Der Mensch informiert sich heute digital, also über soziale Netzwerke, News-Portale und andere Online-Dienste. Versteht er Funktionen seines Smartphones nicht oder will er seinen WLAN-Router konfigurieren, dann sucht er sich Hilfe in den speziellen Foren im Netz. Aber auch die unzähligen Tutorials in YouTube erfreuen sich großer Beliebtheit. In der Regel führt bei Fragen der Weg zunächst einmal ins Internet. Nicht ohne Grund ist zum Beispiel Wikipedia nicht mehr wegzudenken: Drei Viertel aller Deutschen nutzen laut Statistischem Bundesamt diese Online-Enzyklopädie, und andere Online-Nachschlagewerke, bei Jugendlichen liegt der Anteil sogar deutlich über 80 Prozent. Pro Monat wird Wikipedia allein in Deutschland eine Milliarde Mal aufgerufen, traditionelle Lexika fristen dadurch nur noch ein Schattendasein.
Autonome Gestaltung des Wissenstransfers
Diese Selbstversorgung mit Informationen ist aber nicht nur eine Frage des breiten Online-Angebots, sondern resultiert auch aus neu gewonnenen Fähigkeiten der Menschen. Ihre Sozialisierung durch die neuen und mobilen Medien hat dazu geführt, dass sie im Falle von Fragen digital aktiv werden und vor allem auch wissen, wie sie bei ihrer individuellen Informationsbeschaffung vorgehen müssen. Insofern ist der Online-Wissenstransfer eine logische Folge der gesamten Digitalisierung.
Dies zeigt sich auch darin, dass immer mehr Hochschulen Fernstudien auf Online-Basis anbieten. Dazu gehören nicht nur klassische Studiengänge mit dem Erwerb des akademischen Bachelor- oder Master-Grades, sondern ebenso Weiterbildungsmaßnahmen. Das Lehr- und Lernmaterial erhalten die Studierenden in Form von Online-Kursen, Lernsoftware auf DVD oder inzwischen auch per Internet-Livestream direkt ins Haus geliefert.
Virtuelles Lernen ist auf dem Vormarsch
Diese Methode des virtuellen Lernens, bei der selbständig der Lernrhythmus entwickelt wird und der Erfolg stark von der Eigenkontrolle abhängt, erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Auch in den klassischen Studiengängen wirdt die gesamte Vielfalt der digitalen Medien genutzt. Dies beinhaltet neben digitalen Prüfungen etwa auch soziale Kommunikations-Tools wie Blogs oder auch Lernspiele als neuartige Formate.
Doch in den Schulungskonzepten der Unternehmen ist diese Denkweise noch nicht angekommen. Nur zögerlich werden Online-Angebote im Markt genutzt, für interne fachliche Trainings noch weniger. Stattdessen verharren die Betriebe in klassischen Schulungskonzepten. Da dominiert unverändert die Präsenzschulung, obwohl sie den heutigen Bedürfnissen der Mitarbeiter beim Wissenstransfer aus vielerlei Gründen immer weniger entspricht. Vor allem die sogenannten Digital Natives sind es gewohnt, alle Möglichkeiten des Internets und Web 2.0 im Berufsleben auszuschöpfen.
Mehr Freiheit in der Online-Schulung
Dazu gehört auch der Anspruch an flexible Nutzung. Denn anders als bei den herkömmlichen Präsenzschulungen, die durch ihre festen Termine zur Unterbrechung von Arbeitsprozessen führen, kann der Mitarbeiter bei Online-Trainings selbst entscheiden, wann und in welchem Umfang er sich den betreffenden Schulungsinhalten widmen will: Der Benutzer von Online-Schulungssystemen ist nicht nur frei in der Wahl der Zeit, des Ortes und der Inhalte, sondern er kann sie sogar mobil nutzen.
Damit wird fachlicher Wissenstransfer individualisiert, was sich infolge der Flexibilitäts- und Komfortvorteile positiv auf die Produktivität der Mitarbeiter und deren Lernbereitschaft auswirkt. Hinzu kommt, dass sich die Lerneffekte digital über Kontrollfragen genau beobachten lassen. Per Mausklick können sich die Verantwortlichen ein exaktes Bild vom Wissensstand aller Nutzer machen und daraus den möglichen Fortbildungsbedarf ableiten.
System- und Prozessschulung bei Rollouts
Diese Vorteile gelten aber nicht nur für die anwendungs- und fachspezifische Weiterqualifizierung. Ein mindestens ebenso großes Anwendungsfeld besteht in den System- und Prozessschulungen bei Rollouts. Schließlich werden in immer kürzeren Zyklen neue Applikationen eingeführt und Geschäftsprozesse verändert.
- Wie Sie Mitarbeiter für die digitale Transformation begeistern
Die Analysten von IDC geben Tipps, wie die Digtialisierungsstrategie von CDO und CIO in kurz-, mittel- und langfristigen Schritten geplant werden sollte. Der Fokus richtet sich dabei auf den Faktor Mensch, denn nur mit motivierten Mitarbeitern wird die digitale Transformation ein Erfolg. - Tipp 1: Prozesse überprüfen
Schritt 1 - kurzfristige Maßnahmen: Durchleuchten Sie die aktuellen Digitalisierungsinitiativen. In welchem Maß erfordern diese Projekte Veränderungen an den organisatorischen Abläufen, den Arbeitsprozessen und der Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen? - Tipp 2: Bedenken der Mitarbeiter sondieren
Schritt 2 - kurzfristige Maßnahmen: Besprechen Sie gemeinsam mit den Abteilungsleitern, welche Bedenken die Mitarbeiter hinsichtlich der Veränderungen haben könnten. - Tipp 3: Sorgen der Mitarbeiter adressieren
Schritt 3 - kurzfristige Maßnahmen: Überlegen Sie, wie die möglichen Sorgen der Mitarbeiter hinsichtlich der Veränderungen durch Kommunikationsmaßnahmen angesprochen werden können. - Tipp 4: Fokusgruppen bilden
Schritt 1 - mittelfristige Maßnahmen: Führen Sie für künftige Digitalisierungsinitiativen, die organisatorische Veränderungen zur Folge haben, Fokusgruppen oder Interviews mit Mitarbeitern ein, um deren Bedenken kennenzulernen. - Tipp 5: Kommunikationsstratiegie ausarbeiten
Schritt 2 - mittelfristige Maßnahmen: Prüfen Sie die Möglichkeiten, wie die interne Kommunikation für künftige Rollouts eine Kommunikationsstrategie gestalten kann, um diese Bedenken zu adressieren. - Tipp 6: Mitarbeiter motivieren
Schritt 3 - mittelfristige Maßnahmen: Überlegen Sie, wie Sie durch die Einbindung der Mitarbeiter in den Planungsprozess deren Engagement im Vorfeld des Rollouts gewinnen können. - Tipp 7: Mitarbeiter schulen
Schritt 1 - langfristige Maßnahmen (12 bis 24 Monate): Bauen Sie ein gutes Verhältnis zur internen Kommunikation und zur Personalabteilung auf. Prüfen Sie die Möglichkeiten, wie diese Abteilungen mit Kommunikation und Mitarbeitertraining die menschliche Komponente der digitalen Transformation flankieren können. - Tipp 8: Budget prüfen
Schritt 2 - langfristige Maßnahmen: Identifizieren Sie mögliche Auswirkungen dieser menschlichen Komponente innerhalb der digitalen Transformation auf das Budget. Suchen Sie Unterstützung bei der Rechtfertigung zusätzlicher Mittel, um die Akzeptanz der Mitarbeiter im Rahmen eines Digitalisierungsprojekts effektiv sicherzustellen.
Weitere Beispiele sind wiederkehrende Schulungen zu Regeln in der Compliance, dem Arbeitsschutz und anderen unternehmensinternen Richtlinien oder bei der Einführung neuer Mitarbeiter. Präsenzschulungen erzeugen dann zwangsläufig einen hohen Bedarf an Trainingsressourcen. Sind die Mitarbeiter auch noch auf nationale und internationale Standorte verteilt, wird das Schulungsprogramm zu einer kostspieligen und zeitaufwendigen Angelegenheit.
E-Learning ist zu stark vorbelastet
So stellt sich die Frage, warum angesichts der vielen Vorteile und der Digitalisierung das Thema Online-Schulungen in den Fortbildungskonzepten der Unternehmen noch keinen angemessenen Platz gefunden hat. Die erforderliche technische Infrastruktur kann nicht der Grund sein, denn dank der Cloud lässt sich einfach auf digitale Schulungssysteme zugreifen. Auch an den Inhalten kann die fehlende Akzeptanz nicht liegen, denn dafür gibt es ebenfalls Dienstleister im Markt, sofern der Content nicht selbst erarbeitet werden kann.
Der wahre Grund heißt wohl E-Learning. Dieser Begriff stammt aus den 90er Jahren, als die digitale Kommunikationswelt in den heutigen Maßstäben nicht einmal vorgedacht war. E-Learning verstand sich vor allem als Computer Based Trainings (CBT), und statt online zu lernen wurden CD-ROMs genutzt. Doch E-Learning konnte nie die erforderliche Akzeptanz und Verbreitung erlangen, allein schon weil es an den technischen Voraussetzungen fehlte. So ermittelte 2002, also immerhin über ein Jahrzehnt nach den Anfängen des E-Learnings, eine Studie, dass die typischen Arbeitsplätze technisch dafür völlig ungeeignet waren. Und dies, obwohl es gerade für das Lernen am Arbeitsplatz konzipiert wurde.
Das Problem: Die Idee war gut und grundsätzlich auch zukunftsfähig, aber sie kam angesichts der seinerzeitigen technischen Möglichkeiten und eines noch anderen Informationsverhaltens der Menschen deutlich zu früh. Zwar gab es in den Fortbildungskonzepten immer wieder Versuche, sich dem Thema zu nähern, aber fast nirgendwo entwickelte es sich zu einer Erfolgsgeschichte.
Das wäre noch zu verschmerzen, schließlich gab es in der Technologieentwicklung immer wieder Ansätze, die in ihrer Theorie zwar viel Charme zeigten, sich in der Praxis aber nicht durchsetzen konnten. Beim E-Learning verhält es sich jedoch anders, weil es zu negativen Erfahrungen führte, die sich heute als Akzeptanz- und Entscheidungsbremse auswirken. Deshalb müssen sich die heutigen Formen des digitalen Wissenstransfers vom vorbelasteten Begriff des E-Learnings befreien, obwohl er die Sache eigentlich trifft. Mit E-Learning werden aber vor allem steife Präsentation, elektronischer Frontalunterricht und Widerwille bei den Usern assoziiert, während sich der Wissenstransfer mit der heutigen digitalen Technik als interaktiv, unterhaltsam und kollaborativ charakterisiert. Deshalb muss E-Learning ganz neu interpretiert werden, damit die Bremsen bei der Verbreitung des digitalen Lernens gelöst werden, oder der Markt muss dem Thema einen neuen Namen geben. (pg)