IT-Outsourcing ist vieles, aber oftmals kein Weg ins Glück. "Trotz der großen Marktrelevanz betrachten übereinstimmend Kunden wie Anbieter die Zusammenarbeit bei laufenden Outsourcing-Verträgen derzeit kritisch", sagen Thomas Fojuth und Christian Weitzel, Analysten der Experton Group. "Das gilt selbst dann, wenn beide Seiten mit dem abgeschlossenen Auswahlverfahren und dem Vertrag zufrieden sind."
Gemeinsam mit ihrem Experton-Kollegen Andreas Zilch analysieren die beiden in einer Artikelserie die Erfolgsparameter Vertragsmanagement und IT-Governance. Hilfreich aus Anwendersicht ist dabei, dass das Trio dabei 16 konkrete Tipps gibt.
Anwender fühlen sich getäuscht
Typischerweise erscheint nach Experton-Beobachtung in der ersten Outsourcing-Phase der Due Diligence und des Vertragsabschlusses noch alles wunderbar. Bereits während der Transition und Transformation verlieren wegen der beinahe unvermeidlichen Hürden insbesondere jene Unternehmen die Nerven, die erstmals auslagern. Der Anpassungsbedarf während der normalen Vertragslaufzeit führt dann häufig genug zu Unzufriedenheit, gar Unmut. "Der Kunde fühlt sich dadurch in seiner Kalkulation getäuscht und findet nie zu einer 'ruhigen', regulären Vertragsphase", erläutern die Analysten.
Im Kern wirbt Experton darum, bei den eigenen Erwartungen auch die Sichtweise des Anbieters zu berücksichtigen. Empathie ist selbstverständlich immer hilfreich, um Beziehungen erfolgreich zu leben. "Hat der Kunde zu Beginn der Zusammenarbeit die Vertragsgestaltung auf die leichte Schulter genommen oder gar die Vorlagen des Anbieters nicht eingehend geprüft, steht er bei Änderungen im Alltagsgeschäft meist auf verlorenem Posten", so Experton. "Das nimmt er dem Anbieter dann übel - oft ohne sich seinen Eigenanteil am Dilemma einzugestehen."
- 1. Richtige Preise
Der Preis sollte für beide Seiten akzeptabel sein. "Outsourcing-Experten können Ihnen helfen, die richtige Balance zwischen optimalem Preis und Auswirkungen auf die Servicequalität zu finden", rät Experton. - 2. Leistungsfähigkeit überprüfen
Anwender sollten wissen, inwieweit die Vertragsziele den Provider überfordern könnten. Besonders bei globalen Outsourcing-Vorhaben müsse sichergestellt sein, dass der geforderte Service in allen Ländern verfügbar ist. - 4. Realistische Service Level
Nur so viel wie nötig, lautet die Devise. Prägnantes Beispiel der Analysten: Braucht der Arbeitsplatz einer Empfangssekretärin wirklich 99,999 Prozent Verfügbarkeit pro Monat? - 5. Kontrollgrenzen beachten
"Vereinbaren Sie nur so viele Service Level, wie Sie realistisch überwachen können", so Experton. Sonst schleiche sich Schlendrian ein, und der Anbieter nutze die Situation womöglich aus. - 6. Auf Messbarkeit achten
Die vorgeschlagene Messmethode gilt es sorgfältig zu prüfen. - 7. Keine falschen Melkkühe
Haftungsregeln und Mangelansprüche sind laut Experton nicht dazu da, um Geld zu verdienen. Soll heißen: Man fährt besser, wenn man sich gegenseitig bei der Einhaltung der Vertragsziele unterstützt und nicht an der falschen Stelle kassieren will. - 8. Flexible Kapazitäten
Es sollten vertragliche Regelungen dafür bestehen, wenn sich die abgenommenen Mengen ändern - auch dafür, dass weniger Ressourcen benötigt werden. - 9. Richtige Referenzgespräche
"Sie wollen nicht mit den Kunden sprechen, wo alles toll ist und gut funktioniert", schreibt Experton ins Anwenderstammbuch. "Sie wollen vor allem mit den Kunden sprechen, wo die Servicequalität leidet und der Provider Schwierigkeiten hat." - 9 Tipps fürs Vertragsmanagement
Basis für Zufriedenheit sei eine echte Zusammenarbeit zwischen Anwender und Provider von Beginn an. Eine gemeinsame Bestandsaufnahme sei ebenso wichtig wie die Definition der Unternehmensziele in Bezug auf das Outsourcing. Zentral sei außerdem, dass die Anwender immer in die Prozesse involviert werden. Neun Ratschläge haben die Experten für das Vertragsmanagement parat, mit denen sich dauerhaft eine gute Servicequalität erreichen lässt. - 3.Vorsicht bei Externen
Laut Experton sollten Anwender sicherstellen, dass der Outsourcing-Dienstleister nur dann Dritte mit der Leistungserbringung beauftragt, wenn man sich von deren Leistungsfähigkeit überzeugt hat. Für diesen Fall sollten im Vertrag besondere Regelungen bei Schlechtleistung vorgesehen sein.
Irrglaube: Governance senkt Kosten
Im Feld der IT-Governance zieht Experton mit Verve gegen Fehleinschätzungen zu Felde. Ein "weit verbreiteter Irrglaube" besagt, dass sich mit Hilfe von IT-Governance die Kosten drücken lassen. Angesichts der Sparvorgaben, mit denen die CIOs weithin arbeiten lassen, klinge dies "überzeugend und verlockend". Die Aussage verwechsle jedoch Ursache und Wirkung. "Führen Einsparungen zur Umsatzreduzierung, verfehlt die Kostenreduzierung ihr Ziel", so Experton. "Ein Übermaß oder zu enge Governance hat im Einzelfall oft den gegenteiligen Effekt."
Standardisierung oft "gnadenlos"
Unter den Vorzeichen "gnadenloser Standardisierung" sei die IT-Governance oftmals zu starr. Einzellösungen und Investitionen würden blockiert, was zu letztlich teuren Changes und Umgehungsstrategien führe.
Überzogene Standardisierung
Gefährlich sei außerdem übertriebene Zentralisierung. "Die für IT-Governance heute typische gesamtheitliche Zentralsicht kann aus Sicht des lokalen Managers die lokalen Ziele gefährden", warnt Experton. "Bei schlecht ausgestalteter oder gelebter IT-Governance ist so ein Vorbehalt berechtigt und damit ein Killer des gesamten Ansatzes."
In der Praxis beobachten die Analysten verschiedene IT-Governance-Probleme beim Outsourcing. Ignoranz des Themas könne dazu führen, dass über die tatsächlichen Themen und wichtigen Rahmenbedingungen nicht oder oft zu spät gesprochen werde. So sei es etwa dem CIO einer Bank ergangen. Ein Pharmaunternehmen habe demgegenüber die harte Lektion lernen müssen, dass mit der Auslagerung der IT ein kompletter Wandel der bisherigen "Ja-Sager-Kultur" zu einer "Ansager-Kultur" gegenüber dem Dienstleister stattfinden musste.
- 1. Gesunder Menschenverstand
Die IT-Governance muss klar verständlich und preisgünstig umsetzbar sein. Testfrage: Würden Sie selbst die IT Governance verstehen und umsetzen wollen? - 2. Frühzeitige Organisation
Wenn es noch keine Governance-Organisation im Unternehmen gibt, sollte sie laut Experton mindestens ein Jahr vor einem großen Outsourcing-Vorhaben geschaffen werden. Testfrage: Sind IT-Abteilung und interne Anwender schon an Vorgaben und Kontrolle durch die IT-Governance gewöhnt? - 3. Governance vor Vereinbarung
Die IT-Governance sollte stehen, bevor das Outsourcing startet. Testfrage: Sind die neuen Regeln und Prozesse bereits überall bekannt und werden sie gelebt? - 4. Aktivitäten im Vorfeld
Die Governance-Organisation sollte bereits während der Ausschreibungs- und Vergabephase beteiligt werden. Testfragen: Hat die Governance-Organisation bereits Input zur Ausschreibung geleistet? Hat sie bereits Anpassungen ihrer Vorgaben und Prozesse im Hinblick auf das Outsourcing vorgenommen? - 5. Rasche Einbindung
Die übrige bleibende IT-Abteilung sollte auch frühzeitig in den Outsourcing-Prozess eingebunden werden. Vor allem in der Transitions- und Transformationsphase, so Experton. Testfragen: Sind Personal, Aufgaben und Rollen der Retained Organisation bereits klar definiert? Ist sie vom Kick-Off an in alle Gremien und Prozesse fest eingebunden? - 6. Gelebte Kultur
Die neue Governance-Kultur sollte konsequent gelebt und umgesetzt werden. Testfragen: Haben Sie Sanktionen für Verstöße definiert? Haben Sie in den ersten drei Monaten nach Einführung gezielt nach Verstößen gesucht und diese behoben? Weiß jeder Anwender und für Sie tätige Mitarbeiter des Anbieters genau, welche Regeln er einhalten muss? - 7. Kontrolle unumgänglich
Key Performance Indicators (KPIs) und Service Level Agreements (SLAs) müssen nach Umsetzung der Transaktion eingehalten, regelmäßig überprüft und anschaulich berichtet werden. "Sonst nützt die schönste IT Governance nichts", warnt Experton. Testfragen: Haben Sie genaue Berichtsvorgaben für die SLA definiert? Wird die Einhaltung aller KPI durch dedizierte Mitarbeiter der Retained Organisation regelmäßig und gezielt nachgeprüft?