IT richtig organisieren

CMO und CIO sind Partner keine Gegner

24.06.2016
Von 
Nico Rehmann ist seit 1997 in der Digitalbranche tätig und Experte für digitale Kommunikation. Als Berater hilft er Unternehmen bei der digitalen Transformation. Er ist CEO und Partner der Digitalagentur asioso GmbH. Zudem ist er Gründer des Content Management Instituts.
Die zunehmende Bedeutung des Marketings in den Unternehmen führe zu einem Machtverlust der CIOs, prognostizierten Experten. Davon kann aber keine Rede sein, ganz im Gegenteil. Die CIOs können ihre Position sogar stärken – vorausgesetzt, sie passen sich an die neuen Gegebenheiten an.

Das Marketing gewinnt in Unternehmen immer mehr an Bedeutung. Der Grund dafür ist die wachsende Macht der Kunden. Sie sind informierter denn je und können das Marktgeschehen beeinflussen wie noch niemals zuvor. Das versetzt sie in die Lage, das einzufordern, was ihnen schon seit Jahren versprochen wird: Wirklich der König zu sein. Die Folge ist, dass sich die Unternehmen immer konsequenter auf ihre Kunden ausrichten und sie immer stärker in den Mittelpunkt all ihrer Geschäftstätigkeit stellen. "Customer Centricity" lautet das Schlagwort, das dieses Phänomen beschreibt.

Diese Entwicklung macht das Marketing, in dessen Aufgabengebiet die Kundenorientierung fällt, zur zentralen Wachstumsmaschine vieler Unternehmen. Experten und Marktanalysten prognostizierten deshalb in der Vergangenheit, dass der Chief Marketing Officer (CMO) in den Unternehmen an Macht gewinnen wird und der Chief Information Officer (CIO) dadurch an Bedeutung verliert. So prophezeite etwa Gartner 2012, dass der CMO im Jahr 2017 mehr in IT investieren wird als der CIO.

Schnittmenge zwischen Marketing und IT ist deutlich gewachsen

Heute muss man jedoch konstatieren: Für eine derartige Machtverschiebung gibt es keinerlei Anzeichen. Ein Grund dafür ist, dass es auch in Zeiten von "Customer Centricity" immer noch mehr gibt als nur Marketing. Auf den Agenden der CIOs stehen nach wie vor zahlreiche Themen, die nichts mit Kundenthemen zu tun haben - seien es ERP-Systeme, die IT-Infrastruktur oder die IT-Sicherheit. Auch die Industrie 4.0, die derzeit viele Unternehmen umtreibt, wird nicht vom Marketing getrieben. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass laut aktuellen Marktzahlen die Marketing-relevanten IT-Ausgaben zwar in der Tat gestiegen sind, aber trotzdem nur einen geringen Anteil an den gesamten IT-Budgets ausmachen.

Außerdem führt der Bedeutungszuwachs des Marketings nicht zu einer Kannibalisierung der IT. Als Folge der Digitalisierung ist lediglich die Schnittmenge zwischen Marketing und IT deutlich größer geworden, als sie es früher einmal war. Natürlich erlauben es moderne Cloud-Technologien den CMOs theoretisch, ohne Unterstützung der IT SaaS-basierte Customer-Relationship-Management- oder Content-Management-Systeme anzuschaffen. Wenn sie dies jedoch tun, dann laufen sie Gefahr, Datensilos zu produzieren - und damit ihrem zentralen Ziel, einer besseren Kundenorientierung, einen Bärendienst zu erweisen.

Doppelte Datenhaltung und voneinander losgelöste Dateninseln sind nämlich der natürliche Feind einer guten "Customer Experience". Kunden sind schließlich wenig begeistert, wenn sie auf unterschiedlichen Kanälen immer wieder dieselben Informationen angeben müssen, oder wenn der Call-Center-Mitarbeiter bei ihrem Anruf keine Ahnung hat, von welchen Online-Shop-Bestellungen sie reden. "Customer Centricity" geht definitiv anders. Deshalb ist der CMO auf den CIO angewiesen - schließlich ist es dessen Aufgabe, Datensilos zu verhindern oder aufzulösen, und auch nur er verfügt über die nötigen Kompetenzen dazu.

CIOs sollten IT-Kompetenzen mit fachlichem Know-how paaren

Der Bedeutungszuwachs des Marketings schwächt den CIO also nicht. Ganz im Gegenteil: Er bietet ihm sogar die Chance, seine Position im Unternehmen zu stärken. Um diese Chance zu ergreifen, muss er sich allerdings verändern und sich auf die neuen Gegebenheiten einstellen. Er darf es nicht länger als seine Aufgabe betrachten, lediglich etwas Vorgegebenes IT-seitig umzusetzen; stattdessen gilt es für ihn, auch zu hinterfragen und zu wissen, warum etwas umgesetzt werden soll. Oder anders gesagt: Er sollte sich neben den technischen auch mit den fachlichen Anforderungen vertraut machen.

Kennt er beispielsweise den Business Case, der hinter dem Auftrag für ein neues Content-Management-System steht, kann er nicht nur eine technisch einwandfreie Lösung realisieren; er kann den CMO dann auch bereits von vornherein beraten, wie das System aussehen muss, damit es die vom Marketing avisierten Ziele optimal erfüllt. Und ihm unter Umständen technische Möglichkeiten dafür aufzeigen, die der CMO bislang noch gar nicht kannte. Paart der CIO seine IT-Kompetenzen mit fachlichem Know-how, wird er vom reinen "Enabler" zum Berater und geschäftskritischen Partner des CMO - und kann mit ihm so auf Augenhöhe agieren. (ba)