Collaboration mit KI

Auf dem Weg zu rechtssicheren Online-Meetings

23.04.2024
Von 
Heinrich Seeger arbeitet als IT-Fachjournalist und Medienberater in Hamburg. Er hat über 30 Jahre IT-journalistische Erfahrung, unter anderem als Gründungs-Chefredakteur des CIO Magazins. Er entwickelt und moderiert neben seiner journalistischen Arbeit Programme für Konferenzen und Kongresse in den Themenbereichen Enterprise IT und Mobile Development, darunter IT-Strategietage, Open Source Meets Business, droidcon und VDZ Tech Summit. Zudem gehört er als beratendes Mitglied dem IT Executive Club an, einer Community von IT-Entscheidern in der Metropolregion Hamburg.
Eine neue Plattform für Online-Meetings und -Zusammenarbeit soll deutsche Datenschutzvorschriften erfüllen, rechtskonformen Dokumentenaustausch sichern und die Effizienz steigern. Erste Praxiserfahrungen zweier Unternehmen.
Die Web-basierte Plattform "Together" erhebt den Anspruch, Collaboration und Kommunikation in kleinen Gruppen interaktiver zu gestalten.
Die Web-basierte Plattform "Together" erhebt den Anspruch, Collaboration und Kommunikation in kleinen Gruppen interaktiver zu gestalten.
Foto: elenabsl - shutterstock.com

Rechtssicherheit, Effizienz und soziale Funktion von virtuellen Meetings und Online-Zusammenarbeit sind begrenzt. Ergebnisprotokolle müssen mit hohem Aufwand erstellt und verteilt werden. Belastbare Beschlüsse lassen sich nicht fassen, weil keine rechtssicheren Unterschriften geleistet werden können. Kommunikation und geteilte Inhalte werden aus Komfortgründen nur selten stark gesichert. Und die Teamdynamik ist mangels Flurfunk und Kaffeeküche mau, trotz aller Virtualisierungskonzepte.

Bei der Kölner Kommunikationsagentur Kammann Rossi GmbH sammelt man seit Mitte 2023 Erfahrungen mit der Web-basierten Plattform "Together". Für Geschäftsführer Carsten Rossi hebt sich das Tool von den Platzhirschen wie Teams oder Zoom dadurch ab, dass sich damit ein "Offsite-Gefühl" einstelle. Das passt zu dem Anspruch von Together, die Kommunikation in kleinen Gruppen interaktiver machen. Durch zeitversetztes Arbeiten sollen Meetings besser vorzubereiten sein und kürzer werden. Zu diesem Zweck stehen anstelle herkömmlicher Meetings "Ziele" im Vordergrund: Diese werden auf einer "Konferenz-Etage" in verschiedenen Räumen bearbeitet, wo die jeweils benötigten Dokumente immer zur Verfügung stehen, unabhängig von individueller Präsenz.

Carsten Rossi: "Man stellt alles, was zu einem Projekt gehört, in einen Raum und hat dort eine Heimat auf Zeit."
Carsten Rossi: "Man stellt alles, was zu einem Projekt gehört, in einen Raum und hat dort eine Heimat auf Zeit."
Foto: Rossi - Kammann Rossi GmbH

Virtuelle Offsite-Meetings als Projektheimat auf Zeit

"Zwischen einzelnen Räumen wechselt man mit einem Klick", erläutert Christoph Kappes, Gründer des Plattformentwicklers Coco GmbH aus München. Auf dieselbe Art können Experten oder Führungskräfte punktuell hinzugezogen werden. Größere Meetings sollen nur noch anfallen, wenn es um übergreifende Fragen oder Konflikte geht.

Seiner Agentur kommt das entgegen, sagt Rossi. Die Teams sind stark dezentral aufgestellt. Bedingt durch die Pandemie gebe es "kein echtes Headquarter" mehr. In den letzten Jahren habe man "bundesweit rekrutiert und jetzt Leute an allen Ecken und Enden sitzen". Anders als mit Teams & Co. könne man in diesen Konstellationen konzentriert zusammenarbeiten - trotz der für lange Kreativprozesse typischen zahlreichen Unterbrechungen. "Man stellt alles, was zu einem Projekt gehört, in einen Raum und hat dort eine Heimat auf Zeit", so Rossi "Die Kamera bleibt an, man lädt Zwischenergebnisse hoch, holt Feedback ein und arbeitet weiter". Auf die Art entstehe ein Gemeinschaftsgefühl wie in einem Coworking-Space. Auch die Rossi-Kunden seien an Online-Zusammenarbeit längst gewöhnt, so dass längere Beratungssitzungen heute oft auf Together stattfänden.

Zu den Early Adoptern des Tools gehört ebenfalls die Kölner Ubirch GmbH, ein Software-Dienstleister, der auf Blockchain, Impf-Infrastrukturen und Entwicklungen im Zusammenhang mit ESG (Environmental, Social and Governance) spezialisiert ist. Ubirch nutzt die Plattform für interne Meetings, Kundenpräsentationen und Schulungen. Geschäftsführer Stephan Noller hat dabei die native Integration von Collaboration-Möglichkeiten schätzen gelernt: "Wir müssen jetzt nichts mehr zusammenstückeln". Ein "gutes Konzept" findet er die Option, Ressourcen über einfaches Bildschirm-Sharing hinaus zu teilen. "Screenshots mit dem Smartphone sind jetzt überflüssig."

Stephan Noller: "Die Option, Ressourcen über einfaches Bildschirm-Sharing hinaus zu teilen, ist ein gutes Konzept. Screenshots mit dem Smartphone sind jetzt überflüssig."
Stephan Noller: "Die Option, Ressourcen über einfaches Bildschirm-Sharing hinaus zu teilen, ist ein gutes Konzept. Screenshots mit dem Smartphone sind jetzt überflüssig."
Foto: Noller - Ubirch GmbH

Gut vorbereitete Offline-Meetings als Vorbild

Clever sei auch, dass Teile von Slides, die jemand anders präsentiert, umstandslos in einen eigenen Ordner hineingezogen werden und Themenräume permanent offenbleiben können. Woanders geht das nach Nollers Erfahrung nur mit "unschönen Hacks". Er hat Together als "technisch stabil" kennengelernt; es sei in seiner Benutzerschnittstelle "an guten Offline-Meetings orientiert".

Die Plattform nutzt auch KI-Technologie, wahlweise ChatGPT oder das deutsche Produkt Aleph Alpha. Mit einem eingebauten KI-Assistenten lassen sich etwa Agenden entwerfen, Protokolle korrigieren und kürzen, Beschlüsse ausformulieren und Votings erstellen. Auch KI-unterstützte Recherchen und Brainstormings in der Gruppe sind möglich.

In der Kommunikationsagentur Kammann Rossi verzeichnet man dadurch erhebliche Effizienzgewinne, vor allem bei der Anfertigung von Protokollen. Der Microsoft-Copilot in Teams bietet zwar auch entsprechende Funktionen, aber "Together war einfach früher dran", konstatiert Geschäftsführer Rossi.

Mehr Effizienz verspricht auch ein "Entscheidungsmodul", das gemeinsame Entscheidungen oder Erklärungen in einem digitalen Tresor ablegt. Das folge dem Wunsch vieler Organisationen nach "moderner Governance mit weitgehender Selbststeuerung", sagt Christoph Kappes. Sein Team arbeite deshalb an einem kompletten Dienstleistungsprozess, bruchfrei von Begrüßung und NDA-Unterzeichnung über die Projektbeschreibung bis hin zum Vertragsabschluss.

Doch zurück zur KI und damit zu einer Herausforderung: Kammann Rossi nutzt ChatGPT als KI-Engine, aufgrund des größeren Komforts und der besseren Usability. Dabei duldet man, "dass zumindest eigene Daten - natürlich nicht die von Kunden - irgendwann einmal doch über US-Server laufen", räumt Rossi ein. Zwar genieße man als zahlender Kunde mit eigener ChatGPT-Instanz und eigenem Key erhöhte Sicherheit; ausgeschlossen sei etwa, dass Rossi-Daten für GPT-Trainings benutzt werden. Aber, so der Agenturchef, "wenn Aleph Alpha genau so komfortabel wäre wie ChatGPT, würden wir jenes nutzen".

Auch Ubirch setzt auf ChatGPT; als zahlende Nutzer könne man schließlich Data Sharing weitgehend unterbinden. Aleph Alpha findet Geschäftsführer Noller gegenwärtig noch "etwas limitiert". Allerdings hat es vor kurzem ein Model-Upgrade gegeben. Urteil Kappes: "Die Fortschritte sind deutlich spürbar."

Christoph Kappes: "Die Fortschritte in Aleph Alpha sind nach dem letzten Model-Update deutlich spürbar."
Christoph Kappes: "Die Fortschritte in Aleph Alpha sind nach dem letzten Model-Update deutlich spürbar."
Foto: Kappes - Coco GmbH

Hosting in Deutschland - außer ChatGPT-Nutzung

Stichworte Security und Privacy: Abgesehen vom Umweg über ChatGPT wird Together samt aller Kundendaten in Deutschland gehostet. Ein Wallet-Login macht Einladungs-Links, Passwörter und E-Mail-Adressen hinfällig und ermöglicht eine pseudonyme Zusammenarbeit, besonders wichtig zum Schutz der Klienten. Together setzt dabei gegenwärtig auf "MetaMask" und ist für die Nutzung der "European Digital Identity Wallet" vorbereitet. Zudem arbeitet die Plattform mit Identitätsprüfungen mittels Video-ID.

Kammann Rossi verwendet das Wallet-Login, allerdings bisher nur intern. Bei Ubirch misst man dieser "modernen Sicherheitsidee" einen hohen Stellenwert zu. Einen großen Bedarf sieht Noller etwa bei NGOs, die ja oft in rechtsunsicheren Räumen operieren.

Entwicklungspotential identifiziert Rossi noch bei der nativen Integration von Together mit anderen Collaboration-Plattformen wie Miro oder Mural. "Das würde die Einbindung in existierende Workflows erleichtern", urteilt er. Aber das sei wohl einfach die "Kehrseite des Offsite-Gefühls, das sich ja gerade dadurch ergibt, dass man alles in Together zur Verfügung hat."