Amazons Umsatz ist im zweiten Geschäftsquartal gegenüber dem Vorjahr um 7,2 Prozent auf 121,2 Milliarden Dollar gewachsen, doch mit einem Nettoverlust von zwei Milliarden Dollar verfehlte das Unternehmen das Vorjahresergebnis (plus 7,8 Milliarden Dollar) bei weitem. Dem weltweit größten Online-Händler kam eine Beteiligung am E-Autohersteller Rivian Automotive teuer zu stehen: Der Wert des Tesla-Rivalen brach in diesem Jahr katastrophal ein, Amazon musste allein deshalb einen Vorsteuerverlust von 3,9 Milliarden Dollar hinnehmen.
An den Börsen wurde das Ergebnis trotzdem gefeiert, der Aktienkurs stieg nachbörslich um 13 Prozent. Zwar konnte Amazon die Hoffnungen der Anleger auf einen kleinen Nettogewinn nicht erfüllen, doch die Einnahmen stiegen angesichts der andauernden Wirtschaftskrise überraschend stark. Hintergründe sind das prosperierende Geschäft mit Cloud-Angeboten durch die Unternehmenstochter Amazon Web Services (AWS) und das überraschend starke Service-Business, das Amazon zur Unterstützung seiner vielen Marktplatzpartner aufgebaut hat.
Kostenkontrolle wird immer wichtiger
Amazon-Chef Andy Jassy nannte die anhaltende Inflation als größte Herausforderung, sie erhöhe die Kosten und führe zu Kaufzurückhaltung bei den Konsumenten. "Trotz des anhaltenden Inflationsdrucks bei Treibstoff-, Energie- und Transportkosten machen wir Fortschritte bei den Kosten, die wir kontrollieren können", sagte Jassy und verwies auf die verbesserte Produktivität des eigenen Fulfillment-Netzwerks.
Dem Fehlbetrag im zweiten Quartal war auch in den ersten drei Monaten des Jahres ein Minus vorausgegangen - für Amazon das erste in sieben Jahren. Jassy, der das Amt vor etwas mehr als einem Jahr übernommen hatte, muss das Unternehmen also durch eine der schwierigsten Phasen in seiner Geschichte führen.
Wie Finanzchef Brian Olsavsky vor Analysten ausführte, will Amazon in seiner Cloud-Sparte und auch im Werbegeschäft weiter hochqualifiziertes Personal einstellen. Insgesamt werde man beim Recruiting aber vorsichtiger agieren. Die Expansion des Konzerns soll langsamer vorangetrieben werden, außerdem wolle man den Kapitaleinsatz tendenziell etwas weiter weg vom Online-Handel und hin zum Cloud Computing verlagern.
Solides Wachstum für AWS
AWS wuchs im zweiten Quartal um 33 Prozent auf 19,7 Milliarden Dollar und erzielte hier einen operativen Gewinn von 5,7 Milliarden Dollar. Auch die Rivalen Microsoft und Google hatten für das zweite Quartal glänzende Zahlen im Cloud-Geschäft vorgelegt. Microsoft wuchs hier gegenüber der Vorjahresperiode um 40 Prozent, Google legte um 36 Prozent zu.
Das Werbegeschäft, für das Amazon erstmals Zahlen vorlegte, beeindruckte mit einem Wachstum von 18 Prozent auf 8,8 Milliarden Dollar ebenfalls. Das Kerngeschäft mit dem Online-Handel brach dagegen um vier Prozent von 53 Milliarden Dollar im Vorjahr auf 51 Milliarden im abgelaufenen Dreimonatszeitraum ein, was dem Management zufolge nicht zuletzt dem starken Dollar geschuldet war.
Aufgrund der inflationsbedingten Teuerungsraten sind die Konsumenten zuletzt in den USA, aber auch in anderen Märkten zurückhaltend gewesen. Außerdem besuchen viele Käufer nach zweijähriger pandemiebedingter Entbehrung wieder verstärkt die Einzelhandels-Filialen und geben ihr Geld für Urlaub aus. Für Amazon ist das keine gute Nachricht, hatte man doch während des Booms viel in den Aufbau von Lagerhäusern, Sortierzentren und andere teure Infrastruktur investiert. Millionen von Quadratmetern überschüssiger Lagerfläche mussten untervermietet werden. Zudem musste Amazon Wege finden, um aus Mietverträgen mit externen Lagereigentümern auszusteigen oder diese neu zu verhandeln. (hv)