Die von Amazon verursachten Treibhausgas-Emissionen sind 2021 auf ein neues Rekordhoch von 71,54 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent gestiegen. Gegenüber dem Vorjahr (60,64 Millionen Tonnen) bedeutet das eine Steigerung von 18 Prozent. Das geht aus dem Anfang August von Amazon selbst veröffentlichten Sustainability Report hervor. Bereits 2021 war der Ausstoß klimaschädlicher Gase im Vergleich zum Vorjahr (51,17 Millionen Tonnen) um 18,5 Prozent angewachsen. Zum Vergleich: 2021 beliefen sich die Treibhausgas-Emissionen des gesamten Straßenverkehrs in Deutschland auf gut 145 Millionen Tonnen CO2-Aquivalent.
Amazons Management, das sich gerne mit ambitionierten Klimaschutzzielen schmückt, verweist angesichts der beunruhigenden Emissionsdaten lieber auf eine andere Kennzahl, die sogenannte CO2-Intensität. Darunter versteht der Online-Händler die Relation zwischen dem CO2-Ausstoß und dem Wert aller über Amazon gehandelten Waren. Diese Kennzahl sei 2021 um 1,9 Prozent von 102,7 auf 100,8 Gramm gesunken, heißt es in dem Nachhaltigkeitsbericht.
Gut fürs Geschäft - schlecht für die Umwelt
Die Lieferzahlen von Amazon sind in den beiden vergangenen Jahren der Corona-Pandemie regelrecht explodiert. Viele Menschen kauften online ein, weil stationäre Geschäfte geschlossen waren oder man sich nicht der Gefahr einer Corona-Infektion aussetzen wollte. Um die Nachfrage zu bewältigen, hat Amazon seine Infrastruktur massiv aufgerüstet. Es wurden Lieferfahrzeuge, Trucks und Flugzeuge gekauft sowie die Lagerkapazitäten und Logistikzentren ausgebaut.
Neben dem Online-Handel geht es bei Amazon bekanntlich auch ums Cloud-Geschäft. Im Zuge der stärkeren Nachfrage nach Cloud-Services hat Amazon Web Services (AWS) seine Data-Center-Regionen weltweit kräftig ausgebaut.
Amazon hatte sich 2019 ehrgeizige Klimaziele gesteckt. Bis 2040 will der Online-Händler klimaneutral wirtschaften. Im Rahmen des Programms "The Climate Pledge" wurden verschiedene Initiativen angestoßen. Der Bezug erneuerbarer Energien soll ausgebaut werden. 2020 habe der Konzern seinen Energiebedarf bereits zu 85 Prozent aus regenerativen Quellen gedeckt, heißt es in dem Bericht. Bis 2030 soll die Hälfte der Amazon-Lieferungen klimaneutral abgewickelt werden. Amazon hat 100.000 elektrisch betriebene Vans bei Rivian geordert, die bis 2030 auf US-amerikanischen Straßen für Amazon unterwegs sein sollen.
Mehr Nachhaltigkeit bleibt eine Herausforderung
"Der Weg zur Dekarbonisierung bleibt eine Herausforderung", konzedieren allerdings die Amazon-Verantwortlichen und verweisen auf die Größe und das Wachstum des Konzerns. Man dürfe nicht nur anhand der absoluten Kohlenstoffemissionen bewertet werden, sondern auch danach, ob es gelinge, die Kohlenstoffintensität zu senken, fordert der Konzern. Mit der Zeit könne eine kontinuierliche Verringerung des emittierten Kohlenstoffs pro Lieferung zu niedrigeren absoluten Emissionen führen.
Von solchen Überlegungen hat das Klima allerdings nichts. Es wird weiter kippen, wenn es nicht gelingt, die vielen Millionen Tonnen von Treibhausgasen, die Jahr für Jahr in die Atmosphäre geblasen werden, zu reduzieren. Der Versuch, die Emissionen durch eigene Rechenspielchen zu verharmlosen, ändert nichts an der Tatsache, dass Amazon immer mehr CO2 ausstößt und das Klima weiter belastet. Hauptverursacher sind der Marktplatz und das gesamte Ökosystem von Amazon. Mit 55,36 Millionen Tonnen machen die indirekten Quellen (Scope 3) mehr als drei Viertel der CO2-Äquivalente aus. Dieser Schadstoffposten ist im Jahresvergleich um 21 Prozent gewachsen. Aber auch Amazons Scope-1-Emissionen wuchsen um 26 Prozent auf 12,11 Millionen Tonnen klimaschädlicher Schadstoff-Emissionen.
Rechnet Amazon seine Klimabilanz schön?
Kritiker werfen dem Online-Konzern zudem vor, seine Umweltbilanz schön zu rechnen. In einem Bericht des Center for Investigative Reporting (Reveal) wurde Anfang des Jahres festgestellt, dass Amazon im Gegensatz zu großen Einzelhändlern wie Target und Walmart nur die CO2-Emissionen von Produkten zählt, die unter der Marke Amazon verkauft werden, und nicht die, die es von Herstellern kauft und direkt an seine Kunden weiterverkauft.
Amazon wies die Vorwürfe zurück. Das US-Nachrichtenportal CNBC zitiert einen Sprecher mit der Aussage, dass die Bestimmung der Scope-3-Emissionen, also des Schadstoffausstoßes in der Lieferkette eines Unternehmens, den Leitlinien des Greenhouse Gas Protocol Corporate Accounting and Reporting Standard folge. Außerdem müssten Amazon-Drittverkäufer selbst ihre eigene CO2-Buchhaltung führen und kontrollieren.
Für Amazon sind Treibhaugase ein hochsensibles Thema. Als vor zwei Jahren intern kritische Stimmen laut wurden, der Konzern müsse sich mehr um seinen Carbon-Footprint kümmern, drohte der Konzern offen, die Mitarbeiter zu feuern, die damit an die Öffentlichkeit gegangen waren. Betroffene Angestellte berichteten in verschiedenen US-Medien, sie müssten erst eine Genehmigung einholen, um in der Öffentlichkeit über Amazon sprechen zu dürfen. (ba)