nie zuvor haben so viele Arbeitnehmer in Deutschland von zu Hause aus gearbeitet. Selbst in den Sommermonaten, als eine Rückkehr in die Büros weitestgehend wieder möglich war, entschieden sich viele weiterhin für das Home-Office.
Doch für alle, die auf ein "Back to Office" wie vor der Pandemie hoffen, gibt es schlechte Nachrichten: "Hybrid Work ist eine neue Form des Arbeitens, welche jene vor Corona komplett ersetzt. Es gibt kein Zurück mehr zur alten Form", stellt Peer Stemmler, Prokurist/Head of DACH von Zoom, bei der Diskussionsrunde der IDG Research Services zum Thema "Hybrid Work" fest. Vielmehr werde sich die Entwicklung fortsetzen und das Home-Office das Büro weiter zurückdrängen, wenn auch nicht vollständig ersetzen. Für viele Arbeitnehmer dürfte dies eine erfreuliche Nachricht sein. Es ist also zu erwarten, dass die Arbeitswelt auch in Zukunft von hybriden Arbeitsmodellen zwischen Home/Mobile und physischem Office geprägt sein wird.
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Hybrid Work bietet Chancen – aber nicht für alle
Dieser Wandel zwingt Unternehmen wie Mitarbeiter gleichermaßen zum Umdenken - bietet aber auch ganz neue Chancen: "Kontaktlose Dienstleistungen haben in den letzten Monaten einen enormen Hype erfahren", erklärt Hans-Jürgen Jobst, Senior Business Development Manager bei Avaya. Einige Berufsgruppen hätten lang gehegte Vorbehalte ausgeräumt. "Unsere Vertriebskollegen haben sich ihren Arbeitsalltag zuvor niemals ohne direkten Kundenkontakt vorstellen können. Trotzdem sind sie in der neuen Situation sehr erfolgreich. Auch Dienstleister wie Bankberater oder Vermögensberater haben viel Zuspruch erhalten." Viele Anwendungsfälle für ein hybrides Leistungsangebot würden gerade erst entstehen.
Zustimmung erhält der Avaya-Mann von Italo Adami, Director Sales, Marketing & Product bei Cisco. Bestimmte Branchen, in denen Hybrid Work zuvor undenkbar war, müssten völlig neue Geschäftsmodelle finden. "Beispielsweise haben viele Ärzte ihr Modell umgestellt und bieten nun Videosprechstunden an, mit teilweise sehr komplexer Ausstattung. Dadurch sind die Ärzte für ihre Patienten viel besser greifbar und können diese effizienter bearbeiten", so Adami. Das zeige, dass Hybrid Work durchaus auch in angrenzenden Bereichen Einzug halten könne, bei denen man es zunächst nicht vermuten würde.
Kai Kielhorn, Head of Digital Workplace bei Atos, erinnert jedoch daran, dass viele Unternehmen schlichtweg nicht den Luxus haben, ihre Belegschaft flächendeckend ins Home-Office zu schicken. Beispielsweise könnten Mitarbeiter in der Fertigung nicht einfach problemlos von zu Hause aus arbeiten. In diesem Fall meine Hybrid Work nicht einfach nur das Spannungsfeld Office/Home-Office, sondern auch die Teile der IT-Lösungen, welche die arbeitenden Mitarbeiter am Fließband betreffen. Das müsse vor allem strategisch berücksichtigt werden, betont Kielhorn: "Wenn in diesen Betrieben dann noch einige Abteilungen ins Home-Office wechseln können, während es diesen Gruppen nicht möglich ist, muss man das in seinen Hybrid-Konzepten berücksichtigen und Brücken schlagen, damit alle Mitarbeiter vollumfänglich hinter dem Unternehmen stehen."
- Kai Kielhorn, Atos
“Die Mitarbeiter müssen abgeholt werden, damit sie all die Möglichkeiten, die Hybrid Work bietet, auch nutzen. Dabei geht es um Change & Adoption, darum, die Mitarbeiter zu begleiten. Dafür brauchen wir die entsprechende Kultur. Das ist der Weg nach vorn: Technologie, Strategie, Kultur.” - Hans-Jürgen Jobst, Avaya
“Ein Big Bang ist eher nicht das, was man braucht. Man muss loslegen, also eher inkrementell und sich erste Erfolgserlebnisse holen. Dann kann man kontinuierlich nachjustieren. Parallel lässt sich dann das Thema Kultur weiterentwickeln.” - Italo Adami, Cisco Placetel
“Führungskräfte müssen diesen Kulturwandel vorleben und ihren Mitarbeitern gegenüber Vertrauen zeigen. Am Ende kommt es auf das Arbeitsergebnis an und nicht von wo und wann ein Mitarbeiter gearbeitet hat.” - Dagmar Nies, Damovo
"Wir brauchen eine Kultur, die auf Vertrauen setzt und Freiräume zulässt, um die Arbeitszeit agil zu gestalten. Das erfordert ein starkes Leadership und ein Umdenken in der gesamten Unternehmens- und Führungskultur. Führungskräfte müssen sich die Frage stellen, mit welchen KPIs sie die Performance ihrer Mitarbeiter auch in der räumlichen Trennung am besten messen und gleichzeitig menschlich möglichst nah an ihren Teams bleiben können. Deshalb ist die Schulung der Führungskräfte essentiell. Denn sie müssen in der Lage sein, Orientierung in der Veränderungsphase zu geben." - Thomas Muschalla, NFON
“Wir dürfen bei der Strategie nicht das Thema Kundenschnittstelle vernachlässigen. Wir müssen uns immer fragen: Was will der Kunde, was ist sein Vorteil dabei? Hybrid Work bedeutet ja nicht, dass jeder von nun an verpflichtet ist, mobil oder im Home Office zu arbeiten, sondern Flexibilität zuzulassen.” - Peter Stemmler, Zoom
“Unternehmen sind beim schnellen Wechsel ins Home Office eben nicht gleich mit den besten professioneller Technik gestartet, sondern teilweise mit den einfachsten Mitteln. Erst im zweiten Schritt hat sich das technologisch professionalisiert, und das wird sich auch noch weiterentwickeln.”
Alles eine Frage der Technik?
Doch welche Aspekte gilt es zu beachten, wollen Unternehmen erfolgreich das hybride Arbeiten ermöglichen? Sind technische Gesichtspunkte entscheidend? Für Zoom-Mann Stemmler spielt der Technikaspekt zwar eine Rolle, jedoch gibt er zu bedenken, dass zahlreiche Anbieter bereits funktionierende Lösungen zur Verfügung stellen, das Rad also nicht neu erfunden werden muss. Darüber hinaus seien ja schon beinahe alle Unternehmen in Deutschland Anfang 2020 zwangsweise zu Hybrid Work übergegangen. "Die sind zwar nicht sofort mit professioneller Technik gestartet, sondern teilweise mit einfachsten Mitteln. Erst in der zweiten Runde hat sich das technologisch professionalisiert und das wird sich auch noch weiterentwickeln", betont Stemmler.
Das sieht auch Thomas Muschalla, Vice President Sales bei NFON, so: "Zu Beginn der Pandemie haben wir primär auf die Technologie geschaut, um die Leute möglichst schnell ins Home-Office zu bringen. Deshalb lief und läuft auch jetzt noch vieles unstrukturiert und ungeordnet." Bei Hybrid Work käme es aber vor allem darauf an, die verschiedenen Mittel und Wege sowohl nach innen als auch nach außen zu integrieren. Kunden wie Mitarbeitern möglichst viel Flexibilität einzuräumen, sei einer der wichtigsten Aspekte erfolgreicher Hybrid-Work-Konzepte. "Was früher ein Standortvorteil war, ist heute ein Variationsvorteil", ergänzt Muschalla. Dies erfordere jedoch zwingend durchdachte Strategien.
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Zum Thema Hybrid Work führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Entscheidern durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, hilft Ihnen Frau Regina Hermann (rhermann@idgbusiness.de, Telefon: 089 36086 384) gerne weiter. Informationen zur Hybrid-Work-Studie finden Sie auch hier zum Download (PDF). |
Wir brauchen ein neues Bild von Führungskräften
Dass es dabei eine zentrale Aufgabe der Unternehmen ist, den Mitarbeiter in den Mittelpunkt ihrer Hybrid-Work-Konzepte zu stellen, darüber sind sich die Experten der Diskussionsrunde einig. Vor allem in Fragen der Mitarbeiterführung dürfte sich durch Hybrid Work einiges verändern. Dagmar Nies, Vice President Group Marketing bei Damovo, fordert eine Kultur des Vertrauens in den Unternehmen. Führungskräfte müssten sich einerseits fragen, welche KPIs in der räumlichen Trennung die Performance ihrer Mitarbeiter am besten wiedergeben, aber auch wie es ihnen gelingen kann, menschlich möglichst nah an ihren Teams zu bleiben. "Das erfordert ein starkes Leadership und ein Umdenken in der gesamten Unternehmens- und Führungskultur", erklärt Nies. "Deshalb ist die Schulung der Führungskräfte essenziell. Denn sie müssen in der Lage sein, Orientierung in der Veränderungsphase zu geben."
Etwas drastischer sieht das Atos-Spezialist Kielhorn: "Da reicht keine Schulung. Wenn ich keine innere Beweglichkeit habe als Führungskraft, kann ich keinen Change-Prozess vorantreiben." Es müsse ein neues Bild von Führungskräften geschaffen werden, das Kompetenz, Vertrauen und Empathie in sich vereint. Unternehmen müssten sich die Frage stellen, ob die eigenen Führungskräfte die richtigen für den Change-Prozess sind und an welchen Stellschrauben gedreht werden müsse, um diese bestmöglich zu unterstützen.
Auch Italo Adami von Cisco nimmt die Führungskräfte in die Verantwortung und rügt den "Kontrollzwang" einiger Manager, der effizientes Arbeiten im Hybrid Work erschweren würde. "Führungskräfte müssen diesen Kulturwandel vorleben und ihren Mitarbeitern gegenüber Vertrauen zeigen. Am Ende kommt es auf das Arbeitsergebnis an und nicht, von wo und wann ein Mitarbeiter gearbeitet hat", so Adami.
Technologie, Strategie und Kultur im Zusammenspiel
Unternehmen müssen jedoch nicht auf ein perfektes Konzept warten, sondern dürfen auch Fehler machen. "Ein Big Bang ist eher nicht das, was man braucht", erklärt Hans-Jürgen Jobst von Avaya. Man müsse einfach loslegen, inkrementell starten, sich erste Erfolgserlebnisse holen. Dann könne man kontinuierlich nachjustieren und parallel die Unternehmenskultur weiterentwickeln. NFON-Mann Muschalla plädiert dafür, auch das Thema Kundenschnittstelle nicht zu vernachlässigen und sich immer zu fragen, welche Vorteile die eigene Hybrid-Work-Strategie für die eigenen Kunden bietet. Hybrid Work bedeute vor allem, Flexibilität zuzulassen.
Zum Abschluss der Runde betont Kai Kielhorn von Atos noch einmal die große Bedeutung der richtigen Unternehmenskultur im Zusammenspiel mit Technologie und Strategie. Die Mitarbeiter müssten abgeholt werden, damit sie all die Möglichkeiten, die Hybrid Work bietet, auch wirklich nutzen. "Es geht bei Change & Adoption darum, die Mitarbeiter zu begleiten. Dafür brauchen wir eine entsprechende Kultur. Das ist der Weg nach vorn: Technologie, Strategie, Kultur."
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