Open Source macht's möglich

Alternativen für Third Party Cookies im Kommen

01.11.2022
Von 


Lukas Fassbender ist Vice President DACH bei The Trade Desk
Third Party Cookies sind nicht nur lästig für Nutzer, sondern für ihre aktuellen Aufgaben eigentlich auch nicht konstruiert. Nun naht ihr Ende, Open-Source-Alternativen dürften an ihre Stelle treten.
Third Party Cookies sind ein Provisorium, das inzwischen durch bessere Alternativen ersetzt werden kann.
Third Party Cookies sind ein Provisorium, das inzwischen durch bessere Alternativen ersetzt werden kann.
Foto: Datenschutz-Stockfoto - shutterstock.com

Provisorien kennt jeder aus seinem Haushalt, aus einer Notlösung wird dann schnell ein Dauerzustand. Zwei Bretter auf vier Backsteinen ergeben zum Beispiel ein vermeintlich ausreichendes Schuhregal. So etwas passiert oft auch in der IT: Ein Quick-Fix wird zur Dauerlösung und übernimmt Aufgaben, die ihm gar nicht zugedacht waren. Bestes Beispiel dafür sind Third Party Cookies.

Das, was Nutzer heute beim Besuch einer Webseite mit Widerwillen akzeptieren, oder was sie mühsam in den Einstellungen auswählen, war eigentlich dazu gedacht, die Web-Nutzung zu vereinfachen. Es hat zweifellos Vorteile, wenn dank gespeicherter Daten die vor drei Tagen in den Warenkorb gelegten Produkte nach Rückkehr des Users auf der Webseite immer noch dort sind.

Dann allerdings wurde der Mehrwert, den Cookies bieten, zweckentfremdet - nämlich um Werbeanzeigen solchen Nutzergruppen anzuzeigen, die auf Basis von Cookie-Informationen ein Interesse an bestimmten Produkten signalisiert haben. Werbung im Internet ist auch ohne Cookies möglich, nur sind die erzielten Preise für die Publisher höher, wenn sie zeigen können, welche Zielgruppen mit einer Werbeanzeige erreicht wurden und mit welcher Conversion Rate zu rechnen ist.

Das Provisorium Cookie hat ausgedient

Vermutlich würde es das Cookie auch weiter geben, zumal dessen Funktionsweise gelernt ist, - wäre da nicht die Sache mit dem Datenschutz. Cookies von Drittanbietern sammeln Nutzerdaten und geben sie weiter. Das bringt die Regulierungsbehörden auf den Plan und führt seit Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Europa zu den lästigen Hinweisen für Besucher von Webseiten. Wahrscheinlich überschätzen viele Marketing-Verantwortlich derzeit sogar die Bedeutung des Abschieds vom Cookie, denn viele User blockieren Cookies von Drittanbietern ohnehin. Und die Browser Safari und Firefox tun das schon länger automatisch. Nach Schätzungen läuft heute bereits die Hälfte des Traffics ohne diese Cookies ab - auch weil es smarte Alternativen gibt.

Letztendlich waren Third Party Cookies vor allem deshalb interessant, weil es eine lineare Customer Journey im World Wide Web nicht gibt und Kunden auch über die eigene Webseite hinaus begleitet werden konnten. Doch nicht nur Cookies bieten diese Möglichkeit. Mithilfe künstlicher Intelligenz (KI), Big Data/Analytics und modernen ID-Lösungen lassen sich heute zum Teil schon viel bessere Resultate erzielen. Anders als Drittanbieter-Cookies sind diese Lösungen wirklich für ihre Aufgabe konzipiert worden, sie sind kein Provisorium.

Open Source ID statt Cookie

Eine attraktive Lösung, die in den USA bereits kräftig an Fahrt aufgenommen hat, ist Unified ID 2.0 (UID2). Die Open-Source-Lösung baut - vereinfacht ausgedrückt - auf verschlüsselten E-Mail-Adressen auf und ermöglicht somit einen datenschutzkonformen Abgleich unterschiedlicher Partner. Vorstellen kann man sich das wie ein Schlüssel-Schloss-Prinzip, bei dem allerdings alle 24 Stunden ein neuer Schlüssel samt Schloss generiert wird.

Der kollaborative Ansatz von UID2, der von mehr als 100 Unternehmen - darunter Amazon, Disney sowie namhafte Online-Publisher, Tech-Anbieter und Datenpartner - entwickelt wird, übersetzt und verschlüsselt E-Mail-Adressen in eine anonymisierte ID-Nummer. Das passiert natürlich nur, wenn die Nutzerinnen und Nutzer eingewilligt haben.

Bei der anschließenden Nutzung eines digitalen Dienstes, der am UID2-Projekt teilnimmt, wird der User erneut um seine Einwilligung gebeten, damit auch dieser Dienst die ID verwenden darf. Somit muss nur einmal eine Umwandlung der E-Mail-Adresse initiiert und und auf jeder Website oder in jeder App auch nur einmal die Einwilligung erteilt werden. Diese kann übrigens jederzeit wieder entzogen werden.

Mit diesem Verfahren kann auch eine Single-Sign-on-Lösung einen Service aufrufen und für eine E-Mail-Adresse oder Telefonnummer vom Server eine verschlüsselte Unified ID erhalten.

Ablösung von Cookies ist eine Chance

Eine ID, die auf der Basis eines permanenten Benutzeridentifikators - etwa einer E-Mail-Adresse - erstellt wird, ist eine universelle Kennung. Sie kann nicht nur auf Webseiten, sondern auch über andere Kanäle und Plattformen hinweg verwendet werden. Das ist ein Vorteil von Identitätslösungen gegenüber Cookies, die im Browser gesetzt und gelesen werden und Nutzer auch nur im Webbrowser identifizieren können. Identity-Lösungen funktionieren auch in vielen weiteren Formaten wie Audio, Mobile oder Connected TV.

Genau darum geht es im Marketing: Content zu produzieren, der relevant ist und von der Zielgruppe als nützlich und interessant angesehen wird - unabhängig vom Format. Werbung sollte Information sein, die einen Gegenwert hat. Dieser Aspekt hat bisher zu wenig Aufmerksamkeit bekommen, vielleicht weil er nicht verstanden oder aber nicht richtig erklärt wurde. Mit dem Open-Source-Ansatz der UID2 kann sich das in Zukunft ändern. Den Werbetreibenden würden ganz neue Möglichkeiten eröffnet, von denen letztendlich auch die Nutzer profitieren.

Der Abschied vom Third Party Cookie ist, auch wenn man sich wie bei einem provisorischen Möbelstück daran gewöhnt hat, keineswegs traurig. Es bietet sich die Chance des Einstiegs in ganz neue Perspektiven der Zielgruppenansprache über bisher ungenutzte Touchpoints. Für das Marketing im offenen Internet können IDs sogar eine gemeinsame neue Währung schaffen, die Vertrauen heißt.

Für die Branche bedeutet das, neue Strukturen zu schaffen, die Cookies nach und nach ersetzen - und das auf eine Art, die den Wert relevanter Werbung für Marken bewahrt und es den Publishern gleichzeitig ermöglicht, gute Inhalte zu finanzieren und mehr davon zu produzieren. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben weiterhin Zugang zu Qualitäts-Content, finanziert durch Werbung, die für sie relevant ist und einen Mehrwert bietet. (hv)