Die Analysten von Gartner folgten beim diesjährigen Symposium dem seit Jahren bewährten Erfolgsrezept, wonach es allgemeine Buzzwörter und Hype-Themen aufgreift und den Teilnehmern dazu Rat und Hilfestellung verspricht. So ging es bei den rund 300 verschiedenen Präsentationen um das, was allgemein die IT-Diskussionen beherrscht: IoT, Algorithmen, die Digitalisierung vieler Branchen und Geschäftsmodelle, die IT-Sicherheit, die neuen IT-Plattformen, das Managen von kreativen Mitarbeitern und Teams sowie die zukünftige Rolle der IT-Chefs in den neuen Umgebungen. Natürlich gab es für keinen dieser Problem-Fälle eine allgemein anwendbare Wunder-Lösung - darf es ja auch nicht, denn dann kaufen die Firmen ja keine Beratungsleistung mehr ein.
Hype Cycle: Cloud Computing
Trotzdem ist es ist immer wieder interessant, zu hören, wie die Gartner-Analysten bestimmte Trends einschätzen und welchen Einflussfaktoren sie besondere Beachtung schenken. Nehmen wir als Beispiel Cloud-Computing. Ein Thema, das jahrelang auf den ersten Plätzen von Gartners Toppten-Liste zu finden war. In diesem Jahr gab es nur eine kleine Präsentation dazu in einem offenen Präsentationsforum, mitten im Ausstellungsbereich.
Inhaltlich ging es darum, wo sich die einzelnen Cloud-Segmente gegenwärtig auf der Hype-Kurve befinden. SaaS und Virtualisierung stehen kurz vor der finalen Normalisierung, Public Cloud Storage und Cloud-Testing haben den Tiefpunkt der Desillusion erreicht, Cloud Office und Cloud API stehen an der Hype-Spitze und zu den interessanten Neueinsteigern gehören unter anderen Container, IoT-Plattformen und Subtenancy.
Diese kleine Aufzählung macht deutlich, warum Cloud-Computing nicht mehr die Diskussionen beherrscht: Es gibt eine verwirrende Vielfalt an Angeboten, die sich alle irgendwie mit dem Cloud-Etikette schmücken wollen. Und so lieferte Gartner-Analyst David Smith auch gleich eine neue Definition von "ByoD" für Cloud-Computing. Statt "Bring Your Own Device meint er damit Bring Your Own Definition. "Wenn man vier IT-Chefs zum Thema Cloud befragt, bekommt man mindestens acht Antworten", war sein Kommentar über das Spektrum dieser Rechen- und Storage-Architektur.
- Großer Zulauf
Zu Gartners Symposium-ITxpo in Orlando kamen in diesem Jahr 8500 Teilnehmer, darunter 3000 CIOs. Gartners-Analysten geben über 300 Vorträge. - Gartner-Analyst George Spafford ...
... ging in seinem Vortrag auf das besondere Spannungsverhältnis von Entwicklern und Infrastruktur-Verantwortlichen ein: "Der Konflikt ist ein Naturgesetz. Entwickler sollen immer alles ganz schnell fertig haben und sind somit bereit Funktions- und Ablaufrisiken in Kauf zu nehmen." - Sein Kollege Nathan Wilson ...
... pflichtete ihm bei. - Impressionen
Es folgen - unkommentiert - einige Eindrücke der Veranstaltung ... - Impressionen
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Folglich sind auch die Markterhebungen mit Vorsicht zu genießen. Smith berichtete von einer Studie, wonach nur zehn Prozent der befragten CIOs sagen, dass sie die Cloud intensiv nutzen und innovative Projekte damit realisieren. Doppelt so viele, also 20 Prozent, meinen dagegen, dass sie die Cloud noch immer nicht verstanden haben und mit vielen Anfangsschwierigkeiten kämpfen. Die meisten, nämlich 40 Prozent, befinden sich in der Anfangsphase und versuchen für das weitere Vorgehen eine Strategie zu entwickeln. Smiths Ratschläge an die IT-Chefs hatte dann zum Schluss einen klaren Absicherungstipp: "Entwickle eine Exit-Strategie für veraltete Cloud-Dienste!"
IoT und Algorithmen
Da die Wolken vom Gartner-Radar verschwunden sind, konnten IoT und Algorithmen die frei werdenden Redezeiten und Räume füllen. Es gab praktisch keine große Präsentation, in der nicht die trendigen Beispiele, Zahlen und Argumente aus den Eröffnungsreden wiederholt wurden. Selbst bei einem Ausblick auf die zukünftige Software-Entwicklung gab es zunächst Hinweise auf die "brennenden IT-Probleme": IoT, digitales Marketing, Algorithmen-Business und Smart-Machines.
- 10 Technologie-Trends für 2016
Welche Trends prägen IT und Technik im kommenden Jahr – diese Frage beantwortet jetzt der US-Marktforscher Gartner in dem Papier „Gartner identifies the top 10 strategic technology trends for 2016“. - 1. Endgeräte-Mischmasch
Gartner fasst unter diesem Punkt die wachsende Menge mobiler Geräte zusammen. Es geht dabei nicht nur um Smartphone und iPad, sondern auch um Wearables (etwa zum persönlichen Gesundheits-Management), klassische Consumer-Geräte und Devices für das vernetzte Zuhause sowie Geräte im Zusammenhang mit dem Internet der Dinge. Aufgabe von Anbietern jeglicher Services und Gadgets ist es, die Interoperabilität dieses Mischmasch zu ermöglichen. - 2. Erfassung der unmittelbaren Umgebung
Die Welt ist immer weniger, was sie scheint – beziehungsweise die IT verändert die Wahrnehmung dieser Welt in Richtung Augmented Reality und virtuelle Welten. Noch aber stehen der genussvollen Nutzererfahrung Medienbrüche im Wege. Unter den unabhängigen Software-Vendoren werden sich bis 2018 die durchsetzen, die diese Medienbrüche am besten kitten können. - 3. 3D-Druck
Längst geht es bei 3D-Druck nicht mehr nur um Dinge wie Ersatzteile für Maschinen. Tüftler sprechen bereits von biologischem Material wie etwa menschlicher Haut, die per 3D-Druck hergestellt werden kann. Gartner erwartet im allerdings schwammig formulierten Segment „3D-druckfähige Materialien“ bis 2019 ein jährliches Wachstum von 64 Prozent. - 4. Ordnung in der allumfassenden Information
Inhaltliche Daten etwa aus Dokumenten, Audiodaten, Videodaten, Daten von Sensoren – die ganze Welt wird datentechnisch erfasst, aber noch fehlen Menschen, die diese Daten in nützliche Zusammenhänge setzen. Diese Menschen brauchen semantische Tools. Gartner schreibt „Information of Everything“ bereits als eine Art neuer Strategie aus, die dieses Thema angehen wird. - 5. Lernende Maschinen
In seinen „Robotermärchen“ schreibt der polnische Autor Stanislav Lem über die Urweltmaschinen, die die denkenden Maschinen erzeugten, die wiederum die gescheiten Maschinen erzeugten bis zu den vollkommenen Maschinen. Gartner scheint einer ähnlichen Logik zu folgen. Smarte Maschinen werden das klassische Computing hinter sich lassen und mittels Deep Neural Nets (DNN) selbstständig lernen können. - 7. Lernfähige Sicherheitsarchitekturen
Während CIOs zunehmend Cloud nutzen und offene Schnittstellen schaffen, um Partner, Lieferanten und Kunden besser zu integrieren, schläft auch die Hacker-Branche nicht. In Sachen Security müssen sich Unternehmen lernfähiger zeigen. - 8. Lernfähige System-Architekturen
Was für die Sicherheits-Architekturen gilt, betrifft auch die System-Architekturen. Gartner schreibt von neuro-morphologischen Architekturen, die das Zusammenspiel all der Hardware (stationär und mobile) und den Daten von Sensoren und aus anderen Quellen ermöglichen soll. CIOs werden verstärkt mit Field-programmable Gate Arrays (FPGAs) operieren. Salopp formuliert: Die IT-Systeme gleichen sich immer stärker der Funktionsweise eines menschlichen Gehirns an. - 9. App und Services-Architekturen
Die Zeit monolithischen Anwendungs-Designs ist vorbei. Die Architektur der Zukunft orientiert sich an Apps und Services. Sie funktioniert Software-definiert und soll dadurch mehr Agilität und Flexibilität ermöglichen. Stichworte sind hier Microservices und Container. - 10. Plattformen für das Internet der Dinge
Die genannten neuen Architekturen erfordern neue Plattformen, das Internet der Dinge steuert weitere Anforderungen bei. CIOs müssen ihre aktuellen Plattformen überprüfen, was keine leichte Aufgabe sein wird, so Gartner. Denn: Der Anbietermarkt für geeignete Plattformen ist schwer zu durchschauen, von Standardisierung kann bei diesem ganzen Thema noch keine Rede sein. Vor 2018 wird das auch nicht besser, schätzt Gartner.
Doch wenn man diesen Vorspann hinter sich hatte gab es durchaus Interessantes. Beispielsweise ein Hinweis auf die Datenmengen, die IoT produziert. "Eine Boeing 787 produziert pro Flug etwa ein halbes Terabyte an Daten. Wenn man das mit der Zahl der täglichen Flüge und der Anzahl an 787-Maschinen multipliziert, ergeben sich astronomische Datenberge, die sicher gespeichert, verarbeitet und archiviert werden müssen - willkommen in der Welt von Huge Data", sagte Gartner-Analyst Ted Friedmann in seinem Vortrag über die Auswirkungen, die IoT auf die IT-Welt haben wird.
DevOps - der natürliche Sprengstoff-Kessel
Auch bei einem Vortrag über DevOps mussten die Zuhörer zunächst die "neuen IT-Herausforderungen" über sich ergehen lassen, bis die Analysten Nathan Wilson und George Spafford endlich auf das besondere Spannungsverhältnis von Entwicklern und Infrastruktur-Verantwortlichen eingingen. "Der Konflikt ist ein Naturgesetz. Entwickler sollen immer alles ganz schnell fertig haben und sind somit bereit Funktions- und Ablaufrisiken in Kauf zu nehmen.
Die Betreiber der Infrastruktur haben an oberste Priorität den stabilen Betreibsabluaf und warten mit Änderungen lieber zu lange, als dass Systemprobleme riskieren", gibt Spafford als Grund für die Konflikte an. Nach Meinung der beiden Analysten hängt der Erfolg von DevOps nicht von den Tools und Methoden ab, sondern zum allergrößten Teil von den beteiligten Personen. "Unsere Umfrage hat ergeben, dass 50 Prozent aller DevOps-Probleme auf die beteiligten Personen zuzuführen sind, Technologie-Probleme gibt es dagegen nur bei acht Prozent", lautet Wilsons Hinweis auf mögliche Lösungen. (sh)