Startup-Visitenkarten

CEO oder nicht CEO - das ist hier die Frage!

07.04.2019
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Marc Zacherl ist Co-Founder von Vectornator Pro, eine professionelle vektorbasierte Grafikdesign Software für iOS. Er verfügt über langjährige Projekterfahrung in diversen IT-Projekten und war die letzten Jahre als Department Manager bei einem unabhängigen Beratungsunternehmen tätig. Marc Zacherl ist Speaker, Autor, Entrepreneur, Lehrbeauftragter an der Hochschule in Karlsruhe und an der Hochschule für Technik in Stuttgart sowie als Mentor und Coach für Start-ups aktiv.
Für viele Gründer ist es wichtig, als CEO angesehen zu werden. Dabei wissen sie oft überhaupt nicht, was das eigentlich bedeutet.

Viele Startup-Gründer legen vor allem auf eines extrem großen Wert: den Jobtitel, der auf ihrer Visitenkarte prangt. Das habe ich in der Vergangenheit schon oft erlebt. Auf dem kleinen Kärtchen soll auf jeden Fall eine Führungsposition stehen - am liebsten "CEO". In goldenen Lettern wenn es geht.

Hauptsache CEO?
Hauptsache CEO?
Foto: Jirsak - shutterstock.com

Für viele Gründer ist es wichtig, dass sie als CEO angesehen werden. Dabei wissen sie oft überhaupt nicht, was ein CEO zu leisten hat. Oder dass ein Chief Executive Officer bei einer GmbH auch mit seinem Privatvermögen haftet. Zumindest wenn bei der Vertragsgestaltung gewisse Details nicht berücksichtigt wurden. (Deswegen bedeutet GmbH auch Gesellschaft mit "beschränkter" Haftung und nicht Gesellschaft "ohne" Haftung.)

Kein CEO fällt vom Himmel

Ist es also wirklich wichtig, welcher Titel auf der Visitenkarte steht? Oder wäre es nicht wichtiger, dass die Rolle, die auf der Karte zu lesen ist, auch zu 100 Prozent mit Kompetenz abgedeckt ist? So, dass auch in Stresssituationen im Interesse des Unternehmens gehandelt wird?

Beispiel-Visitenkarten
Beispiel-Visitenkarten

Schauen Sie sich diese drei Visitenkarten an und überlegen Sie sich, welcher Titel Ihnen am meisten zusagt. Ich glaube, dass die meisten von Ihnen spontan die Visitenkarte mit dem Titel CEO wählen. Wieso? Weil es offenbar - auch für junge Unternehmer - nichts Schöneres gibt, als sagen zu können: "Ich bin der Chef dieses Unternehmens, meine Mitarbeiter müssen tun, was ich sage."

Meine Meinung: Darauf kommt es gar nicht an! Sondern darauf, dass jeder das tut, was er am besten kann und in einem Bereich arbeitet, in dem er seine Stärken ausspielen kann und jederzeit mit voller Überzeugung im Interesse des Unternehmens agieren wird. Ein Unternehmen wird nur erfolgreich, wenn jeder in der Rolle arbeitet, die er beherrscht und die er sich auch zutraut. Wieso also aus einem sehr guten Entwickler einen schlechten CEO machen, oder aus einem sehr guten Vertriebler einen schlechten Entwickler?

Jeder sollte morgens aufwachen, in den Spiegel schauen und begeistert davon sein, dass auch heute wieder Aufgaben auf ihn zukommen, die er beherrscht. Dabei ist es ein Unterschied, ob es Aufgaben sind, in denen ich routiniert bin oder Aufgaben, die ich zwar gerne machen würde, jedoch nicht kenne oder auch nicht weiß, wie ich sie auszuführen habe. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen - aber gerade Startups sollte man so aufstellen, dass alle Kompetenzen gut abgedeckt sind. Gerade zu Beginn, wenn sich das Unternehmen im Aufbau befindet und wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen.

Meiner Meinung nach wird das Team dann erfolgreich sein, wenn jeder perfekt in die Rolle schlüpfen kann, die auf seiner Visitenkarte steht. Jeder lernt dazu, jeder entwickelt sich weiter und jeder hat die Möglichkeit, vielleicht später in die Rolle des CEO zu schlüpfen. Meiner Meinung nach aber auf keinen Fall zu früh. Außer man hat hat einen Coach oder Mentor zur Seite, der unterstützt und Hinweise darauf gibt, was zu leisten ist. Oder gleich gewisse Arbeiten übernimmt.

Wie Sie Stresssituationen gelassen meistern

Jeder Mitarbeiter im Startup möchte sich in der sogenannten "sicheren Zone" befinden. In dieser Zone fühlt er sich wohl und geborgen. Das gilt auch für die Aufgaben, die er zu bewältigen hat: Er weiß es, er kann es, er ist routiniert. Sobald ein Mitarbeiter diese Zone verlässt, gerät er in die sogenannte "Gefahrenzone". In dieser Zone fühlt er sich nicht mehr sicher, weiß nicht genau, wie er seine Aufgaben meistern soll und macht unter Umständen gravierende Fehler, die das ganze Startup in den Ruin treiben können.

Jeder sollte Fehler machen dürfen, denn Fehler können stärker und sicherer machen. Jedoch kommt es immer darauf an, welche Fehler es sind - sind es nur Entwicklungsfehler oder handelt es sich dabei um eine Unterschrift auf einem entscheidenden Vertrag?

Wenn man seine Rolle beherrscht und Erfahrung und Kompetenz vorweisen kann, bleibt man auch in entscheidenden Situationen oder in Stresssituationen ruhig. Warum? Weil man ganz genau weiß, wie die Lösung aussehen muss und weil man durch seine Kompetenzen besser darauf reagieren kann, ohne direkt in Panik zu geraten.

Doch viele Menschen geraten schnell in Panik: weil sie etwas nicht gewohnt sind, weil sie die Situation nicht einschätzen können oder schlicht nicht wissen, wie sie reagieren sollen. Ein Tipp: Schauen Sie sich mal den Wurf von Dirk Nowitzki an. Er wirft den Ball immer genau gleich und winkelt dabei meistens ein Bein an. Das macht er jedes Mal - egal, ob der Wurf bei einem 0:0 ausgeführt wird oder ob es gerade 80:80 steht und der Wurf über Sieg oder Niederlage (oder Unentschieden) entscheiden wird. Wieso macht er das? Weil er es gewohnt ist, weil er es ständig macht - weil es ihm Sicherheit gibt. Er weiß ganz genau, wie er reagieren muss, jedes Mal, auch in Stresssituationen.

Jeder sollte sich also genau überlegen, wo seine persönlichen Stärken und Schwächen liegen. Es ist nicht wichtig, jede Schwäche zu verbessern oder gar auszumerzen. Wichtig ist nur, sich darüber Gedanken zu machen. Soll ich lieber meine Stärken weiter ausbauen? Oder will ich gewisse Schwächen die mich belasten zu meinen künftigen Stärken machen? Wenn Sie sich diese Fragen stellen, können Sie nicht nur selbst davon profitieren - sondern auch Ihr Startup.

Außenwirkung vs. Wahrnehmung

Die gesündeste Sichtweise ist wohl: Es ist mir egal, was andere über mich denken oder sagen. Jedoch muss sich diese Einstellung meiner Meinung nach ändern, wenn man ein Startup vertritt. Denn: Was ist wichtiger als der Kunde?

Der Jobtitel der auf der Visitenkarte zu lesen ist, entscheidet darüber, wie ein Mitarbeiter wahrgenommen wird. Das Worst-Case-Szenario: Das Gegenüber erkennt, dass die Kompetenzen in dieser Rolle nicht ersichtlich sind und der Mitarbeiter sich nicht auf Augenhöhe über bestimmte Themen austauschen kann.

Nicht ohne Grund gibt es das Sprichwort: "Gleich und Gleich gesellt sich gern." Auf Unternehmensebene bedeutet das: Entwickler unterhalten sich gerne mit Entwicklern und CEOs gerne mit CEOs. Umso besser, wenn jeder in der Rolle arbeitet, in die er komplett eintauchen kann, um auf Augenhöhe mit der anderen Seite zu kommunizieren. Und nicht zuletzt, damit er auch die Schwächen des Gegenübers erkennen kann. Der chinesische Philosoph Sunzi schreibt in seinem Buch "Die Kunst des Krieges": "Wenn Du die Schwächen des anderen und Deine Stärken erkennst, brauchst Du Dir keine Gedanken über den Ausgang machen." Natürlich würden sich viele lieber mit einem CEO unterhalten - allerdings sollte man selbst am besten einschätzen können, ob man diese Rolle auch wirklich ausfüllen kann.

Es ist nicht wichtig, welcher Titel auf der Visitenkarte steht. Es kommt darauf an, was für ein Mensch dahinter steht. Was kann er, was sind seine Kompetenzen, Stärken und Schwächen? Wer bereit ist, an sich selbst zu arbeiten, bei dem wird früher oder später auch ein anderer Jobtitel auf der Visitenkarte stehen - wenn man das dann überhaupt noch möchte. Den irgendwann erkennen die meisten Menschen, dass auch im Fall der drei ersehnten Buchstaben "CEO" nicht alles Gold ist, was glänzt. (fm)