Smart Cities

Big Data für grünere Städte

07.05.2015
Von 
Director Mobile bei Inrix
Auf dem Weg ins Zeitalter der Smart Cities gewinnt die Auswertung der Bewegungen von Menschenmassen für viele verschiedene Branchen an Bedeutung. Die Herausforderung wird es dabei sein, die erforderlichen Daten aus Silos zu kombinieren, um sie anonymisiert auszuwerten.
Foto: IR Stone - shutterstock.com

2014 lebte die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten, 1950 waren es lediglich 30 Prozent. Zur gleichen Zeit stieg die Zahl der sogenannten Megacitys - Städte mit mehr als zehn Millionen Einwohnern - von zehn auf 28. Mit der Bevölkerung wächst auch die Belastung. Nicht nur Planet und Umwelt, sondern auch die Straßen leiden. Doch welche Asphaltwege werden am meisten belastet, welche Bahnlinien bevorzugt und wie sehr wird die Innenstadtfläche genutzt?

Dies war bisher nur umständlich erfassbar. Der Versuch, die Bewegungen von Menschenmassen zu verfolgen und auszuwerten, ist zwar keine neue Idee, doch bisher war sie kostspielig und schwierig zu skalieren. Big Data hilft bereits dabei, das zu ändern. Die Aufgaben der Stadtplaner werden in diesem Zusammenhang bedeutender denn je: Es gilt, für Millionen Nutzer bessere Einfall-, Umgehungs- und Ringstraßen gegen Staus zu planen, Bus-Routen und Park&Ride-Angebote zu schaffen, Fußgänger- und Einkaufszonen an geänderte Bedingungen anzupassen und Großereignisse wie Konzerte oder WM-Feiern zu antizipieren.

Anonyme Analysen aus Datensilos

Big Data ist in Deutschland ein Thema, das mit Enthusiasmus und gleichzeitiger Technikangst behandelt wird. Dabei ruft das Sammeln der Daten Angst hervor, werden die Möglichkeiten der Auswertung behandelt, kommt dagegen Begeisterung auf. Technisch gesehen ist die Frage der Auswertung wahrscheinlich spannender - welche Algorithmen und welche Infrastruktur müssen vorhanden sein, um derartige Datenberge zu sinnvollen Analysen zu verarbeiten?

Doch die Frage nach der Herkunft der Daten ist natürlich ebenso gerechtfertigt wie leicht zu beantworten, denn dies hängt von der Art der Big-Data-Anwendung ab. Sprechen wir etwa von Verkehrsdaten, so handelt es sich dabei größtenteils um GPS-Daten aus Navigationssystemen, aber auch aus anderen Quellen wie Messanlagen.

Zur Verarbeitung und Auswertung dieser Datenpunkte werden die Daten anonymisiert und aggregiert. Bei dieser Zusammenfassung werden einzelne Datenpunkte miteinander verschmolzen und so in Verbindung gesetzt, um für die Analyse einen sinnvollen Kontext zu bieten. Obwohl Big-Data-Anbieter selbst täglich Fantastilliarden von Bytes produzieren, kommen viele Puzzleteile von anderen Unternehmen; die Herausforderung liegt darin, die Silostruktur der Daten zu überwinden und gewinnbringende Einblicke etwa in die Bewegungen von Menschenmassen zu bieten. Diese Population Analytics genannte Methode kommt vielen verschiedenen Branchen sehr gelegen - etwa Verkehrsbetrieben, Städteplanern, oder Mobilfunkanbietern.

Mobilnetzbetreiber sitzen auf Daten-Goldmine

Noch schneller als unsere Art zu reisen und zu wohnen ändert sich unsere Kommunikationstechnik. Mobiltelefonie, mobiles Internet, Roaming und VoIP lassen Märkte entstehen und zusammenfallen, die Konkurrenz von Mobilfunkanbietern steigt, Erträge sinken. Netzbetreiber müssen derweil für Netzerhalt und -ausbau sorgen, sich mit 4G, 5G und WLAN in Innenstädten beschäftigen und gleichzeitig neue Geschäftsmodelle finden. Kurz gesagt: Jeder hat heute eine Festnetz-Flatrate, keiner hat mehr Festnetz. Doch bei allen Sorgen sitzen Mobilnetzbetreiber auf einer Daten-Goldmine - ihre Daten eröffnen ihnen völlig neue Möglichkeiten, Angebote zu schaffen.

Ein Großteil von uns trägt jeden Tag ein Mobilgerät in der Tasche; Netzbetreiber verfügen somit über eine große Zahl breit gestreuter Quellen. Die reine Datenmasse, die heute zur Verfügung steht, lassen Stichproben statistisch mit der realen Bevölkerung korrelieren - dennoch bedeutet Masse nicht Genauigkeit. Wegen der Schwierigkeiten bei der Auswertung moderner Mobiltechnik erreichen die meisten Unternehmen nur schwerlich ein Level an Detailreichtum, das eine akkurate, dynamische Analyse erst möglich macht.

Big Data braucht Analyse-Power

Die Kombination breit gestreuter Mobildaten mit anderen, präziseren Ortsquellen, etwa GPS-Daten von Connected Cars, erhöhen die Aussagekraft aggregierter Daten enorm. Indem Millionen von Datenpunkten fusionieren, lassen sich Wege und Bewegung von Menschen in Gruppen nachvollziehen - etwa, indem die Stichproben von Mobildaten mit der räumlichen Granularität von GPS-Daten kombiniert werden. Das Destillieren der Analyse aus den Rohdaten ist eine große technische Herausforderung und benötigt eine leistungsstarke Infrastruktur - Inrix etwa aggregiert alleine im Vereinigten Königreich 15 Milliarden Datenpunkte pro Tag. Das ist mehr als die dreifache Menge aller Handynutzer weltweit.

Moderne Big-Data-Lösungen leisten verschiedene Analysen. Die angesprochene Population Analytics etwa analysiert die Bewegung von Menschenmassen und stellt sie dar - unabhängig von der Art und Weise der Fortbewegung. Dabei lässt sich per so genannter Origin-Destination-Funktion feststellen, woher eine - wiederum anonymisierte - Gruppe kam, wie sie dorthin gekommen ist und wohin sie sich vermutlich bewegen wird. Auch die Bevölkerungsdichte in Echtzeit gehört mittlerweile zum Portfolio. Diese zeigt an, wie viele Menschen sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem festgelegten Bereich aufhalten - interessant für Großveranstaltungen wie Sportfeste, Konzerte oder andere Massen-Events.

Population Analytics macht sich nützlich

Die Londoner Verkehrsbetriebe nutzen bereits Population Analytics um die Menschenmassen nach Großveranstaltungen intelligent aufzulösen.
Die Londoner Verkehrsbetriebe nutzen bereits Population Analytics um die Menschenmassen nach Großveranstaltungen intelligent aufzulösen.
Foto: Adrian Pingstone

Eingesetzt wurde die Technik unter anderem von den Londoner Verkehrsbetrieben 2012 für die Olympischen Spiele und das diamantene Thronjubiläum der Königin. Die Verkehrsgesellschaft Transport for London (TfL) nutzte die Big-Data-Analyse, um die Bewegungen der Besucher in der britischen Hauptstadt zu verfolgen, eng gedrängte Bereiche zu erkennen und so eine informierte Transportplanung zu ermöglichen.

Population Analytics kommt auch vielen anderen Bereichen zugute: Einzelhändler können mit ihrer Hilfe erkennen, welche Filialen an den meistgenutzten Routen liegen; Werber erfahren, welche Werbefläche sich lohnt und welcher Preis beim aktuellen Verkehr vor dieser Werbefläche angemessen ist.

Das Stichwort für Population Analytics ist dabei Verkehr: Sowohl klassische Staus wie auch Aufkommen bei Großereignissen oder bei Verkehrsstörungen wie Streiks, lassen sich umfassend analysieren und deren Einfluss auf verschiedene Verkehrswege auswerten. Gerade hier haben Organisationen des öffentlichen Sektors ein Interesse, die Auswirkungen solcher Störungen genau zu verfolgen: Wo traditionelle, qualitative Methoden sehr aufwändig sind, macht Population Analytics die Auswertung von Verkehrs- und Bewegungsströmen leicht zugänglich.

Wir sind auf dem Weg ins Zeitalter der Smart Cities. Neben anderen Neuerungen wird das auch bedeuten, dass wir besser informierte Entscheidungen über die Entwicklung städtischer Planung treffen können. Erkenntnisse wie die oben genannten Techniken erlauben auch eine Verbesserung der Verkehrs- und Transportflüsse in und um die Stadt, angenehmere Innenstädte durch optimierten Fußgängerverkehr, intelligentere Bus-Routen und integrierte Systeme für den öffentlichen Nahverkehr und am Ende weniger Staus und grünere Städte.

Daten kombinieren und auswerten

Big-Data-Methoden wie Population Analytics aggregieren anonymisierte Daten aus mehreren Quellen, etwa von Mobilnetzbetreibern und Connected Cars, um die Bewegung großer Menschenmengen in Echtzeit darzustellen und zu analysieren. Diese Erkenntnisse können in vielen Branchen gewinnbringend eingesetzt werden. Unternehmen, die auf Datengold sitzen, können etwa in einer Partnerschaft mit Big-Data-Verarbeitern diese Ressource in neue Geschäftsmodelle umwandeln oder dabei helfen, mit ihren Daten große Projekte umzusetzen.

Gerade Mobilnetzbetreiber spielen hier eine wichtige Rolle: sie überblicken ein großes Netz von Datenpunkten, von denen sie nicht nur selbst profitieren können. Wenn wir grünere Städte, sichere Großveranstaltungen und weniger Stau wollen, kommen wir um Big-Data-Methoden wie Population Analytics nicht herum. (mb)