Recruiting-Studie

Bewerber misstrauen KI-basierter Kandidatenauswahl

06.07.2022
Von   IDG ExpertenNetzwerk
Kurt Jeschke ist als Professor für ABWL und Unternehmensführung an der IUBH Internationalen Hochschule tätig. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hannover wo er sich auch promovierte. Nach seinem Abschluss war Kurt Jeschke mehrere Jahre für die Volkswagen AG tätig. Im Anschluss wechselte er in die internationale Unternehmensberatung. An der IUBH Internationale Hochschule ist Kurt Jeschke parallel zu seiner Professur als IUBH Prorektor Corporate tätig und verantwortet in dieser Funktion die Entwicklung und Umsetzung von Trainings, Studienprogrammen sowie Weiterbildungsformaten für Unternehmen.
Die aktuelle Studie "KI im Recruiting" der IU Internationalen Hochschule zeigt, wo Vorbehalte und Vorteile aus Sicht der Bewerberinnen und Bewerber liegen und wie Personalabteilungen damit umgehen können.
Wer in einem Bewerbungsprozess das Rennen macht, wird immer noch von Menschen entschieden. Doch in der Vorauswahl spielt die KI zunehmend eine wichtige Rolle.
Wer in einem Bewerbungsprozess das Rennen macht, wird immer noch von Menschen entschieden. Doch in der Vorauswahl spielt die KI zunehmend eine wichtige Rolle.
Foto: fitzkes - shutterstock.com

KI im Bewerbungsprozess ist inzwischen an vielen Stellen im Einsatz - oft wissen die Betroffenen gar nicht davon. Ist das doch der Fall, sind die Bewerberinnen und Bewerber oft skeptisch, ob der Einsatz künstlicher Intelligenz hier wirklich funktioniert. Noch größer ist allerdings die Sorge, im Auswahlprozess von Menschen diskriminiert zu werden, weshalb viele dann doch eine vielleicht unpersönliche, aber nicht wertende Technologie akzeptieren.

Die aktuelle Studie der IU Internationalen Hochschule zum Thema 'KI im Recruiting' zeigt, dass 64,7 Prozent der Befragten dem Einsatz von KI im Bewerbungsprozess ablehnend gegenüber stehen und die technologische Entwicklung als negativ bewerten. Dabei dürften viele Kandidaten gar nicht wissen, dass sie längst mit KI-Anwendungen im Recruiting in Kontakt gekommen sind. Das Einsatzspektrum ist vielfältig, hier ein paar Beispiele:

  • Chatbots beantworten Anfragen von Jobsuchenden;

  • Software analysiert das Verhalten von Bewerberinnen und Bewerbern während des Gesprächs nach Stimmfarbe, Mimik und Gestik. Auch Sprechpausen und die Wortwahl werden untersucht, manche Betriebe ersparen sich so Persönlichkeitstests;

  • Lebensläufe werden automatisiert ausgewertet, der Vorgang wird auch CV-Parsing;

  • Matching-Software hilft, die Übereinstimmung von Kandidaten mit Jobprofilen abzugleichen. In ähnlicher Form kommt solche Software beispielsweise in Partnerportalen zum Einsatz.

All das und noch viel mehr bietet der Markt inzwischen an KI-gestützter Recruiting-Hilfe.

Lesetipp: Wie KI das Personalwesen auf den Kopf stellt

Jobsuchende haben kaum Erfahrung mit KI

Die Studie zeigt, dass neun von zehn Befragten bisher keine bewussten Erfahrungen mit Anwendungen gemacht haben, die im Hintergrund laufen und auf künstlicher Intelligenz basieren. Um so erstaunlicher ist die glatte Ablehnung: KI im Bewerbungsprozess wird zu 65,2 Prozent negativ bewertet - die Sorgen reichen von "unpersönlich" bis "beängstigend". In der Beurteilung fallen negative Begriffe fast dreimal so oft wie positive. Auffällig ist, dass die Wertung von KI stark von Bildungsstand und Herkunft abhängen. Je höher der Schulabschluss, desto geringer sind die Zweifel. Doch die Skepsis liegt auch bei Befragten mit Hochschulabschluss klar über der 50-Prozent-Marke (57,6 Prozent).

Je höher der Schulabschluss, desto geringer sind die Zweifel gegenüber KI im Bewerbungsprozess.
Je höher der Schulabschluss, desto geringer sind die Zweifel gegenüber KI im Bewerbungsprozess.
Foto: (c) IU Internationale Hochschule 2022

Chance auf diskriminierungsfreie Bewerbungsprozesse durch KI

Für Bedenken sorgen der vermeintliche Verlust von zwischenmenschlichen Aspekten wie Sympathie und die - gefühlt - unkontrollierte Datenverarbeitung im Hintergrund. Dagegen steht die positive Erkenntnis, dass jede/r Dritte (32,9 Prozent) durch den Einsatz von KI die Chance sieht, Diskriminierungen aufgrund von Herkunft, Alter oder Geschlecht zu verhindern. Und hier erfüllt die KI durchaus einen Zweck, der politisch und gesellschaftlich gewünscht ist.

So laden Stellenanzeigen heute mit dem verpflichtenden Zusatz m/w/d alle Geschlechter ein, sich zu bewerben und verzichten auf ein Foto. Bewusste oder unbewusste persönliche Vorlieben von Personalern sollen nicht den Ablauf beeinflussen können. Es geht in erster Linie darum, fachliche Argumente sprechen zu lassen. Immerhin jede/r Fünfte (21,5 Prozent) findet inzwischen, dass ein KI-gestützter Auswahlprozess gerechter ist, da die KI immer anhand derselben Kriterien wie beispielsweise der beruflichen Qualifikation entscheidet.

Ein Fünftel der Befragten geht davon aus, dass der Auswahlprozess im Bewerbungsverfahren gerechter abläuft, wenn er KI-geführt ist, da er nach klaren Kriterien erfolgt.
Ein Fünftel der Befragten geht davon aus, dass der Auswahlprozess im Bewerbungsverfahren gerechter abläuft, wenn er KI-geführt ist, da er nach klaren Kriterien erfolgt.
Foto: IU Internationale Hochschule

Prof. Dr. Michaela Moser, Professorin für Personalmanagement an der IU Internationalen Hochschule (IU), sieht denn auch vor allem die Chancen: "Künstliche Intelligenz kann helfen, Diskriminierung zu vermeiden und die Personalauswahl fairer zu gestalten. Das setzt aber voraus, dass die KI-Algorithmen vorurteilsfrei programmiert werden. Denn der Algorithmus gibt vor, wie die KI arbeiten soll. Doch die künstliche Intelligenz hat gegenüber dem Menschen einen entscheidenden Vorteil hinsichtlich Gleichberechtigung: Sie denkt in Einsen und Nullen. Vorurteile und subjektive Wertung sind ihr fremd, sie entscheidet rein auf Faktenbasis", so die Wissenschaftlerin. Dazu passt, dass 48,6 Prozent der Befragten mit Migrationshintergrund der KI grundsätzlich positiv gegenüberstehen. Unter den anderen Umfrageteilnehmern sind es nur 32,6 Prozent.

Das Fazit: KI kann helfen, den Bewerbungsprozess objektiver zu gestalten und die Qualitäten, die Bewerberinnen und Bewerber mitbringen, besser zu beurteilen. Eine gute, fundierte Aus- und Weiterbildung rückt in den Vordergrund. Personalverantwortliche können viel Unsicherheit aus dem Bewerbungsprozess herausnehmen, wenn sie die Kandidaten über diese Stärke ihres Recruitingprozesses informieren. Ein persönliches Gespräch schließt sich der automatisierten Vorauswahl von Bewerbern ohnehin an. (bw)