Vier US-Anbieter dominieren den Cloud-Markt

AWS hält Microsoft und IBM auf Distanz

08.08.2016
Von 
Wolfgang Herrmann ist IT-Fachjournalist und Editorial Lead des Wettbewerbs "CIO des Jahres". Der langjährige Editorial Manager des CIO-Magazins war unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO sowie Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.
Amazon Web Services (AWS) bleibt auch im abgelaufenen zweiten Quartal der mit Abstand führende Anbieter von Infrastruktur-Diensten aus der Cloud. In der Verfolgergruppe platziert sich Microsoft mit deutlichem Vorsprung vor IBM und Google.

Die Großen werden größer, die Kleinen fallen immer weiter zurück. So lassen sich die Zahlen zum weltweiten Markt für Cloud-Infrastruktur-Services zusammenfassen, die das Marktforschungsunternehmen Synergy Research erhoben hat. Mit einem Anteil von 31 Prozent steht AWS demzufolge einsam an der Spitze. Microsoft auf Platz zwei kommt immerhin auf elf Prozent, gefolgt von IBM mit acht und Google mit fünf Prozent. Die dahinter platzierten 20 Cloud-Provider, darunter Hewlett-Packard Enterprise (HPE), Salesforce.com und Oracle, erreichen zusammen bei weitem nicht den Marktanteil von Amazon Web Services. Unterm Strich kontrollieren die vier führenden Anbieter deutlich mehr als die Hälfte des weltweiten Markts für Cloud-Infrastruktur-Dienste.

Google wächst am schnellsten im globalen Cloud-Markt, doch AWS hält seine Spitzenposition mit großem Abstand vor Microsoft.
Google wächst am schnellsten im globalen Cloud-Markt, doch AWS hält seine Spitzenposition mit großem Abstand vor Microsoft.
Foto: Synergy Research Group

Synergy Research berücksichtigt in seinem Ranking sowohl Infrastructure-as-a-Service (Iaas) als auch Platform-as-a-Service (PaaS) und das Segment Hostet Private Cloud. Ohne das Letztgenannte würde beispielsweise IBM im weltweiten Vergleich schlechter abschneiden, kommentieren andere Marktbeobachter die Zahlen. Die höchsten Wachstumsraten im Vergleich zum Vorjahresquartal erzielte Google mit 162 Prozent, aber auch Microsoft konnte seine Umsätze um 100 Prozent steigern. Amazon kommt auf ein Plus von 53 Prozent.

Die Branchenschwergewichte bauen ihren Vorsprung aus

"Amazon und die anderen drei großen Anbieter haben sich in vielerlei Hinsicht von den übrigen Mitbewerbern abgesetzt und den Abstand weiter vergrößert", erläuterte John Dinsdale, Chief Analyst und Research Director bei Synergy Research. Die Branchenschwergewichte punkteten vor allem durch ihre globale Präsenz, Marketingmacht und die gewaltigen Investitionen in "Hyperscale Data Center". Zusammengerechnet konnten die "Big Four" ihre Cloud-Umsätze im zweiten Quartal um 68 Prozent steigern. Die nächsten 20 Verfolger kommen auf eine Rate von durchschnittlich 41 Prozent, die übrigen kleineren Provider nur auf 27 Prozent. Insgesamt ist der Markt für Cloud-Infrastruktur-Services im Quartal um 51 Prozent gewachsen.

Mehr als die Hälfte der Cloud-Umsätze wurden den Synergy-Zahlen zufolge in Nordamerika getätigt; die Regionen EMEA (Europe, Middle East, Africa) und APAC (Asia and Pacific) lägen etwa auf gleichem Niveau. Allerdings weise der asiatisch-pazifische Wirtschaftsraum etwas höhere Wachstumsraten auf.

Lesen Sie dazu auch unsere Serie "Cloud-Giganten":

Amazon Web Services - viel Cloud für wenig Geld

Microsoft Azure - mit der deutschen Cloud zu neuen Geldquellen

T-Systems - mit vier IaaS-Plattformen gegen AWS und Co.

IBM Softlayer und Bluemix auf dem Prüfstand

Die Oracle-Cloud hat noch viel Luft nach oben

Die große Aufholjagd von Google

Die Big Four dominieren auch in Westeuropa

Allen Datenschutz- und Security-Bedenken zum Trotz werden die vier großen US-amerikanischen Cloud-Provider auch in Westeuropa immer mächtiger, wie eine IDC-Studie belegt. Im vergangenen Jahr konnten sie ihren Marktanteil auf dem alten Kontinent um ein Drittel steigern und kontrollierten satte 40 Prozent des Markts für Infrastruktur aus der Public Cloud.

Überraschend kommt die zunehmende Dominanz der US-Anbieter vor allem deshalb, weil etliche Beobachter nach den Snowden-Enthüllungen und den kontroversen Diskussionen um Safe Harbor und das Nachfolgeabkommen Privacy Shield eigentlich eine Gegenbewegung erwartet hatten. Der amerikanische Think Tank Information Technology & Innovation Foundation etwa schätzte nach den Snowden Leaks, dass amerikanische Firmen innerhalb von drei Jahren zwischen 21 und 35 Milliarden Dollar Umsatz verlieren könnten. Tatsächlich nutzten etliche europäische Cloud-Provider, allen voran die Deutsche Telekom, die Gelegenheit, um mit Cloud-Diensten aus deutschen oder zumindest europäischen Rechenzentren auf Kundenfang zu gehen. Die amerikanischen Schwergewichte hielten mit eigenen RZ-Standorten in Europa dagegen.

An den Marktverhältnissen hat all das offenbar wenig geändert. "Auf dem Papier hätten europäische Anbieter eigentlich vom Marktwachstum profitieren müssen", zitiert das Wall Street Journal den Analysten Jonathan Atkin von RBC Capital Markets: "Doch sie stellten sich weniger geschickt an. Und amerikanische Firmen haben größere Scheckbücher, um weitreichende Entscheidungen zu treffen."