Haltet den Dieb! So schreien es die Lenker großer US-Tech-Majors den Finanzmärkten zu und meinen damit die NSA-Affäre, die ihnen angeblich die Geschäftszahlen ruiniert. Cisco hat allerdings gerade bei der Vorlage seiner Quartalszahlen bewiesen, dass dem gar nicht so ist. Weltweit war der Umsatz um knapp acht Prozent rückläufig, und das auch nur auf Kosten des Gewinns, es war also auf der Vertriebsseite sehr teuer überhaupt an diesen Punkt zu gelangen. Die Umsatzrückgänge in Nord- und Südamerika lagen sogar bei fast 13 Prozent. Es muss also andere Gründe als die NSA geben. Und die sind hausgemacht. Denn Cisco hat wie viele andere unterschätzt, welche Veränderungen das Thema Cloud Computing direkt und indirekt mit sich bringen wird.
Cisco entkoppelt sich von der Konjunktur
Cisco galt bisher als einer der Gradmesser für die Entwicklung der weltweiten Konjunktur. Die Formel war ganz einfach. Geht es den Unternehmen gut und wachsen diese, dann investieren sie in Router und Switches des US-Giganten. Dafür taugt Cisco allerdings mittlerweile nicht mehr. Die Umsätze von Cisco korrelieren nicht mehr, oder nur noch sehr bedingt mit der globalen Konjunktur. Denn mittlerweile allokieren sich Investitionen im IT-Markt anders. Mit dem steigenden Anteil von Cloud Computing werden immer mehr Rechenzentren durch große Cloud-Service-Provider gebaut. Diese allerdings setzen verstärkt auf eigene Architekturen und Hardware-Komponenten. Fast alle großen Technologie-Anbieter haben dies schon zu spüren bekommen. IBM hat schon die Konsequenzen gezogen und sich vom Standardserver-Geschäft getrennt. Und das von Facebook initiierte Open Compute Project durfte sich gerade erst über ein prominentes Neumitglied freuen: Microsoft. Crisp Research geht zudem davon aus, dass sich dieser Trend noch verstärken wird. Es besteht also für viele Anbieter die Gefahr zwischen Open Stack, Open Compute und dem Do-It-Yourself Trend zerrieben zu werden.
Erschwerend kommt hinzu, dass diese Data-Center hochgradig virtualisiert sind und zwar nicht nur Server-seitig, sondern auch auf der Netzwerkseite. Die Software ist also der wichtigste Faktor. Welche Switches und Router darunter eingesetzt werden wird zunehmend zweitrangig. Und das bekommt Cisco nun mit aller Härte zu spüren. In den Segmenten Router und Switches sind die Umsatzrückgänge überproportional.
Internet of Things als Heilsbringer
Cisco sieht seine Chancen in der Zukunft, wie viele andere, daher wohl auch nicht im Datacenter sondern vielmehr im Internet of Things. Zu Recht, denn es ist absehbar, dass die Vernetzung von Devices, Sensoren und Maschinen ein Multi-Milliarden Markt in den kommenden Jahren sein wird. Passend dazu hat Cisco neben der Bekanntgabe der Quartalszahlen zudem angekündigt in diesen Bereich verstärkt zu investieren. 100 Millionen Dollar soll der Fonds schwer werden mit dem Cisco in Start-Ups im diesem Umfeld investieren möchte. Die Voraussetzungen für Cisco sind in diesem Umfeld erst einmal gut, läuft doch ein Großteil des weltweiten Datenverkehrs über die Produkte der US-Amerikaner. Das alles ist allerdings Zukunftsmusik und wird in den nächsten ein bis zwei Jahren keine signifikanten Umsatzbeiträge liefern. Zumindest nicht im notwendigen Umfang um CEO John Chambers den Rücken freizuhalten und die Finanzmärkte zu beruhigen.
Akquisitionen in Wachstumsfelder
In der Zwischenzeit investiert Cisco zügig in den Zukauf von Unternehmen, die andere Produktsparten des Konzerns stärken sollen. Mit den Akquisitionen von WhipTail Technologies, Collaborate.com, und Insieme Networks investiert Cisco in die Geschäftsfelder "Datacenter", "Collaboration" und in das Thema Software Defined Network. Es steht allerding zu befürchten, dass die Rückgänge in den Bereichen Router und Switches, die für fast 50 Prozent der Umsätze stehen, größer sein werden.
Cisco steht also wie viele andere große Anbieter vor harten Zeiten und starken Veränderungen. (jha)