Eine Unternehmenssprecherin von Dataport, der gemeinsamen IT-Plattform der Länder, bestätigte gegenüber NDR und "Süddeutscher Zeitung", dass CSC die jüngste Ausschreibung über IT-Dienstleistungen im Wert von 15 Millionen Euro verloren und stattdessen Capgemini den Zuschlag erhalten hat. Die Nordländer hatten ihre Vergaberichtlinien zuvor verschärft, um Unternehmen von öffentlichen Aufträgen auszuschließen, die vertrauliche Informationen an ausländische Nachrichtendienste weitergeben könnten.
Die Computer Sciences Corp. (CSC) mit Hauptsitz in den USA arbeitet auch viel für Militär und Geheimdienste der Vereinigten Staaten. Ob dies der Grund dafür ist, dass sich CSC Deutschland in dem Verfahren nicht durchsetzen konnte, ist dem Bericht zufolge aber unklar. CSC war im Zuge des Spähskandals um den US-Militärgeheimdienst National Security Agency aufgefallen, weil es an der Entwicklung von Spähprogrammen der NSA mitgearbeitet hatte. Außerdem war eine Konzerntochter 2004 im Auftrag der CIA an der Entführung des Deutschen Khaled al-Masri beteiligt.
NDR und "SZ" hatten bereits im vergangenen Jahr berichtet, dass CSC Deutschland seit 1990 öffentliche Aufträge im Wert von mehr als 300 Millionen erhalten hatte, auch in besonders sensiblen Bereichen wie dem elektronischen Waffenregister, der Einführung der elektronischen Gerichtsakte und Spähsoftware ("Staatstrojaner"). In Norddeutschland unterstützte CSC die Länder bis zuletzt bei der elektronischen Verwaltung, was Datenschützer und Oppositionspolitiker wiederholt kritisierten.
Bund und Länder haben seit den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden ihre IT-Vergaberichtlinien um eine so genannte "No-Spy-Klausel" ergänzt. Besonders scharf falle die neue Richtlinie von Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt aus, heißt es weiter. In dem aktuellen Vergabeverfahren um einen "E-Government Rahmenvertrag" mussten sich Bewerber ausdrücklich verpflichten, sensible Daten nicht an ausländische Sicherheitsbehörden oder an verbundene Unternehmensteile weiterzugeben. Eine "Imageklausel" schreibt ferner fest, dass der Auftragnehmer nicht einmal mit Dritten zusammenarbeitet, die im Verdacht stehen, "die Vertraulichkeit und Sicherheit von Daten" zu gefährden. Bei Verstößen drohen Vertragsstrafen.
CSC Deutschland Solutions sagte NDR und der "Süddeutschen" wie üblich, dass das Unternehmen deutschem Recht unterliege und sich stets daran halte. Es gebe auch keine US-Gesetze, die den US-Konzern dazu verpflichteten, Daten der deutschen Tochter an amerikanische Dienste weiterzugeben. Dies sei auch technisch nicht möglich.
- Viktor Mayer-Schönberger, Professor für Internet Governance and Regulation
"Es geht nicht mehr um das Ausspähen der Gegenwart, sondern um einen Einblick in die Zukunft. Das ist der Kern von Prism. Präsident Obama hat schon recht, wenn er sagt, die von Prism gesammelten Daten seien doch für sich genommen recht harmlos. Er verschweigt freilich, dass sich daraus statistische Vorhersagen gewinnen lassen, die viel tiefere, sensiblere Einblicke gewähren. Wenn uns nun der Staat verdächtigt, nicht für das was wir getan haben, sondern für das was wir – durch Big Data vorhersagt – in der Zukunft tun werden, dann drohen wir einen Grundwert zu verlieren, der weit über die informationelle Selbstbestimmung hinausgeht." - Prof. Dr. Gunter Dueck, Autor und ehemaliger CTO bei IBM
"Ich glaube, die NSA-Unsicherheitsproblematik ist so ungeheuer übergroß, dass wir uns dann lieber doch gar keine Gedanken darum machen wollen, so wie auch nicht um unser ewiges Leben. Das Problem ist übermächtig. Wir sind so klein. Wir haben Angst, uns damit zu befassen, weil genau das zu einer irrsinnig großen Angst führen müsste. Wir haben, um es mit meinem Wort zu sagen, Überangst." - Oliver Peters, Analyst, Experton Group AG
"Lange Zeit sah es so aus, als würden sich die CEOs der großen Diensteanbieter im Internet leise knurrend in ihr Schicksal fügen und den Kampf gegen die Maulkörbe der NSA nur vor Geheimgerichten ausfechten. [...] Insbesondere in Branchen, die große Mengen sensibler Daten von Kunden verwalten, wäre ein Bekanntwerden der Nutzung eines amerikanischen Dienstanbieters der Reputation abträglich. [...] Für die deutschen IT-Dienstleister ist dies eine Chance, mit dem Standort Deutschland sowie hohen Sicherheits- und Datenschutzstandards zu werben." - Dr. Wieland Alge, General Manager, Barracuda Networks
"Die Forderung nach einem deutschen Google oder der öffentlich finanzierten einheimischen Cloud hieße den Bock zum Gärtner zu machen. Denn die meisten Organisationen und Personen müssen sich vor der NSA kaum fürchten. Es sind die Behörden und datengierigen Institutionen in unserer allernächsten Umgebung, die mit unseren Daten mehr anfangen könnten. Die Wahrheit ist: es gibt nur eine Organisation, der wir ganz vertrauen können. Nur eine, deren Interesse es ist, Privatsphäre und Integrität unserer eigenen und der uns anvertrauten Daten zu schützen - nämlich die eigene Organisation. Es liegt an uns, geeignete Schritte zu ergreifen, um uns selber zu schützen. Das ist nicht kompliziert, aber es erfordert einen klaren Willen und Sorgfalt." - James Staten, Analyst, Forrester Research
"Wir denken, dass die US-Cloud-Provider durch die NSA-Enthüllungen bis 2016 rund 180 Milliarden Dollar weniger verdienen werden. [...] Es ist naiv und gefährlich, zu glauben, dass die NSA-Aktionen einzigartig sind. Fast jede entwickelte Nation auf dem Planeten betreibt einen ähnlichen Aufklärungsdienst [...] So gibt es beispielsweise in Deutschland die G 10-Kommission, die ohne richterliche Weisung Telekommunikationsdaten überwachen darf." - Benedikt Heintel, IT Security Consultant, Altran
"Der Skandal um die Spähprogramme hat die Akzeptanz der ausgelagerten Datenverarbeitung insbesondere in den USA aber auch in Deutschland gebremst und für mehr Skepsis gesorgt. Bislang gibt es noch keinen Hinweis darauf, dass bundesdeutsche Geheimdienste deutsche IT-Dienstleister ausspäht, jedoch kann ich nicht ausschließen, dass ausländische Geheimdienste deutsche Firmen anzapfen." - Viktor Mayer-Schönberger, Professor für Internet Governance and Regulation
"Die NSA profitiert von ihren Datenanalysen, für die sie nun am Pranger steht, deutlich weniger als andere US-Sicherheitsbehörden, über die zurzeit niemand redet. Das sind vor allem die Bundespolizei FBI und die Drogenfahnder von der DEA. [...] Es gibt in der NSA eine starke Fraktion, die erkennt, dass der Kurs der aggressiven Datenspionage mittelfristig die USA als informationstechnologische Macht schwächt. Insbesondere auch die NSA selbst." - Aladin Antic, CIO, KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplationen e.V.
"Eine der Lehren muss sein, dass es Datensicherheit nicht mal nebenbei gibt. Ein mehrstufiges Konzept und die Einrichtung zuständiger Stellen bzw. einer entsprechenden Organisation sind unabdingbar. [...] Generell werden im Bereich der schützenswerten Daten in Zukunft vermehrt andere Gesichtspunkte als heute eine Rolle spielen. Insbesondere die Zugriffssicherheit und risikoadjustierte Speicherkonzepte werden über den Erfolg von Anbietern von IT- Dienstleistern entscheiden. Dies gilt auch für die eingesetzte Software z.B. für die Verschlüsselung. Hier besteht für nationale Anbieter eine echte Chance." - ein nicht genannter IT-Verantwortliche einer großen deutschen Online-Versicherung
"Bei uns muss keiner mehr seine Cloud-Konzepte aus der Schublade holen, um sie dem Vorstand vorzulegen. Er kann sie direkt im Papierkorb entsorgen."