Noch im vergangenen Herbst sagte VMware-Chef Pat Gelsinger: "Größe ist heute zweitrangig - Schnelligkeit entscheidet." Doch inzwischen scheint sich bei VMware eine andere Erkenntnis durchzusetzen. "Wir haben nicht die Größe und die Infrastruktur, um im globalen Cloud-Geschäft an vorderster Front mitspielen zu können", sagte VMwares COO Carl Eschenbach jetzt auf einer IBM-Veranstaltung in Las Vegas. Anlass war die neue Cloud-Kooperation mit IBM, mit der man sich besser gegenüber den Cloud-Schwergewichten Amazon, Microsoft und Google positionieren will. Größe ist im Cloud-Geschäft wichtig, denn nach dem Gesetz der großen Zahlen verbessern sich die relativen Kosteneinsparungen einer IT-Infrastruktur, je mehr Rechenleistung darüber abgewickelt wird. Das ist der Hauptgrund dafür, dass Amazon Web Services (AWS) fortlaufend seine Preise senken kann.
Google als Cloud-Partner
VMware war schon lange auf der Suche nach einem bedeutenden globalen Cloud-Partner. Auf der VMworld im vergangenen November sprach Gelsinger von einer "langfristigen Kooperation mit Google". Hintergrund dafür war die bestehende Zusammenarbeit beim vCloud-Hosting. Doch mit Google als Cloud-Partner gibt es bei den CIOs keinen Image-Gewinn, denn für sie hat die Google-Cloud den Beigeschmack eines auf End User ausgerichteten Angebots. Das liegt vor allem daran, dass Google viele seiner Service-Angebote kurzfristig wieder eingestellt hat und folglich als unzuverlässiger Partner angesehen wird. Daran ändern auch die jüngsten Erfolge, wie das Abwerben von Spotify von der AWS-Plattform, nur wenig. "Spotify ist kein Maßstab für etablierte Business-Anwender", sagt Forrester-Analyst Robert Stroud. "Der Musikdienst entstand auf der grünen Wiese und hatte von Anfang an seine gesamte IT in der Cloud. In etablierten Unternehmen sind dagegen hybride Cloud-Lösungen ein Muss - und hier haben vor allem Microsoft, IBM, VMware und inzwischen auch Salesforce die Nase vorne."
Die Zukunft ist hybrid
Genau an diesem Punkt setzt IBM mit seiner Cloud-Strategie an: "Wir unterstützen vor allem den Aufbau einer Hybrid Cloud, denn das ist es, was 80 Prozent der großen Firmen anstreben", sagt IBMs Cloud-Chef Robert LeBlanc und beruft sich dabei auf eine hausinterne Untersuchung. Doch der Begriff Hybrid-Cloud ist sehr schwammig. Wer seine gesamte IT in die Cloud verschiebt, aber noch mit Excel und PowerPoint auf dem PC oder Laptop arbeitet, hat streng genommen eine Hybrid Cloud. Aber auch wenn alles im eigenen Rechenzentrum läuft und nur ein paar Entwickler auf Amazon arbeiten, handelt es sich um eine Hybrid Cloud. Klar also, dass praktisch alle gewachsenen IT-Installationen früher oder später in einer Hybrid Cloud enden werden. Die Marktforscher von MarketsandMarkets untermauern das mit Zahlen. In den nächsten drei Jahren soll es ein jährliches Wachstum von 27 Prozent geben, womit der Hybrid-Cloud-Markt dann von 25 Milliarden Dollar in 2014 auf 85 Milliarden Dollar in 2019 anwachsen würde.
Amazon kein Pure-Player mehr
Dass Hybrid die Cloud-Zukunft ist, weiß man auch bei Amazon und wehrt sich deshalb gegen die Dauerkritik, dass AWS nur für ein puristisches "One-Cloud-Fits-All" geeignet sei. Schon seit einigen Jahren wird die AWS-Plattform immer stärker von Firmen genutzt, die auf eine traditionelle IT-Nutzung zurückblicken und nur mit einer Hybrid-Cloud-Umgebung arbeiten können. "Es gibt viele individuelle Anwendungen, die noch auf Jahre hinaus inhouse betrieben werden müssen", bestätigte Amazons AWS-Chef Andy Jassy schon vor geraumer Zeit.
Schwieriger Cloud-Wildwuchs
Doch in der Praxis es gibt noch eine weitere "hybride Struktur": in vielen Firmen ist nämlich ein Wildwuchs an Cloud-Nutzungen entstanden. Laut Oracles Co-CEO Mark Hurd arbeiten viele Großunternehmen mit mehr als 20 Cloud-Providern. "Wichtiger als die Frage, was verbleibt im Haus, und was geht in die Cloud, ist die Frage, wie konsolidiere ich das, was schon in der Cloud ist", sagt er über seine Erfahrungen im Gespräch mit Kunden. Dieser Wildwuchs ist besonders schwierig zu konsolidieren. Denn manchmal weiß das IT-Management gar nichts von einer eigenmächtig eingerichteten Cloud-Nutzung. Und selbst wenn es bekannt ist, gestaltet sich eine Datenkonsolidierung und -synchronisierung schwierig, weil die Cloud-Anbieter dann die altbekannten proprietären Argumente vorbringen: "Am einfachsten ist es, wenn alle Cloud-Anwendungen komplett bei uns laufen - dann gibt es keine Kompatibilitätsprobleme." (wh)