Cloud Computing hat in den letzten Jahren viele alte IT-Zöpfe abgeschnitten: Teure Vorratshaltung von Lizenzen, unübersichtliche Server-Stapel im Keller, stundenlang im Idle-Modus verharrende Server. Dank der Cloud werden ganze IT-Infrastrukturen nun mit wenigen Mausklicks konfiguriert, Server stehen unmittelbar zur Verfügung und wenn RAM, Storage oder Rechenleistung einmal knapp werden, lässt sich die Infrastruktur einfach nachjustieren und skalieren.
Viele Unternehmen möchten jedoch für einzelne Workloads dedizierte Server nutzen. Einige müssen es sogar, denn sie verarbeiten sensible Daten. Branchen wie Gesundheitswesen, Versicherung- und Finanzwirtschaft erfordern aus Compliance-Gründen dedizierte IT-Ressourcen. Zudem gibt es häufig zeitkritische Aufgaben, die mit hoher Priorität erledigt werden.
Unternehmen mit diesen Anforderungen möchten jederzeit eine bestimmte Menge an Ressourcen verfügbar haben, etwa dauerhaft 64 Kerne, mindestens 128 GB RAM oder nicht weniger als acht Terabyte Plattenplatz. Traditionell werden solche Anforderungen im Rechenzentrum durch dedizierte Hardware erfüllt - ein speziell für den Kunden reserviertes Gerät im Rack. Doch in Cloud-Infrastrukturen lassen sich solche Server nur schwer integrieren. Deshalb ist es für die Anbieter des Rechners in der Wolke eine naheliegende Idee, auch dedizierte Server in der Cloud zu virtualisieren. Solche Server werden mit dem Begriff "Virtual Locations" umschrieben.
Virtuell ist so ein Server, weil er sich aus Nutzersicht nicht von normalen Cloud-Servern unterscheidet. Er wird auf dieselbe Weise angefordert und bedient. Dediziert ist er, weil sich hinter der Softwareschicht tatsächlich eine einzelne Maschine mit genau definierten Parametern verbirgt. Das Konzept der Virtual Locations verbindet also den Look and Feel virtueller Infrastrukturen mit dedizierter Hardware.
So funktionieren Virtual Locations
Virtual Locations bieten eine direkte Verknüpfung zwischen dem vom Nutzer gebuchten Server und den darunter liegenden Ressourcen. Dabei wird dem virtuellen Gerät ein entsprechend großes physisches Gerät zugeordnet. Vereinfacht ausgedrückt, reserviert der Betreiber einen seiner Server im Rechenzentrum für einen einzelnen Kunden. Er verhält sich grundsätzlich wie alle anderen virtuellen Server, besitzt aber einen spezifischen "Ort" im Rechenzentrum des Cloud-Services.
Ein Service, der unter dem Namen "Virtual Locations" angeboten wird, kann unter der einfachen Benutzeroberfläche des Infrastrukturanbieters parallel zu den herkömmlichen virtuellen Servern gebucht werden und arbeitet nahtlos mit ihnen zusammen. Er steht auf der bekannten Benutzeroberfläche mit denselben Automatisierungsfunktionen bereit. Lediglich bei der Buchung ist keine minutengenaue, sondern eine tagesgenaue Abrechnung möglich. Die Nutzer haben dadurch grundsätzlich die bei Cloud-Services übliche Flexibilität, aber auch alle Vorteile von dedizierter Hardware.
Vorteile der Virtual Locations
Gegenüber den typischen virtuellen Cloud-Servern haben die virtuellen Orte einige Vorteile für Unternehmen mit besonderen Anforderungen an Datenhoheit und Compliance:
Sämtliche Ressourcen (CPUs, RAM, Storage) sind ausschließlich einem Kunden zugeordnet. Sie stehen jederzeit bereit und müssen nicht erst hochgefahren und zugeordnet werden.
Es ist denkbar, dass die zugeordneten Ressourcen Aufgaben erfüllen, die ein virtueller Server nicht beherrscht - etwa "Number Crunching", also komplexe und langwierige Berechnungen, die eine sehr hohe Rechenleistung erfordern. Virtual Locations auf speziellen High-Performance-Servern können die Verarbeitung rechenintensiver Aufgaben erheblich beschleunigen.
Die aktuellen Hypervisors der Provider bewältigen den gefürchteten "Noisy-Neighbor-Effekt" im Cloud Computing nicht vollständig. Darunter ist zu verstehen, dass ein Nutzer mehr der gemeinsam verwendeten Ressourcen beansprucht, als ihm zusteht, und so die anderen Nutzer beeinträchtigt. Ein System von Virtual Locations ist davon nicht betroffen, da die gesamte Rechenleistung genutzt wird und nicht durch hohe Auslastung von geteilten Ressourcen gestört wird.
Virtual Locations und virtuelle Server arbeiten problemlos in einer Infrastruktur zusammen; Ausfallsicherheit wird in diesem Szenario durch die Erweiterung der Virtual Location auf mehrere physische Server erreicht.
Nachteile der Virtual Locations
Virtual Locations sind die Cloud-Adaption eines klassischen Root-Servers. Sie können für die Nutzer im Vergleich mit einem virtuellen Server auch bestimmte Nachteile mit sich bringen.
Durch die reservierte Hardware entstehen im Vergleich zu virtuellen Servern höhere Stückkosten und ebenfalls höhere Gesamtkosten (TCO), da es keine minutengenaue Abrechnung gibt.
Zudem müssen die Nutzer auf den schnellen Start des Servers verzichten. Lediglich herkömmliche virtuelle Server können sofort gestartet werden, ansonsten ist mit einer Wartezeit zu rechnen.
Fazit
Virtual Locations ersetzen im IT-Alltag nicht die schnell und flexibel bereitgestellten virtuellen Server. Sie sind aber eine gute Ergänzung für geschäftskritische Workloads. Zudem helfen sie Unternehmen in stark regulierten Branchen dabei, Compliance-Anforderungen mit einer Cloud-Infrastruktur zu erfüllen. Doch die Abrechnung auf Tagesbasis und die Wartezeiten beim Hochfahren einer neuen Virtual Location erhöhen sowohl die Stückkosten als auch die TCO. Die dedizierten Server richten sich also in erster Linie an Unternehmen, die genau eine solche Lösung brauchen. (jd)