Einem Bericht des Wall Street Journal (WSJ) zufolge hat Amazon-CEO Andy Jassy nach monatelanger Prüfung ein Programm zur Kostensenkung eingeleitet. Unternehmensbereiche, die nicht profitabel sind, stehen unter Beobachtung. Dazu sollen auch die Geschäfte rund um die Sprachassistentin Alexa gehören. Das WSJ beruft sich dabei auf Insiderinformationen.
Allein das Alexa-Business beschäftigt demnach mehr als 10.000 Mitarbeitende und verursacht derzeit vor allem Kosten. Das WSJ hatte Einblick in Amazon-interne Dokumente, die zeigen, dass die Devices-Einheit von Amazon, zu der auch Alexa gehört, im vergangenen Jahr einen operativen Verlust von mehr als fünf Milliarden Dollar aufgehäuft hat. Auch in den Jahren zuvor seien Milliarden-Defizite verzeichnet worden.
Viele Amazon-Mitarbeiter sollen sich intern neu orientieren
Amazon soll darüber nachdenken, wie intensiv die auf den verschiedenen Amazon-Geräten verfügbaren Alexa-Funktionen noch weiterentwickelt werden sollen. Das verschlinge viel Geld, und die meisten Konsumenten würden nur wenige Funktionen nutzen. Auch andere unprofitable Unternehmensbereiche würden heruntergefahren oder geschlossen. Die Beschäftigten seien aufgefordert worden, sich nach anderen Stellen im Unternehmen umzusehen.
Das WSJ zitiert einen Unternehmenssprecher mit der Erklärung, die Investitionen bei Amazon würden ohnehin immer wieder kontrolliert. "Im Rahmen der diesjährigen Überprüfung berücksichtigen wir natürlich das aktuelle makroökonomische Umfeld und ziehen Möglichkeiten zur Kostenoptimierung in Betracht." Amazon sei bezüglich Alexa optimistisch, es bleibe ein wichtiger Geschäftsbereich.
Die Kundeninteraktionen mit Alexa hätten im vergangenen Jahr um mehr als 30 Prozent zugenommen. Funktionen, wie das Abspielen von Musik, seien beliebt, doch viele Kunden nutzten Alexa auch regelmäßig für die Steuerung ihrer Smart Homes oder für den Online-Einkauf. Wie der Sprecher versicherte, werde Amazon auch weiter in die Einführung neuer "Alexa-Erlebnisse" investieren.
2022 - bisher ein verlustreiches Jahr für Amazon
Wie im gesamten Tech-Sektor ging es auch für die Amazon-Aktie in diesem Jahr kräftig bergab. Nach dem E-Commerce-Boom während der Pandemie hat Amazon in seinem Kerngeschäft einen deutlichen Abschwung erlebt, bei anhaltend hohen Kosten für das Logistiknetzwerk. Amazon hat in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2022 bereits einen Nettoverlust von drei Milliarden Dollar aufgehäuft, nachdem im Geschäftsjahr 2021 noch ein Plus von insgesamt 33 Milliarden Dollar zu Buche stand.
Yep, the probabilities in this economy tell you to batten down the hatches. https://t.co/SwldRdms5v
— Jeff Bezos (@JeffBezos) October 18, 2022
Letzten Monat warnte Unternehmensgründer und Chairman Jeff Bezos zusammen mit anderen Wirtschaftsführern vor der wirtschaftlichen Unsicherheit und schlug vor, "die Luken zu schließen". Sogar der hochprofitable Cloud-Sektor Amazon Web Services (AWS) wuchs im zurückliegenden Quartal nicht mehr so dynamisch, wie an der Wall Street erhofft. Umsatz und operativer Profit verfehlten die Erwartungen der Analysten.
Wie Amazon prüfen derzeit auch andere Tech-Giganten akribisch ihre Kosten. Die Alphabet-Tochter Google hat ihr Tempo bei Neueinstellungen verlangsamt und die Unterstützung für ihren Startup-Inkubator zurückgefahren. CEO Sundar Pichai äußerte zudem Bedenken über die Produktivität der Google-Mitarbeiter. Regelrecht düster sieht es derweil bei der Facebook-Mutter Meta aus: Die Werbekunden halten sich zurück, der Einstieg in das Metaverse verschlingt Milliarden und Wettbewerber TikTok verdirbt CEO Mark Zuckerberg die gute Laune. 11.000 Mitarbeiter mussten das Unternehmen verlassen.
Personell in ganz anderen Sphären ist allerdings Amazon unterwegs: Der Konzern stellte zwischen Ende 2019 und Ende 2021 aufgrund der starken Nachfrage während der Pandemie mehr als 80.000 neue Mitarbeiter ein, die meisten davon in den Logistikzentren. In diesem Zeitraum übernahm das Unternehmen außerdem Firmen im Gesamtwert von mehr als zehn Milliarden Dollar, darunter den Robotikhersteller Cloostermans, das Film- und Fernsehstudio MGM und das Healthcare-Unternehmen One Medical. Vergangene Woche hat Amazon einen Einstellungsstopp verkündet, will aber angesichts der gegenwärtigen Personal-Rochaden hier und da doch noch Neueinstellungen vornehmen. (hv)