Der Berliner Betriebswirt Christopher Grätz, Gründer und Vorstand der Kapilendo AG, weiß, was Geldgeber sehen wollen. Sein Credo und oberste Prämisse: "Stellen Sie heraus, wem das Projekt wie nutzt." Zwar sei ein Blick in den Rückspiegel, sprich eine betriebswirtschaftliche Auswertung oder Jahresergebnisse, für Controller zwingend, aber Investoren, so der ehemalige KPMG-Berater, wollen in erster Linie sehen, bis wann sich ihr eingesetztes Kapital gewinnbringend einspielt. Was das bedeutet, wird am Beispiel der Casenio AG deutlich. Das Berliner IT-Startup hat ein auf Sensoren basierendes Hilfssystem entwickelt: An einer Hauszentrale, die einem Radiowecker ähnelt, gehen Signale von Türöffner, Rauch- und Wassermelder, Herdabschaltung oder einem Bettkontakt ein. Dieses Gerät schickt die Signale an das Casenio-Rechenzentrum, wo Maßnahmen wie akustische Signale, Handy-Hinweise, Abschaltautomechanismen oder Notrufe hinterlegt sind.
Banken knausern bei der Kreditvergabe
Soweit die (Informations-)Technik. Die entscheidende Aussage, um an Geld zu kommen, seien laut Grätz aber: "Das System ermöglicht es Senioren oder Menschen mit Handicap, zu Hause zu leben und nicht in ein Heim zu müssen." Wer dieses Angebot vor dem Hintergrund der Alterspyramide und des Trends zum Smart Home höre, könne sich, so Grätz, vorstellen, dass ein solcher erweiterter Hausnotruf viele Käufer findet. Casenio benötigt jedoch einen 200.000 Euro-Kredit (Laufzeit: zwei Jahre), um passende Apps zu entwickeln und das Unternehmen voranzubringen, verdeutlicht Sprecherin Sonja Schmitt. Doch als frisch gegründete Firma sei es schwierig, Banken zu überzeugen. Finanzmann Grätz hat aus diesem Dilemma eine Geschäftsidee entwickelt: Die Kreditplattform Kapilendo hat inzwischen rund sieben Millionen Euro an 30 Projekte wie Casenio vermittelt. Viele Investoren finanzieren als Crowd IT-Projekte, aber auch Wachstumspläne einer Großbäckerei oder eines ambitionierten Zahnarztes. Bundesweit bekannt wurde das Berliner FinTech (Finanzen + Technologie) über das Finanz-Fanprojekt der Fußballer von Hertha BSC.
Transparente und öffentliche Kreditplattformen
Selbst noch Startup, stellen die jungen Wilden der Finanzszene die Gepflogenheiten der Branche auf den Kopf. Bislang waren Kreditgeschäfte meist Geheimsache zwischen Geldverleiher und Darlehensnehmer. Auf Kreditplattformen im Internet geht es hingegen höchst öffentlich und transparent zu. Geldsucher stellen sich in Kurzvideos vor und beschreiben ihr Projekt inklusive Rating, Laufzeit und Zinssatz des angestrebten Kredites. Außerdem geben die Firmen Umsatz und Ergebnis preis. "Damit verändert sich die Kommunikation, das Selbstverständnis", sagt Grätz. Denn die Plattformen sind Vertriebsmaschinen. Tausende schauen die Erklärvideos an und teilen sie im Netz mit Freunden und Geschäftspartnern. Investoren werden so zu Markenbotschaftern, weil sie wollen, dass ihre Finanzanlage gut läuft.
IT-Projektnutzen erkennbar machen
Im Umkehrschluss bedeutet dieser Wandel für IT-Netzwerker oder Systementwickler, sie sollten die Schwarmintelligenz für ihre Vorhaben nutzen. Statt dröge aufbereitete Kennzahlen oder ermüdende, technische Details zu präsentieren, sollten sie den Nutzen ihres Projekts erkennbar machen. Etwa indem sie Interviews mit den Kunden oder Kollegen führen, für die sie das Projekt entwickeln. Dadurch würde ähnlich der Crowd ein Heer an Mitwissern und -machern entstehen. Deren Input wirke sich wiederum unmittelbar auf das Projekt oder Programm aus. Durch diese Art der Auseinandersetzung im Vorfeld des Vorhabens können Stellschrauben feiner justiert und damit Fehlentwicklungen vermieden werden, verdeutlicht Grätz.
- IT-Profis und Gründer brauchen CFO-Skills für Projekte
IT-Profis müssen auch ein bisschen CFO oder Controller sein. Zumindest sollten Grunddkenntnisse in Betriebswirtschaftslehre (BWL) zum Rüstzeug eines jeden CIO oder IT-Projektverantwortlichen gehören, wenn mit CFO und Controlling über den Nutzen eines Projekts sowie das Budget verhandelt wird. Gleiches gilt für Gründer und Startups, die zur Finanzierung einer Geschäftsidee Geld von einer Bank benötigen. Hier erklären wir die die wichtigsten Termini im Finanzwesen. - ABC Analyse
Verfahren, um betriebliche Vorgänge zu analysieren und ihre Wichtigkeit in eine Reihenfolge zu bringen. - Balanced Scorecard
Ein Konzept, dass ausgehend von einer Unternehmensvision Ziele, Kennziffern und Maßnahmen verdichtet. Neben der finanzwirtschaftlichen Perspektive (wie Umsatz, Gewinn, Eigenkapitalrendite) werden im Balanced-Scorecard-Ansatz Kunden, Prozesse und Mitarbeiter erfasst. Es werden Zusammenhänge hergestellt und mit Zielen und Kennzahlen beschrieben. Der Ansatz verspricht eine bessere Umsetzung der Strategie in die betriebliche Praxis. - Break even
Eine Analyse, die versucht die Gewinnschwelle zu ermitteln. Dabei wird das Umsatzvolumen ermittelt, bei dessen Überschreitung Geld verdient wird. - Cashflow
Der Cashflow stellt den finanziellen Überschuss einer Periode dar. Meist wird er wie folgt berechnet: Jahresüberschuss + Abschreibungen + Veränderungen der langfristigen Rückstellungen = Cashflow. - Deckungsbeitrag
Auch Bruttogewinn genannt, ist der Deckungsbeitrag die Differenz zwischen erzielten Erlösen und den variablen Kosten. Der Deckungsbeitrag stellt fest, in welchem Umfang ein Produkt zur Deckung der fixen Kosten, also zum Betriebserfolg beiträgt. - EBIT
EBIT bedeutet bereinigter Gewinn. Abkürzung für „Earnings before Interest and Taxes”. Es werden einmalige Aufwendungen ebenso ignoriert wie Zinsen und Steuern, weil alle diese Positionen nicht durch die eigentliche betriebliche Tätigkeit entstanden sind. - Finanzplan
Der Finanzplan berücksichtigt als dynamische Rechnung alle künftigen Ein- und Auszahlungen üblicherweise auf einen Zeitraum der nächsten zwölf Monate. Instrument zur Kontrolle und Steuerung der Zahlungsmittel. - Forecast
Der Forecast ist eine Hochrechnung von Ergebnispositionen im laufenden Geschäftsjahr. Dabei wird von den Ergebnissen der zurückliegenden Monate ausgegangen, die – abgeglichen mit aktuellen Informationen – für das übrige Geschäftsjahr fortgeschrieben werden. - Jahresabschluss
Der Jahresabschluss ist ein gesetzlich vorgeschriebenes Instrument zur Information externer Personen und Institutionen. Er ist nach dem Handelsgesetzbuch und den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) zum Ende jedes Geschäftsjahres aufzustellen. Der Jahresabschluss besteht aus der Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung (GuV). - Return on Investment
Der RoI beschreibt die Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Eine Kennzahl, die das erzielte (operative) Ergebnis ins Verhältnis zum dafür eingesetzten Kapital (Investition) setzt. Der RoI kann auch durch Multiplikation der beiden Kennzahlen Umsatzrentabilität (EBIT/Umsatz) und Kapitalumschlaghäufigkeit (Umsatz/Gesamtkapital) berechnet werden. - Variable Kosten
Variable Kosten fallen nur an, wenn produziert wird. So braucht man bei der Produktion von Apfelkompott Äpfel. Ruht die Produktion, braucht man keine Äpfel. Die Äpfel stellen variable Kosten dar. Die Maschinen verursachen Kosten (zum Beispiel Abschreibung, Finanzierung) unabhängig davon, ob Apfelkompott produziert wird. Dies bezeichnet man als Fixkosten.
Investoren mischen aktiv mit
Die Analysten von Kapilendo wissen beispielsweise innerhalb von fünf Tagen, ob ein Projekt Investoren finden wird. Der Proof of Concept (die Durchführbarkeit des Vorhabens) genießt dabei höchste Aufmerksamkeit. Wann werden etwa durch Wachstum fixe Kosten zu variablen, und ab wann ist der Breakeven-Punkt erreicht? Ab wann fließt mehr Geld zurück, als in das Projekt hineingesteckt wird? Grundsätzlich interessieren sich alle Geldgeber und Budgetverwalter für diese Antworten. Doch bleiben dafür schöngefärbte Business-Pläne Hirngespinste, wenn das Vorhaben oder Produkt seine Käufer und Nutzer nicht findet. Können Kreditsucher ihr Projekt an Investoren und Stakeholder knüpfen, übernehmen diese Teilhaber Funktionen wie Qualitätssicherung, Vertrieb und Marketing. Wenn das geschieht, sprechen Dummies BWL-Speech. (pg)